Um die Pfote gewickelt. Katharina Messner

Um die Pfote gewickelt - Katharina Messner


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Ich bin unschlagbar in der Kategorie Mehr-Mehr-Mehr. Essen ist das Thema meines Lebens. Das wird hier noch öfter zur Sprache kommen.

      Nach dem Rundgang setzte man mich auf den Boden und ich schnupperte und begutachtete und war völlig überfordert. Der erste große Schreck: ein Spiegel! Ich sah mich selbst, ich hatte mich doch noch nie zuvor gesehen. Ein rotes Minimonster! Ein Raubtier! Ich durchschaute mich blitzschnell. Ich lief davon. Wie mir schien, rannte ich um eines meiner Katzenleben. Heute, abgeklärt und klug, muss ich darüber lächeln. Aber damals war mir mehr nach Schluss-mit-Lustig zumute.

      Ich rettete mich hinters Sofa. Und ich schlief augenblicklich ein. Ich brach sozusagen weg. Von einer Sekunde auf die andere. Ungewiegt, fix und foxi. Und doch irgendwie glücklich. Es würde sich leben lassen mit diesen Zweibeinern, mit meiner Familie. Sie machten einen fügsamen, erziehbaren Eindruck. Ich würde keine Schwierigkeiten mit ihnen haben. Klar, mit meinem Einzug würden sich die hierarchischen Strukturen verändern. Aber damit muss jeder rechnen, der einen unserer Art bei sich aufnimmt. In Wahrheit sind nämlich wir die Herren des Hauses. Auch wenn wir manchmal, um des lieben Katzenfriedens willen, gnädig sind und so tun, als ob auch Zweibeiner etwas zu sagen hätten. Glauben Sie mir: alles Katerlug und Katzentrug! Wir Stubentiger sind es, die bestimmen, wie und wo es langgeht in unserer Familie.

       So viel Schönheit darf nicht verhungern

      Wie sieht er denn aus, euer neuer Kater? So fragten Freunde meine jungen Zweibeiner. Ja, wie sehe ich aus?

      Die Frau, die meine Katzenfutterdosen heimschleppt, findet, mein Pelz könnte als Vorlage für Stoffmuster dienen. Ich wäre gestreift und gepunktet, geringelt und gefleckt, und manchmal würde man sogar ein wenig Kariertes über meinem Brustbein erkennen. Alles Ton in Ton, also Rot auf Rot. Na bitte, wer hat, der hat eben!

      Damit so viel Schönheit nicht unversehens vom Fleisch fällt, verbringe ich mein halbes Katerleben in Warteposition. Ich warte auf Futter. Ich sitze in der Küche an den strategisch erprobten und bewährten Punkten: auf dem Kompostkübel, vor der Futterschüssel, vor dem Kasten. Oder ich renne den Zweibeinern so lange zwischen den Füßen herum, bis einer über mich stolpert und sich meiner erbarmt.

      Der Menschen Erbarmen mit uns Unersättlichen besteht aus Dosenfutter, Trockenfutter, Schälchenfutter. Ich für meine Katerperson liebe auch Biskuit und Schnittkäse. Käsekater sagt man deshalb manchmal zu mir. Und das hat – Sie werden nicht umhinkönnen, mir jetzt zuzustimmen – also das hat einen gewissen französischen Gourmet-Touch. Edel halt.

      Die weiblichen Mitglieder meiner Menschenfamilie jammern oft: „Wie werde ich den Speck los?“ Pah! Menschensorgen! Mir ist es katzenschnuppe, ob ich drei Kilo zu viel habe oder fünf. Ich habe keine Probleme mit Frühjahrsklamotten, ich trage ab Mai meinen Sommerpelz. Der ist luftig, leicht und dehnbar. Stretch heißt die Zauberformel. Da hat jede Menge Fressen drin Platz.

      Im Winter lege ich mir Katzenhaar um Katzenhaar ein dickes Fell zu. Der Schwabbelbauch drunter stört mich nicht im Geringsten. Bauch macht Ansehen hieß es früher in den Bierbrauerfamilien. Und die waren immerhin die Reichsten im Dorf.

       Tizimausi, das ist doch die Katerhöhe!

      Wie soll er denn heißen, der Kleine? Es gab heftige Diskussionen zum Thema. Als ob mir nicht jeder Name recht gewesen wäre. Es ist doch so, dass unsereinem die Menschensprache nicht allzu viel bedeutet. Generationen von Bauernhofkatzen hörten und hören auf Mieze, Minka oder Murli. Andererseits: Wenn man die Lebensbedingungen dieser fleißigen Arbeiter, dieser Mäusevertilger und Rattenvertreiber bedenkt, ihren sozialen Status ganz unten in der Hofhierarchie nach Kuh, Schwein und Hund, ihr verlaustes, verflohtes, verwurmtes, verhungertes Dasein, da lobe ich mir doch jene Menschen, die uns füttern und verwöhnen und obendrein mit einem besonders schönen Namen schmücken wollen.

      Die Hüterin meiner Katzenfutterdosen hat neben dem Mich-Verwöhnen noch einen Zweitberuf: Sie ist Journalistin und manchmal hat sie auch schon über mich geschrieben. Einmal habe ich ihr sogar die Kolumne weggenommen und eigenpfötig von mir berichtet. Diese literarische Meisterleistung (Copyright Tizian) über mein Almabenteuer mit dem Fuchs dürfen Sie später in diesem Buch auch noch genießen.

      Nun, viele Leser haben meiner Zweibeinerin im Laufe der Zeit von ihren kätzischen Mitbewohnern berichtet. Und was sind da nicht alles für hochherrschaftliche Katzennamen darunter, Adelige von und zu, Prinzen und Prinzessinnen, wie etwa jener Moritz aus dem Waldviertel, der sich bald als Maurice, der Sonnenkönig, der auf dem Sofa residiert, entpuppte. Dazu all die Mädis und Mohrlis, Sindras und Puppis, die Molly, der Florian, die Stupsi, die beiden bürgerlichen Maxi und Mixi, und so weiter und so der Katzennamen fort.

      Übrigens nehme ich es neidlos zur Tiziankenntnis: Jedes Samtpfötchen ist der Liebling seiner Familie!

      „Sebastian! Er soll Sebastian heißen!“ Eines der Zweibeinerkinder wollte diesen Namen. Sebastian war ein wilder Kater gewesen, ein Tier mit räudigem Fell und gutem Herzen. Die Sebastian-Geschichte ereignete sich lange vor meiner Zeit, aber meine Menschen haben oft davon erzählt. Sebastian war auch ein roter Kater. Eines Tages im März saß er auf der Terrasse meiner Menschen und kam ab da regelmäßig zum Fressen. Doch er kam nur einen Sommer lang. Im Herbst erschoss ihn ein Nachbar. Faselte etwas von Erlösung für das Tier und Ansteckungsgefahr für die Menschen. Meine Zweibeiner sind heute noch wehmütig, wenn sie von Sebastian sprechen, obwohl er ihnen gar nicht gehört hatte.

      „Nein, keinen Namen aus der Vergangenheit“, sagte die Zweibeiner-Mutter. „Das Leben gehört der Zukunft. Der Zukunft mit dem kleinen Kater hier. Also denkt noch ein wenig nach.“

      Es kam nicht viel heraus beim Nachdenken. Man konnte sich nicht einigen. Beppo, so heißt der Onkel, der möchte vielleicht keine Freude haben. Whisky wäre zu abgedroschen. Goliath vielleicht doch zu übertrieben für eine Handvoll Kater.

      „Er ist so schön rot. Tizianrot. Wir sollten ihn Tizian nennen.“

      „Hört, hört! Die Mama macht in Kultur!“

      „Tizian war einer der bedeutendsten Maler der italienischen Hochrenaissance. Er war bekannt für sein Rot.“

      „Uns soll es recht sein.“

      Mir war es auch recht. Nicht recht sind mir allerdings bis heute diese kindischen Koseformen, die sich meine Zweibeiner zuweilen ausdenken: Tizi, Tizikatzi, Tiziwitschi, Tiziwutschiwantschki. Was immer das heißen mag.

      Doch das alles geht noch, gemessen an – halten Sie sich fest, was jetzt kommt! – gemessen an: Tizimausi! Drei Rufzeichen! Welch hochgradiger Blödsinn: Ich bin ein stolzer Kater und man ruft mich Mausi!

      Manchmal bin ich für meine Menschen auch schlicht der Tize. Das hat nichts mit diesem Feigenkaffe zu tun (den schreibt man übrigens mit tz), auch wenn meine Zweibeinerin bei Tize gern daran denkt. Es ist einfach üblich in unserer Gegend, männliche Namen auf E zu verballhornen. Aus Paul wird der Paule, aus Matthias der Mote, aus Gottfried der Gote. Selbst bei Familiennamen macht man das: Den Leitner rufen die Freunde Leite, den Bohnstingel Bohne. Und mich eben Tize.

      Für ein schnurrfreundliches Tize, welches mich zur gefüllten Futterschüssel ruft, bin ich immer zu haben. Dafür verlasse ich sogar meine Ruheposition auf dem Sofa.

      Apropos Ruheposition – diese bezieht sich auf meinen körperlichen Zustand. Was den innerfamiliären Status betrifft, sollte man besser den Begriff Poleposition verwenden. Ich für meine Katerperson liege nämlich immer nur an erster Stelle. Und bleibe dort auch liegen, denke gar nicht daran, für irgendeinen sportlichen Wettbewerb aufzustehen oder gar im Kreis herumzurennen.

      In den Herzen meiner Zweibeiner habe ich die Poleposition erobert, ohne mich dafür besonders anzustrengen. Meine Poleposition ist also eine Ruheposition, was auch insofern zutreffend ist, als wir Samtsanftpfötigen die Ruhe über alle Katzenmaßen lieben. Wir sind Leisetreter. Wir hassen Autolärm, Staubsaugerkrach und die schrille Katzenmusik, die aus den Kinderzimmern dröhnt.

      Wir Feliden sind Wesen der Stille,


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