Um die Pfote gewickelt. Katharina Messner

Um die Pfote gewickelt - Katharina Messner


Скачать книгу
versagt bleibt: durchs Leben zu gehen, ohne Lärm zu machen.“

       Tizian, die Widderkatze

      Ich schleiche seit meiner neunten Lebenswoche bei meiner Zweibeinerfamilie durchs Leben. Dabei müsste ich astrologisch gesehen ja springen wie ein Böcklein. Ich bin nämlich eine Widder-Katze.

      Die Frau, die meine Katzenfutterdosen heimschleppt, hat ein Büchlein geschenkt bekommen. Das heißt „Auf Samtpfoten durchs Jahr“. Darin werden wir Katzen den Tierkreiszeichen zugeordnet. Nicht anders als bei den Menschen, richtet sich das nach dem Geburtsdatum.

      Was meine bescheidene Katerpersönlichkeit betrifft, ich sagte es schon: Ich bin eine Widder-Katze. Meine Menschenfamilie meint zwar immer, ich wäre ein verspäteter Aprilscherz, weil ich am 2. April Geburtstag habe – aber so ein Kommentar ist natürlich überflüssig wie nur.

      In dem Katzenkalender der Marke „Die Sterne lügen nie“ steht über meinesgleichen:

      „Eigenwillig und selbstbewusst galoppiert die Widder-Katze durchs Leben, sie strotzt vor Aktivität und Tatendrang (Und da behaupten meine Menschen, ich hätte das Sofa-Dasein erfunden!). Ein drahtiger Körper (Hört, hört – von wegen Hängebauchkater!) verbirgt sich unter zerzaustem Fell. Widder-Katzen brauchen eine starke Hand (Als ob meine starke Pfote nicht reichen würde!) und Menschen um sich, die sie respektieren können, um sich geliebt und geborgen zu fühlen. Sie lieben würziges Fressen (Stimmt, vor allem, viel davon!), sind erfindungsreich, robust und nicht wehleidig und die richtigen Genossen fürs Landleben.“

      Unter uns gesagt: ich finde die grobe Zwölfsternzeichen-Unterteilung viel zu oberflächlich. Wir Katzen sind doch lauter individuelle Persönlichkeiten und deshalb müsste es für jede von uns eine eigene Charakteranalyse geben.

      Nehmen Sie mich: Widder hin, Widder her – in Wahrheit bin ich unter dem Zeichen des Tizians geboren, mein Aszendent heißt Tizian, und Sonne, Mond und Sterne standen zur Geburtsstunde auf Tizian.

      Für mich gibt es kein helio- und kein geo-, sondern nur ein tizianzentrisches Weltbild. Das bedeutet: Ich bin der Mittelpunkt des Universums, alles dreht sich um mich.

      Sollte man mich zum wissenschaftlichen Widerruf dieser Tizianthese zwingen, würde ich anschließend zurückmiauen: Und es dreht sich doch alles um mich!

      So wie ich denken auch alle anderen Samtpfötler. Jeder von uns ist überzeugt, der Nabel der Welt zu sein. Keine noch so kluge Theorie kann uns vom Gegenteil überzeugen. Die Praxis ist nämlich auf unserer Seite: Wir schnurren ein wenig, und schon holen uns unsere Zweibeiner die Sterne vom Himmel!

       Tizian, der Fischerkönig

      Da Sie nun mein Geburtsdatum wissen, können Sie es sich ausrechnen: Ich kam im Juni zu meiner Menschenfamilie und dieser Juni damals war der Beginn eines langen, heißen Sommers.

      Menschen sind sonderbare Wesen: Sie lieben die Affenhitze, aber sie vertragen sie nicht wirklich und hüpfen deshalb ständig zur Abkühlung ins Wasser. Dort planschen und blödeln sie herum und benehmen sich kindischer als ein Wurf junger Kätzchen.

      Wenn die Zweibeiner nass genug sind, legen sie sich zum Trocknen in die Sonne und lassen sich ihr Fell, Pardon: ihre Haut verbrennen. Sie cremen und ölen ihre Bäuche und Rücken, dass es nur so brutzelt. Kaum sind sie ganz trocken und ganz ölig, springen sie wieder ins Wasser und der ganze Unfug beginnt von vorn.

      Sommervergnügen nennen die Menschen das. Und sie fliegen sogar Tausende Kilometer, nur um noch mehr Sonne und noch mehr Wasser zu haben. Katzennie und katzennimmer würde unsereins sich so unlogisch benehmen.

      Wir Phlegmatiker im Pelz suchen uns an heißen Sommertagen bereits in der Früh ein schattiges Plätzchen, und dort halten wir für mindestens zwölf Stunden Siesta. Ich für meine Tizianperson bevorzuge den Steintrog mit den Zwergkoniferen. Manchmal lege ich mich auch auf den Steinboden unter dem Tischtennistisch. Ich strecke dort alle viere von mir, und sollten Sie zufällig vorbeikommen – bitte stören Sie meine Ruhe nicht! Erwarten Sie von mir kein Ohrwaschelwackeln und kein Schwanzspitzeheben. Ich bin beschäftigt! Mit der wichtigsten Katzensache der Welt – mit dem süßen Katernichtstun!

      Der Wahrheit halber muss ich zu diesen Zeilen hier noch einen Nachtrag anfügen. Es sind nämlich nicht nur die Menschen komische Wassertiere. Es gibt auch bei uns Katzen völlig unvernünftige Wesen. Jede Familie, ob Zweibeiner oder Vierbeiner, hat eben ihre schwarzen Schafe. Bei uns Katzen sind das nicht etwa diese hübschen seidenschwarzen Samtpfötchen, die als Glücksbringer vom Freitag, dem Dreizehnten, gelten. Nein, es sind die Türkischen Van Katzen, die unseren guten Ruf der Wasserscheu untergraben, ach was: unterschwimmen! Sie leben in Anatolien, in der Gegend des Berges Ararat, und holen sich ihre Fischmahlzeit schwimmend aus dem Van-See. Brrrr! Mir sträubt sich jedes einzelne Barthaar! Freiwillig in die Fluten! Nicht um die Kralle bringt man mich ins Wasser!

      Dabei bin auch ich, so wahr ich Tizian heiße, ein begnadeter Fischer. Ich lebe an einem Fluss, und mindestens einmal die Woche komme ich mit einem Fisch im Maul angetrabt. Wenn die Frau, die meine Katzenfutterdosen heimschleppt, nicht aufpasst, trage ich meine Beute ins Wohnzimmer und verspeise sie dort genüsslich.

      Meine Menschen zerbrechen sich dann jedes Mal den Kopf darüber, wie ich zu dem Fisch gekommen bin. Ob ich ihn einem Fischer aus dem Kescher gestohlen, oder doch mit spitzen Krallen aus dem seichten Wasser zwischen den Ufersteinen geholt habe?

      Um meine Sicherheit beim Fischen braucht sich jedenfalls niemand Sorgen machen. Wir Katzen wollen zwar nicht schwimmen, aber wir können es dennoch ganz hervorragend. Wirft uns so ein Lümmel von Menschenkind aus purem Übermut ins Wasser, dann rudern wir hocherhobenen und beleidigten Hauptes zurück ans Ufer. Im perfekten Vierpfotenstil, ganz ohne Training. Wir Katzen sind eben Alleskönner, können sogar schwimmen, obwohl wir das hassen wie die Hundepest!

       Der Tag, als abends der Fuchs kam

      Das Kapitel Sommer und Wasser hätte ich damit abgehakt. Es gibt schließlich Erfreulicheres. Etwa das Landleben. Genauer: das Leben hoch oben in der Einschicht einer Alm.

      Haben Sie noch mein Horoskop im Gedächtnis? Die Widderkatze, war da zu lesen, wäre ein robuster Kumpel fürs Landleben. Das trifft sich gut mit den Vorlieben meiner Zweibeiner. Die übersiedeln nämlich jedes Jahr für ein paar Urlaubswochen auf die Alm. Zu Muh und Mäh, dorthin, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen. Und genau zum Fuchs, zu dem werde ich Ihnen etwas erzählen.

      Es war im zweiten Sommer meines jungen Katerlebens. Es ist die Geschichte, die ich auch schon in der Zeitung erzählt habe. Und über die manche lästern, sie bestünde nur aus Angeberei und Übertreibung. Einer entblödete sich auch nicht, zu behaupten, das Ganze wäre einfach nur ein Katzenschmäh. Dass ich nicht miaue! Wissen Sie, was ich denke, wenn ich so etwas höre? Nicht mal ignorieren. Und: Erst mal nachmachen.

      Es war der Tag, als abends der Fuchs kam. Ein Urlaubstag wie die anderen zuvor. Eine einsame Almhütte, gut 1500 Meter über der Zivilisation. Kein fließendes Wasser, kein Strom. Eine Gegend, wo die Zirben zum Küchenfenster hereinwachsen und die Rindviecher einen ruhebedürftigen Stubentiger wie mich schon in aller Mäusefrühe mit Kuhglockengebimmel aus den Schnurrträumen wecken.

      Dabei habe ich miezemäßige Angst vor Kühen. Meist flüchte ich vor ihnen unters Schindeldach und überblicke die Lage aus sicherer Höhe.

      Kater sei Dank, die Kühe verzogen sich bald, an diesem Tag, als abends der Fuchs kommen sollte. Alles ging seinen gewohnten, bedächtigen Gang. Wasser holen von der Quelle. Holz hacken. Feuer machen. Beeren klauben hinter der Hütte. Auf dem alten Eisenherd Essen kochen. Wie zu Urgroßmutters Zeiten abwaschen in zwei Emailschüsseln. Am Nachmittag auf der kleinen Insel im Bachbett faulenzen.

      Es sind dies Urlaubstage, an denen ich die Frau, die nie vergisst, genügend Katzenfutterdosen auf die Alm mitzunehmen, überallhin begleite. Sogar über die Steine im Bach tripple ich, nur


Скачать книгу