Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский

Gesammelte Werke von Dostojewski - Федор Достоевский


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er eines solchen Schlafrocks würdig? Er möchte sich immer vor allen Dingen volltrinken. Sie werden sehen: er wird Sie noch vor dem Tee zum Schnapstrinken auffordern.«

      »Siehst du wohl, da hast du ganz recht; wir wollen ein Gläschen Goldwasser trinken, Wanja, und ein Gläschen Silberwasser und uns dann mit erfrischter Seele an die anderen Getränke heranmachen!«

      »Na, habe ich es doch gewußt!«

      »Beunruhige dich nicht, liebe Alexandra, wir werden auch Tee trinken, mit Kognak, auf deine Gesundheit.«

      »Na, also wirklich!« rief sie und schlug die Hände zusammen. »Es ist Khan-Tee, zu sechs Rubeln; vorgestern hat ihn uns der Kaufmann geschenkt; und den will er mit Kognak trinken! Hören Sie nicht auf ihn, Iwan Petrowitsch; ich werde Ihnen gleich eingießen … da werden Sie sehen, da werden Sie selbst sehen, was das für ein Tee ist!«

      Sie machte sich eifrig am Samowar zu schaffen.

      Es war deutlich, daß sie darauf rechneten, mich den ganzen Abend bei sich zu behalten. Alexandra Semjonowna hatte ein ganzes Jahr lang auf einen Gast gewartet und sich nun vorgenommen, an mir ihr Herz zu erquicken. Aber das paßte nicht in meine Dispositionen hinein.

      »Hör mal, Masslobojew«, sagte ich, indem ich mich setzte, »ich bin ja eigentlich überhaupt nicht als Gast zu dir gekommen, sondern in Geschäften; du hast mich selbst herbestellt, um mir etwas mitzuteilen …«

      »Na, Geschäft hin, Geschäft her; ein freundschaftliches Gespräch will auch sein Recht haben.«

      »Nein, mein Bester, daraus wird heute nichts! Um halb neun muß ich mich verabschieden. Ich habe zu tun; ich habe mein Wort gegeben …«

      »Daraus wird nichts! Ich bitte dich, wie kannst du mir so etwas antun? Und wie kannst du gar Alexandra Semjonowna so etwas antun? Sieh sie nur an: sie ist ganz starr geworden. Wozu hätte sie mich denn dann pomadisiert; ich dufte ja nach Bergamottenpomade; bedenke doch!«

      »Du treibst immer Scherz, Masslobojew. Ich werde Alexandra Semjonowna das heilige Versprechen geben, in der nächsten Woche, sagen wir zum Beispiel am Freitag, zum Mittagessen zu euch zu kommen; jetzt aber, lieber Freund, habe ich mein Wort gegeben, oder, richtiger gesagt, ich muß eben notwendig an einen bestimmten Ort. Also sage mir lieber: was wolltest du mir mitteilen?«

      »Also wollen Sie wirklich nur bis halb neun hierbleiben?« rief Alexandra Semjonowna mit ängstlicher, kläglicher Stimme, beinahe weinend, und reichte mir eine Tasse vorzüglichen Tees.

      »Beunruhige dich nicht, liebe Alexandra; das ist alles Unsinn«, fiel Masslobojew ein. »Er wird hierbleiben; das ist Unsinn. Weißt du, Wanja, sage mir lieber, wohin gehst du eigentlich immer? Was hast du für Geschäfte? Kann man das erfahren? Du läufst ja alle Tage irgendwohin, du arbeitest nicht …«

      »Wozu willst du das denn wissen? Indessen werde ich es dir vielleicht nachher sagen. Dafür erkläre du mir lieber, warum du gestern zu mir gekommen bist, obwohl ich dir, wie du dich erinnern wirst, selbst gesagt hatte, daß ich nicht zu Hause sein würde.«

      »Nachher fiel es mir ein; aber gestern hatte ich es vergessen. Ich wollte wirklich mit dir etwas Geschäftliches besprechen; vor allen Dingen aber wollte ich Alexandra Semjonowna ein Vergnügen bereiten. ›Da ist nun ein Mensch‹, sagte sie, ›der sich als ein Freund von dir herausgestellt hat; warum lädst du ihn nicht ein?‹ Und so hat sie mir deinetwegen vier Tage und vier Nächte zugesetzt, lieber Freund. Für die Bergamottenpomade werden mir gewiß einmal in jener Welt viele Sünden vergeben werden; aber ich dachte so: warum soll ich nicht einen Abend mit dir freundschaftlich zusammensitzen? Und da habe ich eine Kriegslist angewandt: ich habe dir geschrieben, es liege etwas so Wichtiges vor, daß dein Ausbleiben die allerschlimmsten Folgen haben würde.«

      Ich ersuchte ihn, in Zukunft nicht wieder so zu handeln, sondern mir gegenüber lieber aufrichtig zu sein. Übrigens befriedigte mich diese Erklärung nicht vollständig. »Nun, und warum bist du heute mittag von mir weggelaufen?« fragte ich ihn.

      »Da hatte ich wirklich geschäftlich zu tun; dabei ist nicht das geringste gelogen.«

      »Doch nicht mit dem Fürsten?«

      »Schmeckt Ihnen unser Tee?« fragte Alexandra Semjonowna in schmeichelndem Ton.

      Sie hatte schon fünf Minuten lang darauf gewartet, daß ich ihren Tee loben sollte; aber ich hatte es gar nicht beachtet.

      »Er ist ausgezeichnet, Alexandra Semjonowna, ganz vorzüglich! Ich habe noch nie so guten Tee getrunken.«

      Alexandra Semjonowna wurde ganz rot vor Vergnügen und beeilte sich, mir noch einmal einzugießen.

      »Der Fürst!« rief Masslobojew. »Dieser Fürst, lieber Freund, ist ein solcher Schurke, ein solcher Gauner … na! Ich will dir etwas sagen: ich bin ja selbst ein Gauner; aber in dessen Haut zu stecken, das würde doch meinem Anstandsgefühl widerstreiten! Aber genug davon! Schweigen wir darüber! Weiter darf ich über ihn nichts sagen.«

      »Und ich bin gerade zu dir gekommen, um mich unter anderem nach ihm zu erkundigen. Aber davon nachher! Warum hast du aber gestern in meiner Abwesenheit Jelena Bonbons gegeben und ihr etwas vorgetanzt? Und wovon hast du denn anderthalb Stunden lang mit ihr reden können?«

      »Jelena, das ist ein kleines Mädchen von elf oder zwölf Jahren, das einstweilen bei Iwan Petrowitsch wohnt«, bemerkte Masslobojew erklärend, indem er sich an Alexandra Semjonowna wandte. »Sieh nur, Wanja, sieh nur«, fuhr er fort und zeigte mit dem Finger auf sie, »wie sie aufgefahren ist, sowie sie hörte, daß ich einem unbekannten jungen Mädchen Bonbons gebracht hätte; ganz rot ist sie geworden; ordentlich zusammengezuckt ist sie, wie wenn wir plötzlich einen Pistolenschuß abgefeuert hätten … ei, die Äuglein funkeln nur so wie Kohlen. Ja, nun kannst du es nicht mehr verbergen, Alexandra Semjonowna, nun kannst du es nicht mehr verbergen: du bist eifersüchtig! Wenn ich nicht erklärt hätte, daß es sich um ein elfjähriges Mädchen handelt, dann hätte sie mich sogleich an den Haaren gerissen, und die Bergamottenpomade hätte mich nicht gerettet!«

      »Sie wird dich auch jetzt nicht retten!«

      Bei diesen Worten sprang Alexandra Semjonowna mit einem Satz hinter dem Teetisch hervor zu uns hin, und ehe noch Masslobojew seinen Kopf schützen konnte, hatte sie ihn schon an einem Haarbüschel gepackt und ihn gehörig gezaust.

      »Da hast du es, da hast du es! Untersteh dich nicht, in Gegenwart eines Gastes zu sagen, daß ich eifersüchtig wäre; untersteh dich nicht!«

      Sie war ganz rot geworden, und obgleich sie lachte, hatte Masslobojew doch tüchtig etwas abbekommen. »Immer macht er mich schlecht!« fügte sie, zu mir gewendet, in ernstem Ton hinzu.

      »Na, siehst du, Wanja, solch ein Leben führe ich! Deshalb muß ich unbedingt ein Schnäpschen trinken!« erklärte Masslobojew, indem er sich die Haare wieder zurechtstrich und, beinahe laufend, zu den Karaffen hineilte. Aber Alexandra Semjonowna kam ihm zuvor; sie sprang zu dem Tisch hin, goß selbst ein Gläschen voll, reichte es ihm und klopfte ihm sogar freundlich auf die Wange. Masslobojew blinzelte mir stolz zu, schnalzte mit der Zunge und trank feierlich sein Gläschen aus.

      »Die Geschichte mit den Bonbons ist schwer zu erklären«, begann er, indem er sich zu mir auf das Sofa setzte. »Ich kaufte sie vorgestern in betrunkenem Zustand in einem Kramladen, ich weiß selbst nicht, warum. Übrigens tat ich es vielleicht zur Beförderung des vaterländischen Handels und Gewerbes; ich weiß es nicht genau; ich erinnere mich nur, daß ich damals betrunken auf der Straße ging, in den Schmutz fiel, mir die Haare ausraufte und darüber weinte, daß ich zu nichts tauglich sei. Die Bonbons vergaß ich dann natürlich, so daß sie bis gestern in meiner Tasche blieben, und als ich auf deinem Sofa Platz nahm, setzte ich mich darauf. Was das Tanzen anlangt, so bildet auch hier derselbe Zustand mangelnder Nüchternheit den Grund: ich war gestern tüchtig betrunken, und in betrunkenem Zustand fühle ich mich manchmal mit meinem Schicksal zufrieden und fange an zu tanzen. Das ist alles; nur hat vielleicht außerdem diese kleine Waise mein Mitleid wachgerufen, und außerdem wollte sie nicht mit mir reden, wie wenn sie auf mich böse wäre. Und da fing ich, um sie zu erheitern, an zu tanzen und traktierte sie mit Bonbons.«

      »Hast du sie nicht damit erkaufen wollen, um etwas von ihr herauszubekommen? Gestehe offen:


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