Gesammelte Werke. Джек Лондон
weiblichen Passagiere laut vor Schreck schrien. Und wenn man einen Mann brauchte, der sich auf Pferde verstand und kranke oder zu Schaden gekommene Pferde zu behandeln wusste, dann machte selbst der Besitzer des Stalles Billy Platz.
»Ich könnte jeden Tag eine feste Anstellung bekommen«, prahlte er vor Saxon. »Ich sage dir, das ganze Land wimmelt von Chancen, wenn man nur einigermaßen tüchtig ist. Ich möchte wetten, wenn ich in diesem Augenblick dem Alten sagte, dass ich eine feste Stellung für sechzig Dollar bei ihm annehmen wollte, so würde er mit beiden Händen zugreifen. Er hat es mir direkt vorgeschlagen. – Und sag mal, bist du dir eigentlich klar darüber, dass Unterzeichneter jetzt ein neues Handwerk gelernt hat? Nun, er weiß es jedenfalls. Er kann eine Diligence fahren oben bei den Seen – und mit sechs Pferden. Wenn wir je dort hinkommen, werde ich mich mit einem Kutscher befreunden – nur um einmal versuchen zu dürfen, mit sechs Pferden zu fahren. Und du sollst neben mir auf dem Bock sitzen. Das soll flutschen! Ach, das soll flutschen!«
Billy interessierte sich nur wenig für die vielen Gespräche, die in Halls großer Wohnstube geführt wurden. Für ihn war es nur eine Vergeudung der kostbaren Zeit, die zum Kartenspielen oder zum Schwimmen oder Ringen im Sand gebraucht werden konnte. Saxon dagegen war entzückt von diesen Diskussionen, wenn sie auch nicht viel davon verstand, sondern ihnen mehr gefühlsmäßig folgte und nur hin und wieder blitzhaft erfasste, um was es sich handelte. Was sie jedoch nie verstand, war der Pessimismus, der so oft auftauchte. Der verrückte irische Dramatiker war zeitweise schrecklich niedergeschlagen. Shelley, der Lustspiele in einer Zementzelle schrieb, war ein chronischer Pessimist. St. John, ein junger Schriftsteller, der für Magazine schrieb, war Anarchist und eifriger Nitzscheaner. Masson, ein Maler, hatte sich die Theorie gebildet, dass es immer wieder dasselbe war, was geschah, und diese Theorie wirkte direkt lähmend. Und Hall, der meistens heiter war, konnte schlimmer als jeder andere sein, wenn er anfing, von dem kosmischen Pathos der Religion und ihrem Anthropomorphismus, der nicht sterben wollte, zu reden. Bei solchen Gelegenheiten wurde Saxon ganz schwermütig, wenn sie den betrübten Kindern der Kunst zuhörte. Es war unfassbar, dass gerade sie das Leben so hoffnungslos sehen sollten.
Eines Abends wandte Hall sich plötzlich zu Billy, der nur eine unklare Vorstellung von dem, was sie sagten, besaß und nichts anderes verstanden hatte, als dass das ganze Leben ihnen als etwas Verfluchtes und Sinnloses erschien.
»Sagen Sie mal, Sie Heide, Sie unerschütterlicher erdgebundener Ochse, Sie Monstrum von überströmender und ewiger Gesundheit und Lebensfreude, was meinen Sie dazu?« fragte er.
»Ach, ich habe wohl auch meine Sorgen gehabt«, antwortete Billy in seiner gewöhnlichen, bedachten Art. »Ich habe Not gelitten, und ich habe einen Streik mitgemacht, der zu nichts führte, und ich habe meine Uhr versetzt und konnte doch nicht die Miete bezahlen und Essen kaufen, und ich habe Streikbrecher verprügelt und bin selbst verprügelt worden, und ich habe im Gefängnis gesessen, weil ich mich wie ein Idiot benommen habe. Wenn ich Sie recht verstehe, so ist es besser, ein feines Schwein zu sein, das gemästet und auf dem Markt verkauft wird, und sich über nichts zu ärgern hat, als ein Bursche, der Leibschmerzen hat, weil er nicht in seinen Kopf hineinkriegen kann, wie die Welt gemacht ist, und immer darüber nachdenken muss, welchen Zweck alles hat.«
»Das ist gut – Prämienschwein!« lachte der Dichter. »Der geringste Reibungswiderstand, die geringste Anstrengung – das ist der ideelle Zustand, eine Qualle, die im ruhigen, lauen, halbdunklen Meere treibt.«
»Aber ihr bekommt ja gar nicht all die guten Dinge mit«, wandte Billy ein.
»Nennen Sie sie«, sagte der andere herausfordernd.
Billy saß einen Augenblick schweigend da. Ihm war, als sei das Leben etwas Großes, Freigebiges. Er hatte das Gefühl, dass die Arme förmlich schmerzten, weil er nicht alles fassen konnte, und er begann zögernd und mit vielen Pausen, seine Gefühle in Worten auszudrücken.
»Wenn Sie je einen Boxkampf mitgemacht und mit einem Mann, der ebenso gut war wie Sie selber, gekämpft und zwanzig Runden lang gestanden haben, dann werden Sie verstehen, was ich meine. Jim Hazard und ich kennen das, wenn wir durch die Brandung schwimmen und den größten Wellen, die je gegen den Strand schlugen, ins Gesicht lachen, und wenn wir warm und angekleidet, mit Haut und Muskeln wie Seide und Körpern und Hirnen wie lauter knisternde Seide, aus dem Sturzbad kommen.«
Er hielt inne, weil er vollkommen außerstande war, die Gedanken auszudrücken, die bestenfalls doch nur verschwommen waren und in Wirklichkeit eher wie wieder zurückgerufene Eindrücke waren.
»Seide im Körper – verstehen Sie das?« schloss er still, denn er fühlte, dass er nicht gesagt hatte, was er sagen wollte, und der große Zuhörerkreis machte ihn verlegen.
»Das wissen wir alles«, antwortete Hall. »Lügen des Fleisches. Hinterher kommen Gicht und Zuckerkrankheit. Der Wein des Lebens ist berauschend, aber er verwandelt sich nur zu bald in –«
»Harnsäure!« warf der verrückte irische Dramatiker ein.
»Es gibt massenhaft andere gute Dinge in der Welt«, fiel Billy ihnen mit plötzlichem Eifer und Zungenfertigkeit ins Wort. »Gute Dinge durch und durch, von leckerem, saftigen Ochsenfleisch bis zu solchem Kaffee, wie Frau Hall ihn kocht, bis –«, er zögerte ein wenig, ehe er fortfuhr, dann aber fasste er Mut, »bis zu einer Frau, die man lieben kann, und die einen liebt. Sehen Sie Saxon, die hier mit der Ukulélé auf dem Schoß dasitzt. Da ist es für mich aus mit der Qualle im Aufwaschwasser und dem Prämienschwein.«
Die jungen Frauen brachen in laute Beifallsrufe aus und klatschten in die Hände, und man sah Billy an, dass er sich furchtbar genierte.
»Aber gesetzt, die Seide ginge aus Ihrem Körper heraus, dass Sie wie ein rostiger Bohrer knirschten?« fuhr Hall fort. »Gesetzt, ich sage nur gesetzt, Saxon ginge mit einem anderen Manne durch? Was dann?«
Billy bedachte sich einen Augenblick.
»Ja, dann würde es mir sicher ebenso ergehen wie dem Aufwaschwasser und der Qualle.« Er richtete sich auf und drückte unbewusst die Schultern zurück, als ließe er die Hand über die Muskeln des Oberarms gleiten und spürte ihr Schwellen. Dann sah er wieder auf Saxon. »Aber Gott sei Dank, dass ich immer noch Kraft genug in meinen Armen zu einer tüchtigen Ohrfeige und eine liebe kleine Frau habe, um die sie sich schließen können.«
Wieder gaben die jungen Frauen laut ihren Beifall kund, und Frau Hall rief:
»Seht Saxon! Wie sie errötet, was haben Sie dazu zu sagen?«
»Dass