Gesammelte Werke. Джек Лондон
Saxon vergaß das Gespann und sah nur Billys furchtbar zerschlagenen Körper vor sich, wie er an dem Abend nach dem Boxkampf mit dem »Schrecken von Chikago« ausgesehen hatte. Sie wollte gerade etwas sagen, als Billy, dessen Blick nicht von ihren Lippen gewichen war, einfiel:
»Spann sie nur einmal in Gedanken vor unsern Wagen, wie das aussieht. Es gibt nicht viele, die sie ausstechen können.«
»Aber du bist doch gar nicht im Training«, sagte sie plötzlich, ohne dass sie es hatte sagen wollen.
»Hm?« sagte er höhnisch. »Das ganze letzte Jahr bin ich doch wohl halb im Training gewesen. Meine Beine sind wie Eisen. Sie halten mich, solange ich auch nur die geringsten Kräfte in meinen Armen habe, und die habe ich stets. Außerdem lasse ich ihn nicht sehr lange schlagen. Er ist ein Draufgänger, und Draufgänger sind gerade etwas für mich. Die fresse ich lebendig. Gerissene Burschen mit Rückgrat und Ausdauer sind es, mit denen ich nicht fertig werde. Aber dieser junge Sandow ist gerade etwas für mich. Ich werde in der dritten oder vierten Runde mit ihm fertig – verstehst du, ich nehme ihn aufs Korn, fahre auf ihn los und erledige ihn. Das ist so sicher wie etwas, sage ich dir. Weiß Gott, Saxon, es ist beinahe eine Schande, das Geld zu nehmen.«
»Aber ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du so furchtbar misshandelt werden sollst«, sagte sie, wie um Zeit zu gewinnen. »Wenn ich dich nicht so heiß liebte, wäre es vielleicht etwas anderes. Aber du könntest doch Schaden nehmen.«
Billy lachte, stolz und übermütig im Bewusstsein seiner Jugend und seiner Muskeln.
»Du wirst gar nicht wissen, dass ich überhaupt gekämpft habe, nur dadurch, dass wir dann Hazel und Hattie besitzen. Und im übrigen, Saxon, muss ich einmal irgendjemand meine Faust ins Gesicht stecken. Du weißt, dass ich monatelang fromm und sanft wie ein Lamm sein kann, dann aber beginnen mir plötzlich die Fäuste zu jucken. Und sieh, da ist es doch viel vernünftiger, den jungen Sandow zu verprügeln und Dreihundert dafür zu kriegen, als irgendeinen Bauernlümmel zu vermöbeln, vor Gericht geschleppt und zu einer Strafe verknackt zu werden. Guck dir noch einmal Hazel und Hattie an. Sie sind ein prächtiges Inventar für einen Bauernhof und werden großartig ins Mondtal passen. Sie sind auch schwer genug, dass man sie vor den Pflug spannen kann.«
An dem Abend, als der Kampf stattfinden sollte, trennten Saxon und Billy sich um viertel nach acht. Um viertel nach neun, als sie mit warmem Wasser, Eis und allem anderen bereit saß, ihn zu empfangen, hörte sie die Pforte zuschlagen und Billys Schritte auf der Treppe. Sie hatte gegen ihre Überzeugung die Einwilligung zum Kampf gegeben und es jede Minute, die sie hier wartete, bereut, und als sie die Tür öffnete, war sie auf alles mögliche vorbereitet. Aber der Billy, den sie sah, war genau wie der Billy, der sich von ihr verabschiedet hatte.
»Aber gab es denn keinen Kampf?« rief sie, so offensichtlich enttäuscht, dass er laut lachte.
»Sie heulten alle: ›Schiebung! Schiebung!‹, als ich ging und wollten ihr Geld wieder haben.«
»Nun, ich habe doch jedenfalls dich«, lachte sie, ihn in die Stube ziehend, aber im geheimen sagte sie mit einem Seufzer Hazel und Hattie Lebewohl.
»Aber ich habe unterwegs etwas für dich gekauft, was du dir lange gewünscht hast«, sagte Billy gleichgültig. »Mach die Hand auf und die Augen zu, und wenn du sie aufmachst, sollst du etwas Großartiges sehen.«
Etwas sehr Schweres und sehr Kaltes wurde in ihre Hand gelegt, und als sie die Augen öffnete, sah sie, dass es ein Stapel Zwanzig-Dollar-Stücke war.
»Ich sagte dir ja, dass es die reine Leichenfledderei wäre«, sagte er triumphierend, als er lachend aus dem Wirbelwind von Puffen und Stößen und Umarmungen auftauchte, in den sie ihn hineingerissen hatte. »Es gab gar keinen Kampf. Willst du wissen, wie lange es dauerte? Nur siebenundzwanzig Sekunden – weniger als eine halbe Minute. Und wie viel Stöße ausgeteilt wurden? Nur einer! Und ich war es, der die Ohrfeige gab. Komm, jetzt will ich es dir zeigen. Es war nur so – ja, es war einfach zum Lachen!«
Billy stand, etwas vorgebeugt, mitten in der Stube, das Kinn gegen die schützende linke Schulter gedrückt, mit geballten Fäusten, die Ellbogen eingezogen, um die linke Seite des Unterleibs zu schützen, und die Unterarme dicht an den Körper gepresst.
»Es ist die erste Runde«, erklärte er. »Die Glocke läutet, und wir haben uns die Pfoten gedrückt. Selbstverständlich haben wir keine Eile, da es ein langer Kampf ist und wir einander nie in Tätigkeit gesehen haben. Wir fühlen uns gegenseitig vor, und gehen so um einander herum. Das dauert siebzehn Sekunden, ohne dass ein einziger Schlag fällt – nicht einer. Und da auf einmal ist es aus mit dem großen Schweden. Ich brauche einige Zeit, um es zu erzählen, aber es geschah alles im Handumdrehen, in weniger als einer Zehntelsekunde. Ich hatte es selbst nicht erwartet. Wir waren schrecklich dicht aneinander. Sein linker Handschuh ist nicht einen Fuß von meinem Kinn entfernt, und mein linker Handschuh nicht einen Fuß von seinem. Er tut, als wolle er mit der Rechten auslangen, und ich weiß, dass er nur so tut, mache die linke Schulter ein bisschen krumm und fahre mit meiner rechten Hand vor. Dabei kommt er ungefähr einen Zoll aus der Verteidigungsstellung heraus, und ich nehme die Gelegenheit wahr. Meine Linke ist nicht einen Fuß von ihm entfernt, und ich halte sie nicht zurück. Ich setze sie von dort aus, wo sie sich befindet, in Gang, drehe sie wie einen Korkenzieher um seine rechte Verteidigungsstellung und schwinge mich in der Hüfte, um das Schultergewicht in den Schlag zu kriegen. Und es stimmt! Gerade auf die Spitze vom Kinn. Er fällt um wie ein Lamm. Ich gehe wieder in meine Ecke, und weiß Gott, Saxon, ich muss doch bei mir grinsen, es war so einfach. Der Richter bleibt stehen und zählt, er verzieht nicht eine Miene. Die Zuschauer wissen nicht, was sie glauben sollen und sitzen wie gelähmt da. Seine Sekundanten tragen ihn in seine Ecke und setzen ihn auf den Stuhl. Aber sie müssen ihn festhalten, damit er nicht fällt. Fünf Minuten darauf schlägt er die Augen auf – aber er sieht nichts. Sie sind wie gebrochen. Noch fünf Minuten, und er steht aufrecht. Sie müssen ihn halten, und seine Beine knicken wie Würste unter ihm zusammen. Und die Sekundanten müssen ihm aus dem Seil heraushelfen, und sie gehen durch den Mittelgang bis zu seiner Kabine, und immer noch müssen sie ihn stützen. Da beginnt der ganze Chor zu rufen, es sei Schiebung, und sie wollen ihr Geld wiederhaben. Siebenundzwanzig Sekunden – ein Schlag – und ein feines Gespann für die beste Frau, die Billy Roberts je in seinem Leben gehabt hat.«
Die Freude, die Saxon schon immer an dem Körper ihres Mannes empfunden hatte, erwachte in diesem Augenblick zu neuem, vielfältigen Leben. Er war in Wahrheit ein Held, würdig der Schar, die mit ihren Flügelhelmen aus den spitzschnäbligen Booten auf den blutigen englischen Strand sprang.
Am nächsten Morgen