Gesammelte Werke. Джек Лондон
und Tag und Nacht gepumpt wurde. Es war ein einförmiges Land, überall mit demselben reichen Boden, und nur mit einem einzigen Kennzeichen – dem Mount Diablo, der sich im Azur des Mittags schlummernd, groß und mächtig mit seinen krausen Konturen vom Abendhimmel abhob oder wie ein Traum aus der silberschimmernden Morgendämmerung aufstieg. Zuweilen zu Fuß, häufiger aber mit Dampfbooten kamen sie den Fluss bis zu den Torfmooren am Mittelriver hinauf und San Joaquin bis nach Antioch hinab und den Georgina Slough hinauf bis Walnut Grove am Sacramento. Aber es war wie ein fremdes Land. Es wimmelte von Tausenden von Landarbeitern, und doch waren Billy und Saxon tagelang gegangen, ohne einen einzigen Menschen zu treffen, der Englisch sprach. Sie trafen zuweilen ganze Dörfer mit Chinesen, Japanern, Italienern, Portugiesen, Schweizern, Hindus, Koreanern, Norwegern, Dänen, Franzosen, Armeniern, Slaven – fast allen Nationen außer Amerikanern. Am unteren Lauf des Georgiana trafen sie einen Amerikaner, der sich seinen Lebensunterhalt verschaffte, indem er mit Reusen fischte. Ein anderer Amerikaner, der Tod und Verderben auf alles, was mit Politik zu tun hatte, herabschwor, war wandernder Bienenzüchter. In Walnut Grove, wo Leben und Geschäftigkeit herrschten, bestanden die wenigen Amerikaner aus dem Kaufmann, dem Gastwirt, dem Schlachter, dem Speicheraufseher und dem Fährmann. Und doch waren zwei aufblühende Städte in Walnut Grove, eine chinesische und eine japanische. Der größte Teil des Bodens gehörte Amerikanern, die anderswo lebten und ihn beständig an Ausländer verkauften.
In dem japanischen Stadtteil gab es eine Prügelei oder ein Fest – was von beidem, wussten sie nicht –, als Saxon und Billy auf der »Apache« mit dem Kurs nach Sacramento den Hafen verließen.
»Ja, auf der Treppe sitzen wir schon, das ist sicher«, sagte Billy gereizt. »Und bald werden sie uns auch da herunterschmeißen.«
»Im Mondtal gibt es keine«, sagte Saxon ermutigend. Aber er war untröstlich und bemerkte bitter:
»Und nicht einer von den verfluchten Ausländern kann mit Pferden umgehen wie ich.«
»Aber auf Landwirtschaft verstehen sie sich, darauf kannst du Gift nehmen«, fügte er hinzu.
Und Saxon sah sein verdrießliches Gesicht und musste plötzlich an eine Lithografie denken, die sie in ihrer Kindheit gesehen hatte. Sie stellte einen Indianer auf der Prärie dar, der in Kriegsbemalung und Federschmuck zu Pferde saß und verwundert einen Eisenbahnzug anstarrte, der auf den kürzlich gelegten Schienen dahinbrauste. Der Indianer war von dem neuen Leben verdrängt worden, das mit der Eisenbahn über das Land gespült war. Und, dachte sie bei sich, waren Billy und seinesgleichen vielleicht verurteilt, von diesem neuen, erstaunlich fleißigen Leben verdrängt zu werden, das von Asien und Europa hereinströmte?
In Sacramento blieben sie zwei Wochen, Billy arbeitete bei einem Fuhrmann, um Geld für die Weiterreise zu bekommen. Das Leben in Oakland und Carmel, beide an der Salzküste gelegen, hatte es ihnen unmöglich gemacht, im Innern des Landes zu wohnen. Zu warm! lautete ihr Urteil über Sacramento, und sie folgten der Eisenbahn nach Westen, durch die sumpfige Gegend bis nach Davisville. Hier wurden sie vom geraden Wege fortgelockt, und sie zogen nach Norden in das schöne Woodland, wo Billy für einen Obstfarmer fuhr und Saxon, sehr gegen seinen Wunsch, die Erlaubnis von ihm erzwang, dass sie ein paar Tage in der Obsternte arbeiten dürfte. Wenn Billy sie fragte, was sie mit dem Geld, das sie verdiente, machen wollte, tat sie sehr geheimnisvoll, und er neckte sie dann solange damit, bis er die ganze Geschichte vergaß. Sie erzählte ihm auch weder von dem Brief, den sie an Bud Stroter schickte, noch dass in dem Brief ein Scheck und ein blauer Schein lag.
Sie begannen unter der Hitze zu leiden. Billy erklärte, dass sie das Klima, wo man Decken brauchte, jetzt hinter sich gelassen hätten.
»Hier gibt es keine Riesentannen«, sagte Saxon. »Wir müssen nach Westen, in der Richtung der Küste gehen. Dort werden wir das Mondtal finden.«
Von Woodland zogen sie nach Westen und Süden auf den Hauptstraßen nach dem Obstparadies von Vacaville. Hier arbeitete Billy zuerst als Obstpflücker und dann als Kutscher, und hier bekam Saxon einen Brief und ein winziges Postpaket von Bud Stroters. Als Billy nach beendetem Tagewerk zu ihr kam, gebot sie ihm, zu schweigen und die Augen zu schließen. Ein paar Minuten nestelte sie an seinem baumwollenen Arbeitshemd herum. Einmal fühlte er einen kleinen Stich wie von einer Stecknadel, und begann zu grunzen, aber sie lachte und befahl ihm, die Augen weiter geschlossen zu halten.
»Jetzt mach die Augen auf und gib mir einen Kuss«, sang sie. »Dann will ich dir etwas zeigen.«
Sie küsste ihn, und als er nachsah, was sie an seinem Hemd befestigt hatte, erblickte er die goldene Medaille, die er an dem Tage, als sie im Kino gewesen waren und die Idee, aufs Land zurückzukehren, bekommen hatten, versetzt hatte.
»Du dummes Mädel!« rief er und presste sie heftig an sich. »So, also dazu wolltest du dein Obstgeld gebrauchen? Und davon hab’ ich nicht das geringste geahnt! – Aber ich will dich lehren!«
Und sie unterwarf sich wieder dem wonnigen Zwang, der von diesem starken Manne ausging, und er presste sie an sich und tanzte mit ihr herum, bis die Kaffeekanne überkochte, und sie sich von ihm losriss, umso viel wie möglich zu retten.
»Ich bin immer ein klein wenig stolz darauf gewesen«, gestand er, als er sich nach dem Abendessen seine Zigarette drehte. »Sie erinnert mich an meine Knabentage, als ich Amateur war und mich schlug, dass es krachte. Ich war ein tüchtiger Bengel damals – das will ich dir nur sagen. Aber weißt du was – ich habe sie ganz ausgeschwitzt. Oakland ist für mich, als trennten tausend Jahre und zehntausend Meilen dich und mich davon.«
»Dann wird dies hier es dir vielleicht wieder mehr vor Augen führen«, sagte Saxon und öffnete Buds Brief und las ihn ihm vor.
Bud hatte es als gegeben angesehen, dass Billy wusste, wie der Streik zu Ende gegangen war, und deshalb beschränkte er sich auf Einzelheiten, wie zum Beispiel die, dass er wieder angestellt und wer ausgeschlossen worden war. Zu seinem eignen Erstaunen war er selbst wieder angenommen und fuhr jetzt Billys Pferde. Noch überraschender war, was er weiter zu berichten hatte. Der alte Vorarbeiter in den Ställen war gestorben, und seitdem hatten zwei andere Vorarbeiter nur Unordnung gemacht. Das Wichtigste war, dass der Chef am selben Tage mit Bud gesprochen und sich über Billys Verschwinden beklagt hatte.
»Versteh mich ja nicht falsch«, schrieb Bud. »Der Alte kennt ausgezeichnet all die Schlachten, die du geschlagen hast. Ich möchte wetten, er weiß den Namen jedes einzigen Streikbrechers, den du verprügelt