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wurde.
Stubener lobte ihn in den Pausen, und alles wäre wohl nach Wunsch gegangen, hätte Sosso nicht in der vierten Runde einen seiner gemeinsten Tricks angewandt.
Pat hatte, als sie dicht aneinander waren, einen Haken gegen Sossos Kinn gelandet, als zu seinem Erstaunen sein Gegner die Arme sinken ließ, mit rollenden Augen und wankenden Beinen rückwärts taumelte und offenbar halb betäubt war. Pat ließ die Arme sinken und betrachtete verwundert Sosso, der fallen zu wollen schien, sich dann aufrichtete und mit Augen, die scheinbar nichts sahen, wieder ein paar Schritte vorwärts wankte.
Und da geschah es zum ersten und letzten Mal in Pats Boxerlaufbahn, dass er nicht auf dem Posten war. Er war einen Schritt beiseite getreten, um den taumelnden Mann vorbeizulassen, als Sosso plötzlich mit der Rechten zustieß.
Pat bekam den Schlag gerade gegen das Kinn und mit solcher Kraft, dass ihm die Zähne im Munde knirschten. Das Publikum johlte vor Begeisterung.
Aber Pat hörte es nicht. Er sah nur Sosso, der grinsend vor ihm herumtanzte, vollkommen kampffähig und nicht im geringsten mehr taumelnd.
Der Schlag schmerzte, aber weit mehr erbost war Pat über die Tücke seines Gegners. Der Zorn, den sein Vater stets vergeblich in ihm anzufachen versucht hatte, stieg in ihm auf. Er schüttelte den Kopf, wie um den Schlag abzuschütteln, und trat dem Mann entgegen.
Und was jetzt geschah, war das Werk einer Sekunde. Nach einer Finte, die seinen Gegner ablenkte, landete seine Linke auf dem Solarplexus, und fast im selben Augenblick richtete er einen Schlag seiner Rechten gegen das Kinn Sossos. Er traf den Mund, ehe noch der fallende Körper den Boden erreicht hatte.
Die Klubärzte mussten eine halbe Stunde arbeiten, bis es ihnen glückte, Sosso wieder zum Bewusstsein zu bringen.
Dann vernähten sie ihm die Lippen mit elf Nadeln und verpackten ihn in einen Krankenwagen.
»Es tut mir wirklich leid«, sagte Pat zu seinem Manager, »ich glaube, ich verlor meine Ruhe. Das will ich nie wieder tun im Ring. Vater hat mich immer davor gewarnt. Er sagte, es hätte ihn mehr als eine verlorene Schlacht gekostet. Ich wusste nicht, dass es mir passieren könnte, die Ruhe zu verlieren. Aber jetzt, da ich es weiß, werde ich mich vorsehen.«
Und Stubener glaubte ihm. Er war jetzt so weit, dass er seinem Pflegling alles zutraute.
»Sie haben gar nicht nötig, zornig zu werden«, sagte er. »Wenn Sie im Ring stehen, können Sie ja mit Ihrem Gegner umspringen, wie es Ihnen beliebt.«
»Ja, in jeder Sekunde des Kampfes«, bestätigte Pat.
»Sie können ihn erledigen, sobald es Ihnen beliebt.«
»Gewiss. Ich will nicht prahlen. Aber ich glaube, ich habe die Fähigkeit dazu. Meine Augen erspähen jede Chance, die sich mir bietet, und das Gefühl für Zeit und Entfernung ist mir angeboren. Vater hat mir schon immer gesagt, dass es eine besondere Begabung wäre, aber ich glaubte, er wolle mich nur dadurch anspornen. Jetzt, nach diesen Kämpfen, glaube ich, dass er recht hatte. Er nannte es eine Wechselbeziehung zwischen Geist und Muskeln.«
»Und das in jeder Sekunde des Kampfes«, wiederholte Stubener nachdenklich.
Pat nickte. Und Stubener hatte die Überzeugung von einer goldenen Zukunft.
»Na also, dann vergessen Sie nur nicht, dass wir den Leuten etwas für ihr Geld bieten müssen«, sagte er. »Wir werden uns immer im voraus einigen, wie viele Runden ein Kampf dauern soll. Zunächst treten Sie jetzt gegen den Fliegenden Holländer an. Ich schlage vor, dass Sie es die ganzen fünfzehn Runden dauern lassen und ihn erst in der letzten erledigen. Das gibt Ihnen Gelegenheit zu zeigen, was Sie können.«
»Gemacht, Sam«, lautete die Antwort.
»Es ist eine Probe für Sie«, warnte Stubener ihn. »Wenn es Ihnen nun misslingt, ihn in der letzten Runde auf die Bretter zu schicken?«
»Hören Sie«, Pat machte eine Pause, um seinem Versprechen größeren Nachdruck zu verleihen, und nahm dann einen Band Longfellow aus der Tasche. »Wenn ich ihn nicht in der fünfzehnten Runde erledige, will ich nie mehr im Leben ein einziges Gedicht lesen.«
»Das ist ja allerhand«, erklärte Sam, »wenn es auch über meinen Horizont geht, dass Sie sich aus dem Zeug etwas machen.«
Pat seufzte, antwortete aber nicht. In seinem ganzen Leben hatte er erst einen einzigen Menschen getroffen, der sich etwas aus Gedichten machte: die rothaarige Lehrerin, vor der er in die Wälder geflüchtet war.
V
»Wo wollen Sie hin?« fragte Stubener überrascht und sah auf die Uhr.
Pat blieb, die Hand auf dem Türgriff, stehen und drehte sich um.
»Nach der Hochschule«, sagte er. »Dort hält heute ein Professor eine Vorlesung über Browning, und Browning ist einer von den Schriftstellern, die einem erklärt werden müssen. Manchmal scheint mir, dass ich in die Abendschule gehen sollte.«
»Aber großer Gott, Mann!« rief der Manager entsetzt. »Sie sollen doch heute Abend mit dem Fliegenden Holländer kämpfen.«
»Ich weiß. Aber ich brauche erst vor halb oder drei Viertel zehn im Ring zu sein. Die Vorlesung ist um Viertel nach neun zu Ende. Wenn Sie Angst haben, dass ich zu spät komme, dann holen Sie mich in Ihrem Wagen ab.« Stubener zuckte hilflos die Achseln.
»Das schadet doch nicht«, meinte Pat. »Vater sagte immer, das Schlimmste wären die letzten Stunden vor dem Kampf, und mancher Kampf sei verloren worden durch das Versagen eines Mannes, der nichts zu tun gehabt hätte, als zu denken, und der nervös geworden wäre.
Na, die Sorge brauchen Sie sich um mich nicht zu machen. Sie sollten sich freuen, dass ich noch Lust habe, eine Vorlesung zu hören.«
Und später, am Abend, während eine der fünfzehn prachtvollen Runden der anderen folgte, dachte Stubener mehr als einmal, was dieses Sportpublikum wohl sagen würde, wenn es wüsste, dass dieser junge Boxer direkt von einer Browning-Vorlesung in den Ring gekommen war.
Der Fliegende Holländer war ein junger Schwede, der einen ungewöhnlichen Kampfwillen und eine gewaltige Ausdauer besaß.
Er gönnte sich nicht einen Augenblick Ruhe während des Kampfes und griff von Beginn der Runde, bis der Gong ertönte, unaufhörlich an. Beim Outfighting wirbelten seine Arme wie Dreschflegel durch die Luft, und beim Infighting gebrauchte er die Schultern, lieferte fast einen Ringkampf und schlug, sobald er nur eine Hand freibekam.
Von Anfang bis zu Ende