Gesammelte Werke. Джек Лондон
Taucher auf den Grund des Goldenen Tors hinab und flog mit Rood, dem »Vogelmenschen«, als er alle Rekorde schlug.
Nach alledem sollte man glauben, dass Maud Sangster eine derbe Amazone gewesen wäre. Aber im Gegenteil: sie war eine grauäugige, schlanke junge Dame, drei- oder vierundzwanzig Jahre alt, mittelgroß, mit ungewöhnlich kleinen Händen und Füßen. Und im Gegensatz zu anderen Sportmädels war sie von einer ausgesprochenen Weiblichkeit.
Sie hatte selbst dem Redakteur vorgeschlagen, dass sie Glendon interviewen wolle. Außer Bob Fitzsimmon, den sie einmal flüchtig im Frack im Grillraum des Palace-Hotels gesehen hatte, war ihr noch nie im Leben ein Boxer begegnet. Sie hatte sich übrigens auch nie etwas daraus gemacht, einen kennenzulernen, und war nie neugierig gewesen, bis Pat Glendon nach San Franzisko kam, um für seinen Kampf mit Nat Powers zu trainieren. Da reizte sie der Ruf, den er in den Zeitungen genoss. Das »Höllenbiest« – das zu sehen musste sich lohnen!
Nach dem zu urteilen, was sie über ihn gelesen hatte, musste er wirklich ein Ungeheuer in Menschengestalt, stumpfsinnig und mit der Tücke und Wildheit des Dschungeltieres, sein.
Zwar ließen Bilder von ihm diese Eigenschaften nicht erkennen, aber sie zeigten doch deutlich die mächtige Muskulatur, die darauf schließen ließ, dass er ein solches Ungeheuer war.
Und so stellte sie sich in Begleitung eines Pressefotografen zu der von Stubener angegebenen Zeit im Trainingssaal ein.
Stubener hatte Sorgen. Pat war rebellisch. Er ließ das eine seiner kräftigen Beine über die Stuhllehne baumeln, hatte die Sonette von Shakespeare aufgeschlagen auf dem Knie liegen und protestierte gegen das Kommen dieser Frau.
»Warum wollen die Weiber sich jetzt in Sportsachen mischen?« fragte er. »Da haben sie gar nichts zu suchen. Was verstehen Weiber davon? Die männlichen Reporter sind schon schlimm genug. Ich habe es nie ausstehen können, dass Weiber im Trainingssaal herumlungerten, und es ist mir ganz einerlei, ob sie Reporterin ist oder nicht.«
»Aber sie ist keine gewöhnliche Reporterin«, unterbrach Stubener ihn. »Sie haben doch wohl von den Sangsters gehört – den Millionären?«
»Warum arbeitet sie dann für eine Zeitung – und nimmt anderen armen Teufeln die Arbeit weg?«
»Sie hat sich mit ihrem alten Herrn überworfen. Sie gerieten aneinander, als er in San Franzisko auszumisten begann. Sie ging. Ging ganz einfach, verließ ihr Heim und suchte sich Arbeit.
Und das will ich Ihnen sagen, Pat: Sie schreibt ein tadelloses Englisch. Nicht einer von all den Zeitungsschmierern in der Gegend kann es mit ihr aufnehmen, wenn sie erst mal loslegt.«
Jetzt begann Pat Interesse zu zeigen, und Stubener beeilte sich hinzuzufügen:
»Sie macht Gedichte – so ein richtiges Tralala-Zeugs, gerade wie Sie. Nur glaube ich, dass ihre besser sind, denn sie hat schon mal ein ganzes Buch voll davon herausgegeben. Und sie schreibt über Theatervorstellungen. Sie interviewt alle großen Schauspieler, die hierherkommen.«
»Ich habe ihren Namen in den Zeitungen gesehen«, räumte Pat ein.
»Das kann ich mir denken. Es ist direkt eine Ehre, wenn sie Sie interviewt. Es wird auch keine Belästigung für Sie sein. Ich werde die ganze Zeit dabei sein und ihr selbst das meiste erzählen. Das tue ich immer, wie Sie wissen.« Pat machte ein dankbares Gesicht.
»Und noch eines, Pat: Vergessen Sie nicht, dass Sie diese Interviews über sich ergehen lassen müssen. Das gehört mit zum Geschäft. Es ist eine gute Reklame und gratis dazu. Wir können sie nicht kaufen. Es interessiert die Leute und zieht das Publikum an.«
Stubener machte eine Pause und sah auf die Uhr.
»Ich denke, dass sie jetzt da ist. Ich will sie empfangen und herbringen. Dann kann ich ihr schon einiges erzählen, sodass es nicht so lange dauert.«
In der Tür drehte er sich noch einmal um.
»Und seien Sie ein bisschen nett zu ihr, Pat. Tun Sie nicht, als wenn Sie taubstumm wären. Erzählen Sie ihr ein bisschen, wenn sie ihre Fragen stellt.«
Pat legte die Sonette auf den Tisch, nahm sich eine Zeitung vor und war scheinbar in ihren Inhalt vertieft, als die beiden eintraten. Er stand auf. Es durchfuhr sie beide. Als die blauen Augen den grauen begegneten, war es fast, als stießen Mann und Frau einen Freudenruf aus, als hätten sie unerwartet gefunden, was sie lange gesucht. Aber das dauerte nur einen Augenblick. Jeder hatte sich den anderen so verschieden von der Wirklichkeit vorgestellt, dass die Freude des Erkennens der Verwirrung gleichen musste.
Als Frau war sie es, die zuerst die Selbstbeherrschung wiedergewann, und sie tat es, ohne sich merken zu lassen, dass sie sie überhaupt je verloren hatte.
Sie durchschritt den größten Teil der Entfernung, die sie von Glendon trennte. Er seinerseits wusste kaum, wie er die Vorstellung überstand. Hier vor ihm war eine Frau, eine Frau. Er hatte nie geahnt, dass es ein solches Geschöpf gäbe. Die wenigen Frauen, die ihm bisher begegnet waren, hatten diese Vorstellung nie in ihm geweckt.
Einen Augenblick dachte er, was der alte Pat wohl gesagt haben würde, wenn er sie gekannt hätte, ob sie wohl zu denen gehörte, die man nach seinem Ausspruch mit beiden Händen festhalten sollte? Und da merkte er plötzlich, dass er immer noch ihre zarte Hand festhielt und neugierig und wie verzaubert betrachtete.
Sie ihrerseits hatte sich gleich zur Wehr gesetzt gegen das Gefühl, dass sie im ersten Augenblick zu ihm hinzog. Es war ein neues und seltsames Gefühl gewesen, die plötzliche Anziehungskraft, die dieser fremde Mann auf sie ausübte. Denn war er nicht der Boxer, diese stumpfsinnige Masse menschlichen Fleisches, die auf andere Männer mit den Fäusten loshämmerte? Sie lächelte darüber, dass er immer noch ihre Hand festhielt.
»Ich möchte sie gern wiederhaben, Herr Glendon«, sagte sie. »Ich … ich brauche sie nämlich, müssen Sie wissen.«
Er sah sie verständnislos an, als er dann aber ihrem Blick bis hinab zu der gefangenen Hand folgte, ließ er sie sogleich los, und das Blut stieg ihm in die Wangen. Sie bemerkte sein Erröten, und ihr kam der Gedanke, dass er doch wohl kein so gefühlloses Tier sein konnte, wie sie es sich ausgemalt hatte. Jedenfalls konnte sie sich nicht vorstellen, dass ein Tier überhaupt errötete. Dazu amüsierte sie sich über die Tatsache, dass er nicht einmal die Gewandtheit besaß, eine Entschuldigung zu murmeln. Aber die Art und Weise, wie er sie mit den Augen verschlang, war verwirrend. Er starrte sie an, und seine Wangen röteten sich noch mehr.
Stubener