Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth

Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth - Ödön von Horváth


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      Das Vaterland.

      FRANZ

      Was verstehst du unter Vaterland?

      SLADEK

      Zu guter Letzt mich. Das Vaterland ist das Land, wo man hingeboren wird und dann nicht heraus kann, weil man die anderen Sprachen nicht versteht. Nämlich alle Theorien über den sogenannten Marxismus, die kommen für mich heut nicht in Betracht, weil ich selbständig denken kann.

      FRANZ

      spöttisch: Du denkst zu selbständig.

      SLADEK

      Man muß. Man muß. Es kann ja sein, daß mal wieder alle armen Leut gegen die Reichen ziehen, aber das ist, glaub ich, aus. Sie haben ja die Roten erschlagen. Viele Rote. Ich war nämlich bei Spartakus. Nur im Geist, aus besonderen Gründen. Damals hab ich ein Lied gehört, daß das Herz links schlägt, aber es gibt ja kein Herz, es gibt nur einen Muskelapparat. Bist du für diese Republik?

      FRANZ

      Das ist noch keine Republik, das wird erst eine.

      SLADEK

      Das ist nichts und wird nichts, weil es nämlich auf einer Lüge aufgebaut ist.

      FRANZ

      Auf was für einer Lüge?

      SLADEK

      Daß es eine Versöhnung gibt.

      FRANZ

      Wenn es keine Versöhnung gäbe, so müßte man sie erfinden.

      SLADEK

      lächelt: Du bist nicht dumm.

      FRANZ

      Wieso?

       Stille.

      Ich lüge nie.

      SLADEK

      In der Natur wird gemordet, das ändert sich nicht.

      FRANZ

      Heute ist allerdings die ganze Welt voll Blut und Dreck.

      SLADEK

      Ich denk nicht an morgen. Ich leb ja vielleicht nur heut. Heut sind alle Staaten gegen uns. Sie besetzen unser Land, drücken uns zusammen. Weil wir wehrlos sind, das ist dann immer so. Es würde nichts schaden, wenn noch einige Millionen fallen würden, wir sind nämlich zu viel. Wir haben keinen Platz. Wir verbreiten uns, als hätts keinen Weltkrieg gegeben. Es wird bald alles eine Stadt, das ganze deutsche Reich. Wir brauchen unsere Kolonien wieder, Asien, Afrika – wir sind wirklich zuviel. Schad, daß der Krieg aus ist!

      FRANZ

      Du wagst es zu bedauern, daß der Krieg aus ist?

      SLADEK

      Ja. Ich wags.

      FRANZ

      Bist du ein Mensch?

      SLADEK

      Ich bin ein Mensch, es ist aber immer Krieg.

      FRANZ

      Es gibt auch Frieden.

      SLADEK

      Ich erinner mich nicht daran.

      FRANZ

      So tust du mir leid.

      SLADEK

      Jetzt lügst du.

      FRANZ

      Zu blöd.

      SLADEK

      Ich hab nämlich keine Angst vor der Wahrheit.

      FRANZ

      Warst du Soldat?

      SLADEK

      Nein. Als der Krieg ausbrach, war ich zwölf Jahre alt. Ich seh nur älter aus.

      FRANZ

      Du gehörst verboten.

      SLADEK

      Daß ich mal verboten werd, ist schon möglich. Weil ich zuviel weiß.

       Stille.

      FRANZ

      Kennst du die schwarze Armee?

      SLADEK

      Das darf man nicht sagen!

      FRANZ

      Aha! Warum? Sladek schweigt. Ich habe gehört, daß sich draußen auf den Feldern Soldaten sammeln. Sie haben Kanonen und Maschinengewehre und tragen die Kokarde mit dem Adler der Republik verkehrt. Abgeschossen. Stimmts? Sladek schweigt. Ich habe gehört, daß diese Soldaten siegreich nach Paris marschieren wollen, über die Leiche des eigenen Volkes.

      SLADEK

      Das geht dich nichts an!

      FRANZ

      Doch! Sogar sehr! – Sie nennen sich die schwarze Armee, weil sie nur als Geheimnis existieren können. Und der es verrät, der stirbt.

      SLADEK

      In der Natur wird gemordet, das ändert sich nicht.

      FRANZ

      Man sollt jede Armee verraten, du Soldat! Ab.

      SLADEK

      allein; ruft ihm nach: Du bist ein sogenannter Idealist, du Schuft!

      GESANG

       aus dem Saal:

      Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd,

      In das Feld in die Freiheit gezogen!

      Im Felde da ist der Mann noch was wert,

      Da wird das Herz noch gewogen.

      Da tritt kein anderer für ihn ein,

      Auf sich selber steht er da ganz allein!

      II. BEI ANNA

       Sie sitzt an der Nähmaschine. Auf der Straße spielt eine Drehorgel das Deutschlandlied. Sie steht auf und schließt das Fenster. Es pocht an die Türe. Sie öffnet.

      KNORKE

      tritt ein: Tag. Könnte man Herrn Sladek sprechen?

      ANNA

      Er muß jeden Augenblick kommen.

      KNORKE

      Sie sind Frau Schramm?

      ANNA

      Ja.

      KNORKE

      Angenehm. Schramm schrumm schrimm-schrimm schrumm schramm. Das war mal ein Schlager, so vor zwanzig Jährchen. Geht die Uhr? Genau?

      ANNA

      So ziemlich. Will der Herr warten?

      KNORKE

      setzt sich: Fünf Minuten. Dieser Sladek ist pünktlich. Primadonna! Primadonna!

      ANNA

      Er hat keine Uhr.

      KNORKE

      Und singen kann er auch nicht.

      ANNA

      Woher kennen Sie Herrn Sladek?

      KNORKE

      Das weiß ich nicht mehr.

      ANNA

      Sie kennen ihn schon seit länger?

      KNORKE

      Sind Sie mit ihm verwandt?

      ANNA


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