Schlüssellochfantasien. Nina Schott

Schlüssellochfantasien - Nina Schott


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Aber wenn nicht Stella, wer dann, wusste besser, dass die Welt zum großen Teil aus Blendern bestand. Das brachte ihr Beruf nun mal mit sich. Also verfolgte sie amüsiert das Engagement ihrer Freundin.

      Die beiden Frauen hatten sich während des Jura-Studiums kennengelernt, wobei Else schnell erkannte, dass sie einen falschen Weg eingeschlagen hatte. Sie sattelte in die Unterhaltungsbranche um, was die einzig richtige Entscheidung gewesen war. Mittlerweile leitete sie ihre eigene kleine Event-Agentur. Auch wenn Else viele Kontakte pflegte und täglich mit Menschen zu tun hatte, wollte es mit der Liebe einfach nicht klappen.

      Es war erstaunlich, wie viele Herren auf Elses Profil reagierten. Sie mailte, chattete und telefonierte, was das Zeug hielt, aber ein Mr. Right kam nicht dabei herum. Ihre Hoffnungen auf die große Liebe schwanden mitunter deshalb, weil die meisten Männer ziemlich direkt und gleich zur Sprache brachten, was sie eigentlich von ihr erwarteten. Die Kontaktaufnahme lief stets nach dem gleichen Muster ab: Erst wurden Komplimente gemacht, dann wurden die Zeilen frivoler und letztlich drängte man auf ein Treffen, bei dem es sich nicht um einen Kinobesuch handeln sollte. Nicht selten befanden sich Fotos in der Anlage, auf denen das beste Stück ihrer Verehrer gekonnt in Szene gesetzt war. Als besonders appetitlich stufte Stella ein Bild ein, auf dem eine männliche Hand den Erfolg ihres Besitzers nach dreiminütigem Schaffen in die Kamera hielt, was ihre Freundin gleichermaßen empörte.

      Die Enttäuschung auf Elses Seite war groß. Obwohl es sich um solide Tauschbörsen handelte, war die Mehrzahl der Bewerber auf sexuelle Abenteuer aus.

      Stella, die diese Tatsache äußerst interessiert zur Kenntnis nahm, wollte sie fortan für ihre ganz persönlichen Zwecke nutzen.

      Die Vorgehensweise war simpel: Stella hatte im Netz ein Foto hochgeladen, das gegen das Licht geschossen worden war. Zudem zeigte es sie von der Seite. Die schlanke Figur war gut zu erkennen, die Anonymität blieb gewahrt. Der Kopf war lasziv in den Nacken geworfen, sodass ihre langen Haare, die sie im Büro immer zu einem Zopf gebunden trug, fast bis zu ihrem wohlgeformten Po reichten. Durch die Position mit leicht durchgedrückten Rücken kamen ihre Brüste perfekt zur Geltung. Dass sie ihre Nippel zuvor mit Eiswürfeln aufgerichtet hatte, war nur bei genauerer Betrachtung des kleinen Bildes zu erkennen, doch der geübte Beobachter wusste dieses Detail zu schätzen. Stella lernte schnell, auf was es im Internet ankam, welche Pose wie gedeutet und welcher Satz wie interpretiert wurde. Sie gab nicht viel von sich preis, sondern beschränkte sich auf das Wesentliche und sagte es so, wie es war – JUNG, SCHULDIG, BLOND und mit anderen netten Vorzügen sucht …

      Die meisten Männer verstanden den Code auf Anhieb und redeten nicht lange um den heißen Brei. Gut so, denn Stella war nicht zum Spaß bei der Sache. Sie selektierte nach ganz bestimmten Kriterien in Bewerber und Langweiler. Akademiker und Intellektuelle sowie Muskelprotze und Luftpumpen flogen raus. Ihr Interesse galt den einfacheren Männern mit soliden handwerklichen Berufen. Reduced to the max. Sie hatte kein Interesse daran, sich mit ihren Toy-Boys im Anschluss an ein genussvolles Abenteuer geistreich auseinanderzusetzen oder eine politische Diskussion darüber zu führen, warum man wählen gehen sollte. Es ging ihr ums Vögeln, animalischen Sex ohne lästige Verbalattacken oder, wenn’s gut lief, einen gigantischen Fick, der sie noch Tage später in ihren Träumen stimulierte.

      Stella hörte, wie jemand im Bad die Dusche ausstellte. Sie musste kurz weggedöst sein. Gleich würde sie sich von Patrick für immer verabschieden. Das Zimmer, in dem er sich jetzt abtrocknete und ankleidete, war puristisch eingerichtet. Ihre persönlichen Sachen verbarg Stella in einem alten Holzschrank, den sie von einem Antiquitäten-Händler erstanden hatte. Er passte hervorragend zu einem mit Kuhfell überzogenen riesigen Sessel, der ebenfalls in dem großzügig geschnittenen Raum seinen Platz fand. Eine freistehende Badewanne aus Urgroßmutters Zeiten bildete das Herzstück des Badezimmers. Stella liebte dieses Zimmer. Nicht, dass sie Unmengen von Zeit vor dem Spiegel verbrachte, doch das Bad war für sie ein Raum der Ruhe, wo sie abschalten und relaxen konnte, in den sie sich im Winter mit einem guten Buch und einer Tasse Tee an kalten einsamen Abenden zurückzog. Sie liebte ihr Refugium, das jeder Gast nur einmal zu sehen bekam, wenn sie sich auf ihn eingelassen hatte. Insofern stellte dieses Entgegenkommen kein Eindringen in ihre Privatsphäre dar. Sie sorgte lediglich für einen angemessenen Rahmen und entschied nach sorgfältiger Prüfung, wer sie in ihrer Wohnung beglücken durfte.

      Nun stand Patrick, zumindest war das sein Nickname im Internet gewesen, vor ihr, um sich zu verabschieden. Erst jetzt fiel Stella auf, wie groß er war. Abermals lief ihr ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, es wäre vorhin nicht bei einem Rollenspiel geblieben. Skeptisch betrachtete sie den mehr oder weniger fremden Mann und wurde sich darüber im klaren, dass sie sich nicht noch einmal derartig in Gefahr bringen würde. Wie leichtsinnig sie gewesen war.

      »Bleibt es bei einem nie wieder?«

      »Unbedingt«, polterte es aus ihr heraus. »Das war die Abmachung.«

      »Schade, mein Schwanz hätte deine anderen Höhlen auch gerne kennengelernt.«

      Stella antwortete nicht. Sie räusperte sich und schenkte ihm ein verlegenes Lächeln. So ganz geheuer war ihr diese Begegnung nicht und deshalb wollte sie ihn jetzt nur noch loswerden. Sie hatte heute ihre persönliche Grenze überschritten und die Erkenntnis darüber bereitete ihr auch im Nachhinein Unbehagen.

      Wenige Augenblicke später fiel ihre Wohnungstür ins Schloss. Stella legte vorsichtshalber die Sicherungskette vor. Man konnte nie wissen. Dann machte sie sich über das Parkett her, das durch etliche Wachsflecken verriet, was soeben im Wohnzimmer stattgefunden hatte. Dass Stella sich den Luxus zweier Wohnungen gönnte bedeutete leider auch mehr Arbeit, doch ihr Privatleben spielte sich nun mal am Paul-Lincke-Ufer ab. Das 1-Zimmer-Appartment mit traumhaftem Blick auf den Landwehrkanal bestand im wesentlichen aus einem monströsen Kleiderschrank, einer kuscheligen Couch nebst Fernseher und einer offenen Küche. Da sie für später auf ein kleines Häuschen im Grünen sparte, war das Geld nur zwischen geparkt.

      Die Mietwohnung in Charlottenburg, in der sich Stellas sexuelles Leben abspielte, garantierte die gewünschte Anonymität. Das Klingelschild trug den Namen ihrer Internet-Identität Stella Block. Keiner ihrer männlichen Besucher würde je auf die Idee kommen, es handelte sich um eine patente Junganwältin mit einem verruchten Geheimnis. Zudem war ein Zweitwohnsitz sicherer, weil die Möglichkeit bestand, einem aufdringlichen Verehrer aus dem Weg zu gehen. Wer war schon gerne einem Stalker ausgeliefert? Müde machte sie sich auf den Heimweg.

      Selbst ist die Frau

      Stella war heute nur schwer aus dem Bett gekommen. Nach der Rückkehr in ihre Kreuzberger Wohnung hatte sie gestern bis tief in die Nacht über Patrick und seine Vorstellung nachgedacht. Das, was er mit ihr angestellt hatte, ging ihr auch jetzt noch unter die Haut und es hatte sie mächtig angemacht. Dennoch würde sie sich kein zweites Mal in so eine brenzlige Situation manövrieren. Es war ohnehin ein gewagtes Unterfangen, wildfremden Männern Einlass in ihre Wohnung zu gewähren, aber trotz des Doppellebens, das sie seit geraumer Zeit führte, gehörte der Wohlfühlfaktor unbedingt dazu. In einer billigen Absteige ihrer Neigung nachzugehen, kam nicht in Frage. Ein Hotelzimmer schied aus vielen Gründen aus: es war nicht anonym, es sei denn, man wechselte ständig das Haus, es war unpersönlich und es kostete unnötig Geld.

      Die Dusche fiel nur kurz aus, weil Stella nach dem Klingeln des Weckers noch einmal weggeschlummert war. Das bedeutete, dass ihr nun die Zeit bis zur allmorgendlichen Besprechungsrunde in der Kanzlei davonrannte. Wie würde es aussehen, wenn sie zu spät käme, die rechte Hand vom Big Boss, wie Herr Lübben ehrfürchtig von seinen Untertanen genannt wurde? Es wäre ein gefundenes Fressen für die Bürohaie, die permanent darauf lauerten, dass Stella einen Fehler beging. Diesen Gefallen würde sie ihnen nie tun. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zählten eindeutig zu ihren Stärken.

      Mit dem kalten Wasser zum Wachwerden flossen sämtliche störenden Gedanken mitsamt ihres Brummschädels in den Abfluss.

      Stella hatte sich angewöhnt, für ihre sexuellen Ausflüge eine andere Dusch- beziehungsweise Bodylotion aufzutragen als am Tage, womit sie ihre persönliche Grenze zwischen Beruflichem und Privatem zog. Im Büro bevorzugte sie die dezente Note mit einem Hang zum Konservativen,


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