Schlüssellochfantasien. Nina Schott

Schlüssellochfantasien - Nina Schott


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gemacht, dass ihre Kostüme, die der Schrank in allen Farben und Variationen beherbergte, gleichermaßen gut ankamen. Irgendwie schienen die Fantasien über die Aktivitäten einer Privatsekretärin, denn so kam sie offensichtlich rüber, nie aus der Mode zu kommen und gerade bei den Männern, die nur mit Ihresgleichen zusammenarbeiteten oder Berufe ausübten, bei denen die Frauen legerer gekleidet waren, sorgte dieser strenge Look für Furore. Die Seriosität, die Stella im Büro durch ihre Outfits betonte, brachte ihr auf privater Ebene die gleichen begeisterten Blicke ein. Die schwarze Brille, die sie zum Lesen und Autofahren trug, machten den Sekretärinnen-Look perfekt.

      Um zehn vor neun traf sie geschniegelt und gestriegelt in der Kanzlei ein. Das nannte man Timing.

      »Frau Pfeifer, ich möchte Sie gerne noch kurz in meinem Büro sprechen.«

      Stella hatte gerade ihren Platz an dem riesigen Besprechungstisch einnehmen wollen, als Lübbens Aufforderung draußen über den Flur hallte. Verdutzt hielt sie inne und zuckte mit den Schultern.

      »Hui, hat unsere kleine Prinzessin etwa was vergessen?«

      »Oder die letzte Anweisung vom Chef missachtet?«

      Gregor und Hannes steckten hämisch die Köpfe zusammen und tuschelten eine weitere Gemeinheit in Stellas Richtung, die sie nicht verstehen konnte.

      »Danke für die Aufmunterung, Jungs. Wenn ich Hilfe brauche, komme ich zu euch.«

      Mit diesen Worten und einer lässigen Kopfdrehung, bei der ihre blonde Mähne wie in einer Shampoo-Werbung hinter ihr her wirbelte, nahm sie Kurs auf die imposante Durchgangstür und rauschte aus dem Zimmer. Diese Vollidioten. Immer einen blöden Spruch auf den Lippen. Aber was konnte man von denen schon erwarten, dachte sie bei sich, die würden es nie weiter bringen, als bis zu den kleinen Handlangerarbeiten, für die Lübben sie gerne einsetzte. Dennoch fragte sie sich, was der Big Boss so kurz vor dem Meeting von ihr wollte.

      Das erfuhr sie, nachdem sie das kleinste Zimmer der alten Herrenhaus-Villa betreten hatte und die Tür hinter sich schloss. Die Kanzlei war zwischen Roseneck und Hagenplatz beheimatet und beeindruckend schön. Mandanten konnten zwischen Apfel- und Kirschbäumen empfangen werden. Im Sommer arbeiteten die meisten Kollegen draußen im Garten. Je nach Fall, denn auf Diskretion wurde strengstens geachtet. Immerhin gingen viele Prominente ein und aus. Zudem war das Haus lukrativ, denn Leute wie Lübben, die es geschafft hatten, reinvestierten ihr Geld ständig, um das Vermögen zu vermehren. Deshalb war die Villa nicht nur Arbeitsstätte, sondern ebenso Anlageobjekt und Besitz seiner Firma.

      Es gehörte zu Lübbens Wesen, dass er sich das kleinste Zimmer für sein Tun ausgesucht hatte, das im oberen Teil des Gebäudes lag. Er war ein Mann der alten Schule, 56 Jahre alt, und hatte vorbildliche Umgangsformen. Er stand nicht auf Protz und Prunk, übte sich lieber in Zurückhaltung und überließ den jungen Wilden die begehrten Räume mit dem verschnörkelten Stuck der Gründerzeit. Er wachte mit strenger Hand, war dabei aber niemals ungerecht und mischte sich nur ein, wenn etwas aus dem Ruder lief oder seine jahrzehntelange Erfahrung gefragt war. Ansonsten legte er vollstes Vertrauen in seine Mitarbeiter. Er siezte alle und alle siezten ihn; was die Anwälte untereinander taten, war ihm egal. Hauptsache nach außen wurde Geschlossenheit demonstriert.

      Sein Verhältnis zu Stella war besonders. Er beobachtete sie seit langem. Seiner Meinung nach steckte in ihr ein großes Potential. Er zog sie bei allen wichtigen Besprechungen hinzu, nahm sie zu Gerichtsterminen mit und versuchte, ihr sein umfangreiches Wissen mit auf den Weg zu geben. Stella war sich dessen bewusst und dankte es ihm mit hundertprozentiger Loyalität. Sie war über Dinge aus der Firma und seinem Privatleben im Bilde, die er niemandem sonst anvertraute. Für sie war er ein väterlicher Freund.

      »Frau Pfeifer, der aktuelle Fall, an dem ich gerade dran bin, verlangt äußerstes Fingerspitzengefühl.« Verwegen zog er seine rechte Augenbraue à la Jack Nicholson nach oben. »Weibliches Fingerspitzengefühl.«

      Nicht schon wieder. Stella ahnte, was ihr blühte, aber nur durch diese besonderen Fälle konnte sie zeigen, was sie draufhatte. Mal sehen, was er ihr diesmal aufbrummen würde.

      »Es geht um eine Scheidung in Millionenhöhe. Ich nehme an, Sie kennen die Herrschaften aus dem Fernsehen.«

      Schnell schob Lübben ihr einen Zettel hin, auf den er die Namen zweier Schauspieler kritzelte.

      »Zu viele Ohren, Sie wissen schon.«

      Mit dem Kopf deutete er Richtung Tür. Solche vertraulichen Angelegenheiten durften nicht zu früh und vor allem nicht durch seine Kanzlei an die Öffentlichkeit gelangen, sonst war der gute Ruf, der weit über die Grenzen Berlins bekannt war, ruiniert.

      »Das Brisante an der Sache ist, dass er in den Etablissements hier in der Gegend verkehrt. Ich selbst bin ihm schon beim Spazierengehen mit meinem Hund begegnet, als ich nachts nicht schlafen konnte, und seine Frau erwartet ein Kind von einem anderen. Das weiß ich wiederum aus erster Hand. Jetzt wollen beide von mir vertreten werden und drängen auf eine Entscheidung. Sie müssen als Mediator einspringen, zusehen, dass keiner dem anderen die Hosen auszieht und dass die Scheidung sauber abläuft. Dafür sind Sie genau die Richtige.«

      Lübben, der Fuchs. Er konnte ja so charmant lächeln.

      Die Etablissements, von denen er sprach, waren Edelbordelle, die aus Berlin ebenso wenig wegzudenken waren wie die Currywurst. Dass der besagte Schauspieler so dumm war, diese Einrichtungen in seiner Heimatstadt in Anspruch zu nehmen, wollte Stella nicht in den Kopf. Es gab doch andere Mittel und Wege. Amüsiert schmunzelte sie in sich hinein.

      Lübben fixierte sie auffordernd. Vielleicht war es ratsamer, sich in Zukunft etwas dümmer anzustellen, damit diese Schlammschlachten nicht immer auf ihrem Schreibtisch landeten.

      »Alles klar«, willigte sie ein. »Zuerst werde ich mich mit der Frau treffen und herausfinden, ob ihr Mann über die Schwangerschaft Bescheid weiß. Danach mache ich mir Gedanken über die weitere Vorgehensweise.«

      »Bravo, etwas anderes habe ich von Ihnen auch nicht erwartet. Dass die ganze Angelegenheit nur Sie und mich etwas angeht, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.«

      Ein Nicken besiegelte den Pakt. Zufrieden hakte Lübben sich bei Stella ein und führte sie zurück in das Besprechungszimmer, in dem die übrigen zwölf Rechtsanwälte auf die beiden warteten.

      Der Tag im Büro mit Telefonaten, Diktaten und Aktenwälzen war lang gewesen und es war bereits spät, als Stella zu ihrem Auto lief. An solchen Abenden hatte sie keine Lust auf kochen. Auch wenn sie alleine war und das in der nächsten Zeit auch bleiben wollte, bereitete sie hin und wieder kleine Menüs für sich und ihre Freunde zu. Doch dafür hatte sie es heute wieder einmal übertrieben und deshalb parkte sie ihren kleinen Flitzer nur ein paar Hundert Meter weiter, um bei Krasselt‹s Curry & Scampi eine schnelle warme Mahlzeit einzunehmen. Der Imbiss hob sich ab von den anderen Currywurstbuden Berlins. Hier gingen die Schönen und Reichen ein und aus. Genau aus diesem Grund liebte Stella ihre Stadt, das Miteinander von Arm und Reich funktionierte genauso wie das Kiezleben in den kleinen Enklaven, die es allerorts zu Hauf innerhalb der Millionen-Metropole gab. Man konnte, musste aber nicht dazu gehören.

      Krasselt’s war wie immer gut besucht. Der Inhaber verdiente sich eine goldene Nase mit seiner Goldgrube. Als Stella den kleinen Stehimbiss betrat, wurde sie von der Bedienung herzlich willkommen geheißen. Als Stammgast war der Zwischenstopp reine Routine. Sie bestellte die Currywurst mit extra scharfer Sauce und stellte sich an den letzten freien Tisch. Am vorderen Tisch, gleich neben dem Eingang, stand ein Pärchen mittleren Alters, die sich in ihr Essen vertieft hatten und kein Wort miteinander sprachen. Zwei Menschen, die irgendwann einmal heiß aufeinander gewesen waren und jetzt nur noch die Nahrungsaufnahme miteinander teilten. Die Frau war in ihrem früheren Leben vielleicht attraktiv gewesen, doch mit den Jahren unvorteilhaft aus der Form geraten, was Stella kurz überlegen ließ, sich die Currywurst heute doch zu verkneifen.

      Der Mann hatte furchtbare Essmanieren und schlang die letzten Pommes in einer Geschwindigkeit herunter, dass einem schlecht wurde. Kurz darauf schielte er lüstern zu Stella hinüber und leckte sich dabei mit der Zunge über die Lippen. Angewidert wandte Stella den Blick ab. Am liebsten hätte sie ihm zugerufen


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