Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte - Louise Otto


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die eines mutigen Helden sein wollte. Auch geweihte Priesterinnen und Seherinnen waren die germanischen Frauen. – [...]

      So war es in der alten Zeit – nun stieg das Mittelalter herauf, mit dem allmählich das reine Christentum zur römisch-katholischen Kirche verfälscht und aus der Religion der Liebe und Freiheit eine Religion der Furcht und Knechtschaft gemacht ward. Die Verehrung der Heiligen und der Jungfrau Maria ward eingeführt, und die Klöster stiegen empor. Da hinein flüchteten sich neben unglücklichen und verirrten auch diejenigen Frauen, die ein höheres Streben in sich trugen und dafür im äußern Leben keine Befriedigung fanden. Die Frauen, wenigstens die hochgestellten und schönen, wurden in dieser ritterlichen Zeit des Minnedienstes vielleicht mehr geehrt, als in jeder andern. Jeder Ritter wählte eine Dame, deren Farben er in der Schlacht trug, die er in Liedern besang, in deren Namen er kämpfte. In den Turnieren, den Festspielen der Ritter waren es die Frauen, unter deren Augen sie sich tummelten, und welche ihnen die Ehrenzeichen reichten – allein diese Verehrung, die sich nur auf Jugend und Schönheit beschränkte, hatte doch keinen wahren Wert, und indem sie die Frauen scheinbar erhöhte, erniedrigte sie eigentlich dieselben. Auch herrschten diese zarten Sitten eben nur bei den höhern Ständen, sie galten nur der Dame, nicht der Frau. Die Frauen der andern Stände lebten in Abhängigkeit und Stumpfheit dahin. Beten und arbeiten war ihr Los. Die höhere Bildung hatte sich in die Klöster geflüchtet, aber es war eine tote Gelehrsamkeit, die wohl die Frauen befähigte, Äbtissinnen ihrer Klöster, Vorsteherinnen ihres Ordens zu werden, übrigens aber ohne jeden Gewinn für's Allgemeine blieb. Diejenigen Nonnen, welche als barmherzige Schwestern durch das Land zogen, Kranke pflegten, besonders in Zeiten der Pest, bewährten noch am schönsten die Aufopferungsfähigkeit der Frauen für die Menschheit. Wohl gab es einzelne Fürstinnen und Burg-Frauen, deren Namen uns die Geschichte aufbewahrt hat, die unter ihrem Geschlecht glänzend hervorragten und ihren Einfluß geltend machten in der deutschen Geschichte – aber ihr Beispiel hat für die Gegenwart seine Kraft verloren. Denn jetzt wird und darf die Geschichte nicht mehr von den Höfen, gleichviel ob von Fürsten oder Fürstinnen, gemacht werden – sondern dazu ist eben das mündiggewordene, das ganze Volk berufen, die Frauen wie die Männer aller Stände! Wenn aber im finstern Mittelalter ein Mädchen oder eine Frau aus den untern Ständen sich in irgend etwas hervortat, sei es, daß sie durch ihre Schönheit oder ihre Tugend einem vornehmen Ritter Liebe einflößte, dem man sie als armes Mädchen oder Bauern-Dirne nicht für ebenbürtig hielt, sei es, daß sie in irgendeiner Natur-Wissenschaft Kenntnisse hatte oder für eine hohe Idee sich begeisterte: so ward sie der Zauberei bezichtigt und ihr als Hexe der Prozeß gemacht. Unsre alten Urahnen, die Germanen, nannten in ehrfurchtsvoller Scheu diese begeisterten Frauen Seherinnen. Das abergläubische Mittelalter aber, in dem die Pfaffen alles, was nicht ihren selbstsüchtigen Zwecken diente, als Teufelswerk darstellten, machten diese Frauen zu Hexen. Oft waren diese sogenannten Hexen wirkliche Somnambulen – und da der niedrige Standpunkt der damaligen Wissenschaft diese Krankheit nicht zu erklären wußte, so war es beinahe natürlich, daß man die davon Ergriffenen mit furchtsamen Augen betrachtete und sich ihrer zu entledigen suchte. Oft geschah es auch, daß damit, wie heutigen Tages mit den Somnambulen, Mißbrauch getrieben ward, teils daß Frauen sich selbst als Zauberinnen ausgaben um Gewinn davon zu ziehen, teils daß sie irregeleitet und von andern als Werkzeuge geheimer Pläne benutzt wurden. So wurden die unschuldigsten und oft die besten Frauen im Mittelalter als Hexen verbrannt.

      Das gräßlichste Schauspiel dieser Art bietet Frankreich. Frankreich war von den Engländern bis über die Hälfte unterjocht, ein englischer Prinz, ein Kind, zum König von Frankreich gekrönt, und der rechtmäßige König vertrieben worden. In allen Schlachten siegten die Engländer, und Frankreich seufzte unter dem unerträglichsten Druck übermütiger Eroberer. Der Schmerz, der durch das ganze Volk ging um das Vaterland, fand auch im Herzen eines armen Hirten-Mädchens, Johanna d'Arc, das tiefste Echo. Sie konnte es nicht ertragen, ihr Vaterland in solcher Schmach zu sehen. Heimlich verließ sie ihr stilles Dorf und eilte in das französische Lager, gerade als die Franzosen mit den Engländern im Gefecht waren. Die Franzosen wollten eben fliehen, als Johanna d'Arc sich an ihre Spitze stellte und sie wieder gegen den Feind führte. Der Anblick dieses kühnen Mädchens begeisterte die französischen Krieger so, daß sie mit neuem Mut sich in den Kampf warfen, die Engländer aber glaubten an Zauberei und flohen. Von da an weilte Johanna bei dem Heer, das nun siegesmutig an sie wie einen rettenden Engel glaubte, so zogen sie von Sieg zu Sieg, und das Vaterland ward von der Fremdherrschaft erlöst. Was aber war das Los dieses Helden-Mädchens: Johanna d'Arc, die Jungfrau von Orleans, fiel in die Hände der Engländer, und die Franzosen ließen es geschehen, daß ihre Retterin – als Hexe verbrannt ward.

      Das also war das Los einer Jungfrau, die ihr Vaterland geliebt und errettet hatte! Meine Schwestern, können wir uns nun wohl darüber beklagen, wenn man auch in uns das, was unser Edelstes ist, die Begeisterung für Vaterland und Freiheit, zu schmähen sucht, wenn uns die Mitwelt darum verkennt und verketzert? Aber die Nachwelt richtet gerecht. Johanna d'Arc steht als ein leuchtendes Vorbild da für alle Frauen, und unser edelster deutscher Dichter, Schiller, hat durch seine begeisterte Dichtung: Die Jungfrau von Orleans, die Unsterbliche auch für uns Deutsche noch herrlich verklärt. –

      (Fortsetzung folgt.)

      Der Volkskreuzzug in Ungarn

       Inhaltsverzeichnis

      Kossuth hat eine Proklamation an das ungarische Volk erlassen, in der er demselben »zu wissen gibt, wie die russischen Barbaren-Horden überall im Vaterland eingebrochen sind und vorwärtsrücken«; und weiter »wir geben ferner zu wissen, daß, obgleich es so gewiß ist wie Gott im Himmel, wenn es den Russen gelingen sollte, unser ungarisches Vaterland zu besiegen, daraus die Knechtschaft für alle Völker Europas erfolgen würde, wir doch vom Ausland keine Hilfe erwarten können, weil die Herrscher die Sympathie ihrer Völker unterjocht halten, die stumm und tatenlos auf unsern gerechten Kampf hinsehen. Es ist daher niemand, auf den wir hoffen könnten, als der gerechte Gott und unsere eigne Kraft; wenn wir aber unsere eigne Kraft nicht benutzen, so wird auch Gott uns verlassen.« – Und weiter wird in der Proklamation ein allgemeiner Volkskreuzzug angeordnet. – Der Aufruf hat bereits die erwartete Wirkung. Die Teilnahme an dem Kreuzzug wird als eine allgemeine beschrieben, die beispiellos sei in der Geschichte. Die ganze Bevölkerung, Männer, Weiber, Kinder, alles sei auf den Beinen und zahllos seien die Scharen, welche mit dem weißen Kreuz auf der Brust sich zu dem bevorstehenden Kampf meldeten. – Schon vor diesem Volkskreuzzug lasen wir eine Notiz, wo auch in der ungarischen Armee unter 35 Kämpfenden immer ein Weib sei. Die persönliche Teilnahme der Frauen am Kampf wird sich nun noch als eine ganz andere herausstellen. – Wir haben oft erklärt, daß wir ein gesuchtes und eitles Amazonentum mißbilligen, daß die Frauen nicht in das Heer gehörten u.s.w., aber wenn ein Volk in einer Lage ist wie jetzt Ungarn, gestalten sich die Sachen anders. In einen solchen Volkskreuzzug gehören die Frauen auch. Da ist es nicht abgetan mit Charpie-Zupfen, Verwundete pflegen, Kleidernähen und Kochen für das Heer – da mögen und werden sie hinaufeilen auf die Türme, nach dem Feind zu spähen, und durch Sturmläuten sein Kommen zu verkündigen, – da mögen und werden sie mithelfen die Städte verbarrikadieren und verteidigen oder, wo das nicht möglich ist, sie auszuräumen und anzuzünden – da mögen und werden sie das Schwert oder die Sense ergreifen, wenn sie stark genug sind, sie zu führen, oder das Schießgewehr, wenn sie schießen gelernt. – Die Mütter mögen sich schonen für ihre Kinder, aber die ledigen Mädchen dürfen die Gefahr nicht scheuen, wenn sie die Kraft haben, mit ihren Waffen selbst Gefahr zu bringen, sie mögen und werden kämpfen und sterben für das Vaterland. – Oder wollt ihr etwa auch der Erhabenheit eines solchen Volkskreuzzuges gegenüber mit dem sentimentalen Einwand kommen: das Weib dürfe den Tod nicht in die feindlichen Reihen senden, sein Gefühl sei dagegen u.s.w. (das Stichwort »unweiblich« lauert im Hintergrund) – nun, so frage ich euch: sind denn die Männer privilegierte Mörder? ist es denn einem Mann gleichgültig, zu töten? – Unmenschlich ist's, denn unmenschlich ist jeder Krieg – und wir wiederholen noch einmal: das sei ferne, daß wir die Frauen als Söldnerinnen sehen möchten neben einem fürstlichen »herrlichen Kriegsheer«


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