Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte - Louise Otto


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andern untergeben, zu Sklaven machte. – Worin uns aber jene alten Republiken von Griechenland und Rom zum Muster dienen können, das ist die Stellung, welche die Frauen einnahmen. Die gleiche Liebe für die Freiheit und das Vaterland, welche die griechischen Männer beseelte, begeisterte auch die Frauen. Es war der Stolz der griechischen Mütter, wenn ihre Söhne für das Vaterland in den Kampf zogen, und wenn sie sterbend daraus zurückgebracht wurden, so war es der Trost der Mutter, daß sie für das Vaterland gefallen waren. Die Mutter hatte sie dazu erzogen, dem Vaterland zu leben und zu sterben – sie trauerte nicht, wenn der Tod sie ihr in ihrem Berufe raubte. Wenn der griechischen Mutter die Nachricht gebracht ward: »Dein Sohn ist in der Schlacht geblieben!« so war ihre erste Frage: »Hat er die Wunden vorn?« Bejahete man dies, so war sie beruhigt, denn dann wußte sie, daß ihr Sohn ehrenvoll und nicht auf schimpflicher Flucht gefallen war. Ein mahnendes Beispiel für uns! Wie manche deutsche Mutter denkt jetzt nicht mit Zittern an die Möglichkeit eines Kriegs, der ihr den Sohn rauben könnte! wie manche möchte nicht den Sohn zurückhalten und von den Soldaten loskaufen – wenn das jetzt noch möglich wäre – nur damit er nicht den Gefahren der Schlacht ausgesetzt sei – meine christliche Schwestern, lasset euch nicht von der Seelen-Stärke heidnischer Frauen beschämen! Freilich wußten diese griechischen Frauen, daß ihre Männer und Söhne für ihr Vaterland, ihr Volk, ihre Freiheit kämpften – und darum konnten sie ihre Begeisterung teilen, sie würden sich aber das Haar gerauft, Trauer angelegt und sich selbst geflucht haben, wenn ihre Söhne für die Tyrannei und gegen die Volksfreiheit gekämpft hätten. Nun, so seid wie die Griechinnen für Vaterland und Freiheit begeistert, dann werdet ihr, wenn es sein muß, auch eure Gatten und Söhne mit Freuden ihr Leben für diese heiligsten Güter einsetzen sehen. Die griechischen Frauen nahmen denselben geistigen Anteil am Staatsleben, wie die Männer; ja es gab sogar Priesterinnen unter ihnen, deren Aussprüche als heilige Weissagungen betrachtet wurden und in deren Tempeln man sich bei den wichtigsten Angelegenheiten Rat holte. Eine griechische Dichterin, Sappho, von deren Werken uns noch Bruchstücke aufbewahrt sind, ward vor allem Volk mit dem Lorbeer gekrönt, und bei einer andern geistreichen Frau pflegte einer der weisesten Gesetzgeber eines griechischen Staats, Perikles, sich Rat zu erholen. – Noch schärfer und in beinahe härteren Zügen ausgeprägt wird diese Teilnahme am Staatsleben bei den römischen Frauen. In allen Lagen des Lebens lag ihnen zuerst daran, sich als Römerinnen zu zeigen, d.h. würdig ihres Vaterlandes; es war ihre republikanische Tugend, zuerst ihrer Pflicht gegen das Vaterland zu genügen und diesen allgemeinen Beruf ihrem besonderen als Gattin, Mutter, Tochter u.s.w. unterzuordnen. Müssen wir deutschen Frauen nicht alle beschämt stehen von solcher republikanischer Tugend? [...]

      Freilich waren auch die römischen Frauen vom Staatsleben nicht ausgeschlossen, an allen öffentlichen Feierlichkeiten nahmen sie teil, und den heimkehrenden Siegern zogen sie entgegen, ihnen Huldigungen darzubringen. Es war die größte Ehre für den Helden, und nur die edelste und züchtigste Jungfrau ward dazu ausersehen, wenn die Römerin dem heimkehrenden Römer den Siegeskranz reichte. Noch duch viele Beispiele – aber schon die angeführten werden genügen – könnte ich beweisen, wie die griechischen und römischen Frauen sich als Bürgerinnen eines freien Staats zu bewähren wußten. Ich habe angedeutet, wie diesen heidnischen Republiken zu ihrer Vollendung eben die christliche Anschauung fehlte, die erst einer späteren Zeit vorbehalten war. Es kann nun wohl die Frage entstehen, ob unsere Bestrebungen, dem Vaterland und der Freiheit, der Sache der Menschheit überhaupt zu dienen, da wir uns bisher nur auf heidnischer Frauen Vorbilder beriefen, auch christliche Bestrebungen sind? – Blicken wir zurück auf die Zeit, da Jesus Christus, unser Herr und Meister, selbst auf Erden lebte und lehrte. Als armer Zimmermannssohn geboren und das einfache Handwerk seines Vaters übend, war Jesus recht eigentlich ein Kind des Volkes. So war es auch nur das eigentliche Volk, das arme und niedrige und um dessentwillen von den Reichen und Vornehmen verachtete, an das er sich wendete und das ihm zulief. Den Großen, den Pharisäern und Schriftgelehrten unter den Juden, war seine Lehre ein Ärgernis, und den gelehrten und bildungsstolzen Griechen eine Torheit – gerade so geht es noch heute allen Volksmännern, welche den Vorurteilen ihrer Zeitgenossen entgegentreten.

      (Fortsetzung folgt.)

      Vortrag, gehalten im demokratischen Frauen-Verein zu Oederan, im Januar 1849 (Fortsetzung.)

       Inhaltsverzeichnis

      Wie es nun Jesus, indem er das Evangelium der allgemeinen Menschenliebe, der Freiheit und Gleichheit verkündete, vorzugsweise mit den Armen und von ihren übermütigen, hochgestellten Mitbürgern Verachteten hielt, so daß jene ihm nachredeten: »er isset mit Sündern und Zöllnern«, so nahm er auch der Frauen sich an und verschmähte es nicht, sie zu belehren und sie auf den rechten Weg zu führen, wie er die Männer führte, denn er war ja eben gekommen, die ganze Menschheit zu erlösen. Ihr kennt das schöne Freundschaftsbündnis, welches Jesus mit den Schwestern in Bethanien verband, Maria und Martha. Erinnern wir uns der herrlichen Szene, in welcher er bei ihnen weilte, Maria zu seinen Füßen saß, seine göttlichen Lehren zu vernehmen, indes Martha ihn mit sorgfältiger Bewirtung am besten zu ehren meinte. Martha machte der Schwester Vorwürfe, daß sie sich nicht auch diese Mühen mache. Jesus aber antwortete: »Maria hat das bessere Teil erwählt – das soll nicht von ihr genommen werden.« An dies Wort unsres Meisters halten wir uns: das soll nicht von ihr genommen werden! Damit ist es ausgesprochen für alle Zeit und festgestellt als ein christlicher Grundsatz: die Frau soll nach dem Höheren streben, ihre Seele den Lehren erhabener Menschen öffnen und ihren Geist nähren mit geistiger Speise – das ist ihr besseres Teil, das nicht von ihr genommen werden soll! – Mit diesen Worten, meine Schwestern, lasset uns all den Marthas antworten, die wir in unsern Kreisen treffen und die uns mit Vorwürfen überhäufen, weil wir neben unsern besondern weiblichen Pflichten auch noch höhern Bestrebungen huldigen, die sie nicht wollen gelten lassen, diese höheren Bestrebungen sind eben das bessere Teil, von dem unser Meister gesagt hat: das soll nicht von ihr genommen werden. Wissen wir aber, daß wir in seinem Geiste handeln, was können uns dann die Urteile der Welt kümmern? – Aber nicht nur diese beiden Freundinnen sind es, denen wir im Leben Jesu begegnen. Der verachteten Samariterin erteilt er am Brunnen, ihre Fragen beantwortend, die erhabensten Lehren, von Maria Magdalena läßt er das Haar sich salben und verweist es dem Judas, der sie roh davon zurückhalten will, selbst für die Sünderin hat er noch das rettende Wort gegen ihre Verfolger: »wer von euch ohne Sünden ist, der werfe den ersten Stein auf sie!« Überall, wo er lehrt und wohltut, sehen wir in Verehrung und Demut die Frauen ihm nachfolgen, sie stehen bei dem Gekreuzigten, und er nimmt noch von seiner Mutter rührend Abschied, sie schmückten sein Grab und der Auferstandene zeigt sich ihnen zuerst. Wie kann man nun sich christlich nennen und doch die Frauen aus der Stellung drängen wollen, die Christus selbst ihnen angewiesen? Die Frauen, indem sie Jesus nachfolgten und ihm dienten, dienten sie der Sache der Freiheit – der allgemeinen Menschenliebe, denn Jesus war deren erster Held und Verkündiger – nun denn: so bewähren wir es auch in diesem Sinne, daß wir echte Christinnen sind! –

      Stellen wir uns nun aber vom Boden des Christentums auf den des Vaterlandes! – Bei keinem Volk der alten Welt, nicht einmal bei den Griechen und Römern, nahmen die Frauen eine so würdige Stellung ein wie bei unsern deutschen Vorfahren, den alten Germanen. Diese alten Germanen waren ein rohes Volk, das die deutschen Wälder bewohnte und das die überfeinerten Römer nicht anders als ein Volk von Barbaren nannte. Aber diese barbarisch gescholtnen Germanen waren ein freies, tapferes Volk, das sich selbst seine Gesetze gab und sie auf die heiligen Rechte begründete, die in jedes Menschen Brust geschrieben sind. Darum war die Frau die Gefährtin des Mannes, sie versorgte sein Hauswesen, sie erzog seine Kinder, aber sie nahm auch teil an allem, was ihn betraf, sie war seine vertrauteste Freundin. Die Germanen waren ein kriegführendes Volk, und die Frauen zogen mit ihren Männern in die Schlacht, nicht um mitzukämpfen, aber um ratend und liebend ihnen beizustehen, die Verwundeten zu pflegen, bei den Begräbnissen der Toten die Klage-Lieder und nach gewonnener Schlacht die Siegeslieder zu singen, ja mitten im Kampf durch ihre kriegerischen Gesänge die Kämpfer zu begeistern. Zwar war es bei den Germanen Brauch, daß sie das Mädchen, das sie zur Gattin wollten, gewaltsam raubten


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