Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto
sei, die Menschen von der Willkür einer tyrannischen Regierung, eines gekrönten Herrschers zu befreien, sondern daß es gelte, sie frei zu machen von der Tyrannei des Kapitals, das so gut die Fürsten wie die Völker beherrscht und das auch da noch Sklaven macht, wo es keine Königsthrone mehr gibt. Viele Jahre lang schon haben französische Schriftsteller sich neben der politischen mit der gesellschaftlichen Reform beschäftigt, und ihre Ideen sind in das Volk gedrungen, an das sie sich wendeten, und haben darin Wurzel geschlagen. Deutschland aber kam nur erst langsam damit nach – erst seit einigen Jahren haben wir uns – und zwar nur eine kleine Zahl deutscher Schriftsteller mit den sozialen Fragen, den Fragen der Arbeit und des Erwerbes innerhalb der Gesellschaft beschäftigt – aber wie war es möglich, damit eine größere Wirkung in weiteren Kreisen zu erzielen, da soziale Zeitschriften kaum geduldet wurden und Zensur- und Bücher-, ja Verlagsverbot die sozialen Schriften weit härter behandelten, als selbst die politischen. Wenn daher die Bemühungen jener glückten, welche alle, die für die Freiheit auf allen Gebieten kämpften, zu unterdrücken und zu verdächtigen suchten – wenn es durch sie dahin kam, daß das Volk selbst seinen wärmsten Freunden nichts Gutes zutraut, so ist dies eben nicht zu verwundern, besonders wenn wir sehen, wie es in Frankreich, das uns doch vorausgegangen, ganz dasselbe ist. – Wenn man sozialistisch ist, hält man uns für Aufwiegler – es heißt, wir wollten nur die Massen aufregen zu ungesetzlichen Handlungen, die das Eigentum der Reichen u.s.w. bedrohten, indes wir weiter nichts wollen als sie aufklären, daß sie keine ungesetzlichen Handlungen der Reichen gegen sie selbst, die Armen und Arbeiter, dulden. – Erklären wir uns als Republikaner, so sagt man, wir predigten Anarchie, die Herrschaft der rohen Gewalt, des Faustrechts u.s.w., und sind wir sozialistische Republikaner, soziale Demokraten, d.h. wollten wir einen Staat, in dem das Volk keine höhere Herrschaft über sich erkennt als die eines Gesetzes, das es zuvor sich selbst gegeben, wollen wir einen Staat, in dem auch das Mißverhältnis von Kapital und Arbeit aufgehoben und die Arbeit organisiert ist – so schreibt man uns alle möglichen Schlechtigkeiten zu. Wer von uns hätte das nicht selbst erfahren, entweder an sich oder an anderen? – Die Reaktion ist's, die alle, welche der Bewegung dienen, immer und überall zu verdächtigen und zu schmähen sucht, die Reaktion ist's, welche kein Mittel scheut, um zu ihrem Zweck zu kommen – und wahrlich! die Reaktion hat ihre Stützen noch ganz anderswo als in den Regierungen! – Ja, die Bourgeoisie, der Geldadel ist's, der die meisten Fanatiker der Ruhe aussendet, uns andere zu verketzern und zu verderben. In dem Geldadel scheinen sich der Materialismus und die Selbstsucht unserer Zeit verbunden zu haben. Die ihm angehören, wissen nichts von einem aus Standesinteressen hervorgehenden Gemeingeist, sondern nur von dem Geist gewinnsüchtiger Spekulation, der allen ihren Gliedern gemein ist. Er erkennt nicht die nationalen Bande eines Vaterlandes an, denn seine Heimat ist überall, wo es Börsen und Kredit-Papiere gibt, auch nicht einmal der Welt will er angehören, sondern betrachtet vielmehr die Welt als eine große Domäne, welche lediglich ihm angehören müsse. – Diese Leute des Geldadels – sie sind es, welche das Volk verführen – um es auszubeuten. Sie sind es, welche den Bürger, den Landmann vor denen warnen, die der neuen Zeit und mit ihr der Freiheit dienen! Diese Leute sind es, welche den Volksfreunden alle möglichen Schlechtigkeiten andichten, damit das Volk seine Freunde verleugne und seinen Feinden sich geduldig überliefere, weil diese ihm sagen: »Ihr leidet noch mehr, wenn nicht bald Ruhe wird, so werdet ihr keine Arbeit, keinen Verdienst mehr haben – darum auf und verlacht und verfolgt die, welche an der Unruhe schuld sind.« Dann hilft es nichts, wenn wir sagen: »Die Unruhe jetzt ist nur da, damit ihr dann endlich einmal Ruhe habt vor euren Tyrannen, mögen sie nun auf Thronen oder auf Geldsäcken sitzen« – dann flieht doch das betörte Volk von uns. – Nein! es zaudert wohl, aber es flieht nicht, es läßt sich nicht für immer betören – es findet schon noch seine wahren Freunde heraus, es findet den Weg, auf dem es zur Freiheit zu wandeln gilt. – »Der Sieg muß uns doch bleiben!!«
L.O.
Vortrag, gehalten im demokratischen Frauen-Verein zu Oederan, im Januar 1849
Werte Zuhörerinnen!
Indem Sie zu einem Verein zusammengetreten sind, der höheren Zwecken dient, als denen, welche man bisher speziell, aber mit gänzlicher Verkennung vollendeter Weiblichkeit, beliebte weibliche zu nennen, haben Sie schon bewiesen, daß Sie selbst Ihre Aufgabe, die Aufgaben der Frau in dieser bewegten Zeit erkannt haben. Ich freue mich, Sie als Gesinnungsverwandte begrüßen zu können! Schon seit Jahren habe ich danach gestrebt, meine deutschen Schwestern von der Notwendigkeit dieser höheren Aufgabe zu überzeugen, ich habe mein schriftstellerisches Wirken damit begonnen, daß ich in den »Vaterlandsblättern« über die »Stellung der Frauen im Staate« schrieb, daß ich sie dazu aufforderte, geistig teilzunehmen an den politischen Bestrebungen der Gegenwart und die treuen Gefährtinnen der Männer zu sein, wo es sich um die Rechte des Volks, um seine Freiheit handelte. Denn das Volk besteht eben wie die Menschheit selbst nicht nur aus Männern, sondern aus Männern und Frauen. Darum müssen die Frauen, wenn schon auf andere Weise und auf anderem Gebiet, doch auch wie die Männer der staatlichen Entwickelung, der Volksfreiheit dienen. Ich habe dieses alles schon vor Jahren ausgesprochen – die Vorurteilsvollen, die Philister und diejenigen, welche sich ein Geschäft daraus machen, alles in den Staub herabzuziehen und zu verlachen; sie waren alle wider mich, sie haben mich verlacht, wie sie mich wahrscheinlich auch heute wieder verlachen werden – aber ich wußte das voraus und habe mich nicht darum gekümmert. Warum mich die einen schmähten, das führte mir die andern zu, und ich denke, diese letztern waren die Besseren! Sie werden dieser Ansicht alle beistimmen, wenn ich Ihnen sage, daß unser Robert Blum einer der ersteren unter denen war, welche mich in diesen Bestrebungen für die Rechte der Frauen ermutigte. – Die Teilnahme der Frauen am Staate ist nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht – hatte ich gesagt und diese Worte, welche mir Hunderte von Feinden schufen, machten Robert Blum zu meinem Freund. Ich sage das nicht zu meinem Ruhm, sondern zu Ihrem Trost, werte Zuhörerinnen, denn weil Sie dieselben Ansichten vertreten wie ich, werden Sie auch mein Los in diesen Beziehungen teilen. Wer aber gewiß ist, im Geiste Robert Blums zu handeln, kann sich schon darüber trösten, von beschränkten oder böswilligen Leuten falsch beurteilt zu werden. Soll ich noch andere Männer aus der Gegenwart nennen, die über diese Rechte und Pflichten der Frauen mit uns gleich denken und es durch ihre Freundschaft mir bewiesen haben? So nenne ich noch den begeisterten Johannes Ronge, den Stifter des Deutschkatholizismus, und unsern edeln Minister Oberländer. Das sind Ihnen längst bekannte und hochgefeierte Namen, welche die Rechte des ganzen Volkes anerkennen und für sie einstehen, die Rechte der Frauen wie der Männer. Diese wenigen Namen, denen ich leicht noch viele andere beifügen könnte, die Ihnen aber doch vielleicht minder bekannt wären, werden Ihnen genügen, um gewiß zu sein, daß wir edle, verehrungswürdige Bundesgenossen haben – vielleicht auch werden diese Namen genügen, einige unserer Gegner zu entwaffnen und zu beschämen! –
So viel als Einleitung. Es ist meine Absicht, durch geschichtliche Rückblicke zu zeigen, daß unsere Bestrebungen, dem Vaterland und der Freiheit zu dienen, keineswegs vereinzelt dastehen oder etwas Neues sind. Ich werde Sie sowohl auf einzelne Zustände als auf einzelne Frauen vergangener Zeiten aufmerksam machen, um dadurch daran zu erinnern, wie wir bereits würdige Vorgängerinnen gehabt haben und wie bei aller Eigentümlichkeit einer jeden besonderen Zeit doch vieles, was wir jetzt erleben oder anstreben möchten, schon einmal, wenn auch in andern Formen und Verhältnissen, dagewesen ist. –
Wenn man jetzt von Republiken spricht, so wird oft mit der alten, der vorchristlichen Zeit gedacht und ihrer Republiken, der aus der dunklen Tiefe der Vergangenheit hell hervorleuchtenden Gestirne der Republiken von Griechenland und Rom. Es ist wahr, daß die Republiken dieser Staaten uns für die Gegenwart nicht in allem als Muster dienen können, denn bei all ihrer Vollkommenheit in der Ausbildung staatlicher Formen fehlte ihnen der christliche Grund-Gedanke der allgemeinen Gleichheit und Menschen-Liebe, sie hatten den erhabenen Tempel der Freiheit auf die unsittlichen Grundlagen der Sklaverei gebaut – und darum sind sie auch wieder untergegangen. Eine bedeutsame Lehre für uns, daß auch Deutschland mit einem Freistaat nicht gedient wäre,