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begleiten, und wenn die Luft rein ist, folge ich dir. Wir werden ja sehen, was wir herausbekommen. Ich helfe meiner Mutter nur noch mit ein paar Sachen, dann können wir uns auf den Weg machen.«
Comfrey lief in die Küche und wusch sich schnell am Becken beim Holzofen.
Maxine beobachtete ihre Tochter aus den Augenwinkeln, und sie bemerkte ihr geheimnisvolles Lächeln. Während sie einen Kürbis schälte und ihn in Scheiben schnitt, schüttelte sie den Kopf. Die Stimmungsschwankungen zwölfjähriger Mädchen waren immer wieder überraschend.
Comfrey zog sich ein braunes Wollkleid und einen Pullover über. Dann fütterte sie die Gänse und versorgte sie mit Wasser und melkte die Ziegen in einen Holzeimer und schnitt für die Kuchen mehrere Hände voll Grünkohl ab – und das alles tat sie viel zügiger als sonst. Vom schnellen Melken schmerzten ihre Hände, und die Ziegen musterten sie wissend mit ihren eigenartig schrägen Pupillen.
»Ich will nur noch eben nach unseren Opfergaben schauen, Mama!«, platzte es aus Comfrey heraus, als sie ins Haus zurückkam. Ihr Gesicht war vor Kälte und von der geschäftigen Tüchtigkeit gerötet.
»Ich brauche Hilfe bei diesen Küchlein, Frey. Zwölf Stück kann ich nicht allein backen!« Maxine, die vor der Küchenanrichte stand und bis zu den Handgelenken in dem milchig-süßen Teig steckte, sah wenig erfreut auf.
Comfrey kannte diesen Gesichtsausdruck, und er gefiel ihr gar nicht. »Nur eine halbe Stunde. Bitte! Ich möchte so gerne wissen, ob sie alles mitgenommen haben!« Normalerweise verbarg sie nichts vor ihrer Mutter, doch nun lächelte sie unschuldig, und ihre brennenden Wangen überdeckten, dass sie errötete.
Maxine verdrehte die Augen und scheuchte sie davon. »Aber beeil dich.«
In ihrem Schlafzimmer legte sich Comfrey wieder den blauen Umhang um, dieses Mal versteckte sie allerdings Myrte unter ihrem linken Arm. Die Häsin beschwerte sich und beulte den Umhang ein wenig aus. Als Comfrey in ihren Wildlederstiefeln aufgeregt nach draußen lief, blickte Maxine zum Glück nicht von ihrer Arbeit auf.
»Du musst unter dem Umhang bleiben, bis wir aus dem Dorf raus sind«, flüsterte Comfrey, während sie auf die Bienenstöcke zuging.
»Das ist lächerlich!«, sagte Myrte und strampelte sich frei. »Ich kann mich ganz gut alleine verstecken, vielen Dank.«
Comfrey schaute auf die dickköpfige Häsin hinab, die nur aus Fell und Muskeln bestand, und seufzte. »Wie du willst.«
Vor den Bienenstöcken machte das Mädchen kurz halt, neigte ihren Kopf und murmelte, sie wolle nach den Opfergaben sehen. Dann stellte sie den Bienen Myrte vor.
Die Häsin beugte respektvoll Kopf und Ohren. »Die Grünzwillinge haben mich geschickt.«
Comfrey schaute sich unwillkürlich um und hoffte, dass niemand vorbeikam und den sprechenden Hasen entdeckte. Dann machte sie kehrt und lief schnell einen matschigen Feldweg entlang. Die Häsin hüpfte unterdessen flink hinter einen Brombeerstrauch in das hohe, nasse Gras, wobei ihr goldenes Fell kurz aufblitzte.
Als sie den Weg erreichten, der das Weidetal bis zu den Opferhügeln durchschnitt, sahen sie, dass der Sturm ein paar silbrig-graue Esskastanienbäume umgeknickt hatte, die nun quer über dem Weg lagen. Es roch nach frischer Erde und Holzrauch und harzigen Blättern. Comfrey rannte vorneweg, sie wollte unbedingt noch kurz nach den Opfergaben schauen, bevor sie Myrte zu der Stelle führte, wo sie die Korb-Hexen entdeckt hatte. Schließlich erreichten sie einen Trampelpfad, über den Rinnsale strömten, die von Erlen- und Lorbeerblättern übersät waren.
»Es ist weg! Alles ist weg, sogar das Tuch und die Kerzen!«, rief das Mädchen aufgeregt, als sie den Opferplatz am Berghang schon sehen konnten. »Normalerweise nehmen sie nicht den ganzen Altar mit!« Sie kletterte den Hang hinauf, um sicherzugehen. Und tatsächlich: Von den Opfergaben war nichts als ein roter Faden übrig, der an einer Distel hing, und ein bisschen verlaufenes goldenes Wachs, das auf dem glatten Stein ausgehärtet war.
Myrte war ihr im Nu hinaufgefolgt und schnupperte die Ränder der Felszunge aus grünem Marmor ab. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich niemanden vom Luchs-Volk rieche«, sagte sie und schnüffelte weiter im Gras herum. »Den Geruch von Luchsen kenne ich gut!« Sie stellte sich auf die Hinterläufe und hielt die Nase in die Luft, dann setzte sie ihre Vorderpfoten wieder ab. »Ich rieche Weiden und Rehe und gut geölte Räder. Aber ganz sicher bin ich mir nicht; es ist ein verwirrender Geruch.«
»Denkst du, das sind die Korb-Hexen, Myrte?«
»Ich springe noch ein bisschen weiter den Berg hinauf und schaue nach«, sagte die kleine Häsin, »ich bin in Windeseile wieder zurück!« Und schon hüpfte sie davon.
Comfrey spürte ein nervöses Flattern in der Brust. Was trieb sie überhaupt hier draußen? Und was fiel ihr ein, an der verbotenen Grenze entlangzulaufen?
Ein hohes Kreischen, das von der anderen Seite des Bergkammes zu kommen schien, riss sie aus ihren Gedanken. »Comfrey!«, drang Myrtes gepresste Stimme verzweifelt zu ihr. »Hilfe!«
Jetzt war nicht der richtige Augenblick, um sich über verbotene Grenzen Sorgen zu machen. Sie schaute noch einmal zurück, über das sumpfige Weidetal, in die Sicherheit des Hinterlandes. Dann atmete Comfrey tief ein, murmelte ein Schutzgebet Richtung Opferplatz und rannte den Berg hinauf. Vom steilen Anstieg brannten ihre Beine, aber sie hielt nur kurz bei einem Felsvorsprung mit Lorbeerbäumen an, um nach Luft zu schnappen. Zwischen den schlanken Stämmen der Lorbeerbäume sah sie etwas Rotes aufblitzen.
»Myrte, wo bist du?«, rief sie.
Fünf Meter weiter oben war bereits der Gipfel. Wieder blitzte etwas rot auf. Dieses Mal mit einem Hauch von Orange, fast wie Feuer.
Im selben Moment tauchte ein großer Vogel über dem Bergkamm auf. Er flog ganz schief, denn er hielt Myrte in den Fängen, die ihm mit ihren starken Hinterläufen in den Bauch trat. Zuerst dachte Comfrey, es wäre ein riesiger Rotschwanzbussard. Aber als er auf dem Luftstrom segelte und seine Flügel und Schwanzfedern voll ausbreitete, keuchte Comfrey laut auf – es war ein Falke, aber die roten, aufgefächerten Schwanzfedern leuchteten glühend orange und wurden, genau wie die Flügel, von Flammen umzüngelt.
»Halt!«, schrie Comfrey, der im gleichen Augenblick bewusst wurde, wie dumm das klang. Vögel kümmerten sich nicht um die Befehle eines Mädchens!
So schnell sie konnte, rannte sie weiter den Berg hinauf, direkt auf den flammengefiederten Falken zu, der Myrte inzwischen mit seinen Klauen gegen den Boden drückte und ihr mit seinem scharfen Schnabel jeden Moment die weiße Kehle aufschlitzen würde. Die Panik verlieh Comfrey ungeahnte Kräfte. Sie brüllte, raffte mit einer Hand ihr braunes Kleid zusammen und winkte hektisch mit der anderen.
Überrascht von dem schreienden Geschöpf, das mit zwei fliegenden schwarzen Zöpfen so plötzlich auf ihn zugerast kam, hüpfte der Vogel ein Stück zurück. Dieser Bruchteil einer Sekunde genügte Myrte, um zu fliehen. Sie stürzte sich in Comfreys Arme.
Der Falke zischte die beiden mit weit geöffnetem Schnabel an, sodass man seine leuchtend rote Zunge sehen konnte, und hob ab.
Comfrey hielt die bebende Häsin gut fest und beobachtete, wie der Falke mit orangefarbenen Flügelschlägen über sie hinwegflog und dann auf der anderen Seite des Berges nach unten schoss. In seinem Sog wirbelten Funken durch die Luft. Der Falke kreiste nun über einem schief stehenden Wagen, der ein Stück unterhalb des Bergkammes stand. Und eine Frau mit einer aufgetürmten kegelförmigen Frisur in einem gelben Kleid, das sich leuchtend von ihrer mammutbaumdunklen Haut abhob, rührte in einem Kessel, der daneben über einem Feuer schaukelte. Comfrey spürte ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch. Sie schaute zu Myrte, die ihren Kopf in den Falten des blauen Umhangs vergraben hatte. Die Brust der Häsin hob und senkte sich zitternd mit jedem Atemzug.
»Schhh, alles in Ordnung, jetzt bist du in Sicherheit«, sagte Comfrey und streichelte die zarten Ohren der Häsin. Sie wunderte sich selbst über die Zuversicht in ihrer Stimme. Dann untersuchte sie Myrtes Rücken, wo der Falke mit seinen Klauen zugepackt hatte.
Als