Einen geliebten Menschen verlieren. Doris Wolf
•Einhaltung einer bestimmten Trauerzeit, zum Beispiel:
ein Jahr
•Zeremonien nach Beendigung der Trauer, zum Beispiel:
Reinigung
All diese Riten helfen dem Trauernden, seine Trauer auf sozial anerkannte Weise zum Ausdruck bringen zu können, ohne dass sich eine schwere Depression oder andere krankhafte Prozesse entwickeln müssen.
In unserer Gesellschaft bleiben wir meist mit unseren Gefühlen und körperlichen Reaktionen allein. Wir weinen still, wenn wir es uns nicht überhaupt verbieten. Wir verlangen von unserem Körper, dass er uns schlafen lässt, aktiv ist und Appetit hat, obwohl er es in einer solchen Situation nicht kann. Unsere Umwelt verlangt oft, dass wir unserer Arbeit normal nachgehen und unsere Pflichten erfüllen, obwohl wir uns weder konzentrieren, noch etwas merken können. Wir dürfen nicht unserem Bedürfnis nachgeben, zu seufzen und über unser Schicksal zu klagen. Wir dürfen nicht endlos über unseren verstorbenen Partner reden. Unser Wunsch, uns von der Menschheit zurückzuziehen und einfach stundenlang vor uns hinzustarren, wird nicht akzeptiert. Von uns wird erwartet, dass wir uns äußerlich zurechtmachen und „wieder gut aussehen“. Wutausbrüche und Ungeduld werden ebenfalls nicht gerne von unserer Umwelt gesehen; oder mißverstanden. Nach Möglichkeit soll unsere Trauerarbeit nach kürzester Zeit abgeschlossen sein.
Da unsere Gesellschaft uns kaum Hilfestellungen für den Umgang mit dem Tod und der Trauer anbietet, möchte ich Ihnen in diesem Buch Hilfestellungen geben. Ich kann Ihnen Ihre Gefühle weder wegnehmen, noch kann ich die gesellschaftlichen Regeln aufheben. Mit diesem Kapitel wollte ich Ihnen zeigen, dass Ihre Gefühle, Ihre körperlichen Reaktionen und Ihr Verhalten uns Menschen eigen sind. Wann immer wir uns auf einen anderen Menschen einlassen und ihn lieben, werden wir über seinen Verlust trauern. Auch wenn die Gesellschaft uns diese Reaktion nicht zugesteht, werden wir dennoch mit Schmerz, Wut, Angst und all den körperlichen Reaktionen reagieren. Wir müssen uns deshalb unsere eigenen Regel, wie wir mit unserer Trauer umgehen wollen, schaffen.
Akzeptieren Sie Ihre Gefühle, die Sie im Augenblick verspüren. Sie sind menschlich. Wenn Sie Ihre Gefühle besser verstehen, akzeptieren und sich durch sie hindurcharbeiten, werden Sie sich wieder wohlfühlen können. Ich werde Ihnen in Teil 2 Übungen anbieten, wie Sie Ihre Gefühle ausdrücken können, ohne in der Gesellschaft aufzufallen, und dennoch nicht in Ihrer Trauer steckenbleiben. Sie können sich Zeiten wählen, in denen Sie sich ganz Ihrer Trauer widmen, und Zeiten, in denen Sie die Anforderungen der Gesellschaft erfüllen.
2Phasen der Trauerverarbeitung
Das Leben
eines lieben Menschen
ist zu Ende.
Es erscheint Ihnen,
als ob damit auch Ihr Leben
zu Ende gegangen sei.
Das Leben mit ihm ist zu Ende,
doch Ihr Leben geht weiter.
Sich von einem geliebten Menschen zu verabschieden, ist ein langsamer und lang andauernder Prozess, der nicht mit dem Begräbnis endet. Wir benötigen Zeit, bis wir die Trauer überwinden und die Endgültigkeit der Trennung akzeptieren können. Die Trauer ist nicht vergleichbar mit einer Krankheit, einer Grippe, bei der wir nur ein paar Medikamente nehmen und uns ausreichend Ruhe gönnen müssen. Die Trauer ist aktive Arbeit, die wir in Angriff nehmen müssen. Niemand kann uns die Arbeit abnehmen zu lernen, den Verlust anzunehmen. Niemand kann uns die Arbeit abnehmen, uns von dem geliebten Menschen zu verabschieden. Niemand kann uns die Arbeit abnehmen, Gewohnheiten, die wir mit dem geliebten Partner verbanden, aufzulösen. Niemand kann uns die Arbeit abnehmen, neue Gewohnheiten zu entwickeln. Der Trauer können wir nicht entgehen, indem wir gegen sie ankämpfen, sie in Drogen und Alkohol ersticken, sie zu vermeiden versuchen, oder abzuwarten, bis die Zeit sie heilt. Wenn wir gesund aus diesem Lebensabschnitt hervorgehen möchten, können wir die Trauer nur durchleben. Wenn wir sie zulassen und durchleben, werden wir sie überwinden.
Der Verlust eines Menschen konfrontiert uns mit Gefühlen, die wir uns vielleicht niemals zuvor zu fühlen imstande gesehen haben; Gefühle, von denen wir nicht wissen, woher sie kommen, geschweige denn, wie wir mit ihnen umgehen sollen.
Es liegt in unserer menschlichen Natur, dass wir das betrauern, was uns wichtig ist und was wir nicht mehr haben können. Wir haben keine Möglichkeit, etwas, was für uns von großer Bedeutung ist, loszulassen, ohne es nicht auch zu betrauern. Die Trauer teilt uns mit, dass sich etwas geändert hat in unserer Umgebung. Sie ist ein Warnsignal unseres Körpers und unserer Seele. Jeder Mensch hat seine eigene Zeit und seine eigene Art, wie er trauert. Bei jedem Ereignis, ob es Trennung, Umzug, Scheidung, Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust der Gesundheit durch eine chronische Erkrankung, einen Unfall, Verlust der Jugend oder der Verlust eines Partners durch Tod ist, reagieren Körper und Seele. Sie geraten aus dem Gleichgewicht. Die Reaktionen unterscheiden sich darin, wie lange es bis zu einem neuen Gleichgewicht dauert und wie intensiv die Reaktionen selbst sind. Die Trauer über den Verlust eines Partners kann mehrere Jahre dauern. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten in dem, was wir erleben. Ich möchte Ihnen kurz die verschiedenen Phasen vorstellen, die wir auf dem Weg von der Trauer bis zu einem neuen Gleichgewicht durchlaufen – auch wenn Ihnen im Augenblick der Kopf nicht so sehr nach theoretischen Ausführungen steht. Sie können Ihre Gefühle dann besser verstehen und haben weniger Angst vor Ihren Reaktionen und Verhaltensweisen. Sie kommen sich dann nicht so unfähig vor und haben nicht mehr den Eindruck, „verrückt“ zu werden.
Der Tod ist demokratisch. Er kommt zu jedem. Er ist ein unausweichlicher Teil unseres Lebens – auch wenn er uns unfair erscheint.
Die einzelnen Phasen der Trauerverarbeitung
1. Die Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens: Schock und Verleugnung
Diese Phase kann von einigen Stunden bis zu Monaten andauern. Der Betroffene hat die Nachricht des Todes erhalten, kann sie aber gefühlsmäßig noch nicht nachvollziehen. Er ist wie erstarrt, im Schock oder reagiert mit einem Gefühlsausbruch. Er macht Äußerungen wie: „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass er nicht mehr wiederkommt.”
2. Die Phase der aufbrechenden Gefühle
In ihr wechseln sich Gefühle der tiefen Verzweiflung, der Angst und Hilflosigkeit, der Einsamkeit, der Schuld, aber auch der Wut auf sich und den verstorbenen Partner ab. Gleichzeitig geht diese Phase einher mit massiven körperlichen Begleiterscheinungen: mit Appetitverlust oder Freßanfällen, Durchfällen, Verstopfung, Ruhelosigkeit, Schlaflosigkeit, Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen. Diese Phase kann zwei Jahre anhalten, manchmal sogar länger, bis der Betroffene den Tod akzeptieren lernt.
3. Die Phase der langsamen Neuorientierung
In ihr findet sich der Trauernde langsam mit dem Verlust des Verstorbenen ab. Er nimmt alte Aktivitäten wieder auf oder beginnt, seinen Blick auf neue Aktivitäten zu lenken. Er denkt an die schönen, wie auch enttäuschenden Erfahrungen mit dem verstorbenen Partner und empfindet keinen starken Schmerz mehr. Er entwickelt ein neues Selbstwertgefühl.
4. Neues inneres Gleichgewicht
Der Mensch empfindet ein neues seelisches und körperliches Gleichgewicht. Er denkt dankbar, vielleicht auch ein klein wenig traurig an die gemeinsame Vergangenheit mit dem verstorbenen Partner und hat sich ein neues Leben ohne den verstorbenen Partner aufgebaut. Er hat einen neuen Sinn im Leben gefunden. Er hat eine positive Einstellung zu sich, seinen Fähigkeiten und der Zukunft entwickelt.
Die einzelnen Trauerphasen können sich überlappen,