Wenn der Partner geht. Doris Wolf

Wenn der Partner geht - Doris Wolf


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Seite aber noch nicht darangehen, sich mit dem Ende der Partnerschaft zu beschäftigen. Lassen Sie sich noch ein wenig Zeit. Sie können, wann immer Sie wollen, zu mir und meinem Buch zurückkehren. Ich werde auf Sie warten.

      Ich weiß, dass es schmerzt, Abschied zu nehmen, und dass man am liebsten alles ungeschehen machen oder den Kopf in den Sand stecken würde. Die Bewältigung einer Trennung ist wie das Besteigen eines Berges – nur dass Sie sich nicht freiwillig ins Tal gestellt haben. Sie haben nicht freiwillig Ihren Koffer gepackt und sind auf Reisen gegangen. Sie wurden sozusagen „zwangsweise verschickt“. Den Weg durch die Trennungskrise beginnen Sie ganz unten im Tal. Sie entscheiden dann – so hoffe ich, sich aus dem Tal auf den Weg zum Gipfel zu machen. Schritt für Schritt müssen Sie sich nach oben emporarbeiten. Es gibt keine Möglichkeit für Sie, direkt vom Tal zum Gipfel zu gelangen. Für den Aufstieg brauchen Sie Zeit. Der Aufstieg ist beschwerlich. Sie werden Pausen einlegen und Umwege gehen müssen, aber Sie können den Gipfel erreichen.

      Ich werde Sie auf dem Weg zum Gipfel begleiten. Ich kann den Weg nicht für Sie gehen. Ich kann Ihnen Ihre schmerzlichen Gefühle nicht abnehmen. Ich kann Ihnen jedoch dabei helfen, dass Sie sich auf Ihrem Weg zum Gipfel nicht verirren oder gar verschütt gehen.

      Sie werden in diesem Buch Schritt für Schritt erfahren, wie Sie Ihren Schmerz, Ihre Wut, Angst und Schuldgefühle abbauen können. Auch in Ihrer Trennung steckt die Chance, sich weiterzuentwickeln und gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Sie haben die Chance, sich wieder aufzurichten, Ihre seelischen Schmerzen zu lindern und zu gesunden. Sie können verhindern, dass aus Ihrer tiefen Enttäuschung eine chronische Depression oder chronischer Hass auf Ihren Partner oder sogar auf die gesamte Menschheit wird. Sie können die Zeit Ihres Trauerns erheblich verkürzen.

      Ferner erfahren Sie, wie Sie die Trennung ohne fremde Hilfe positiv bewältigen und in Zukunft solche tiefen seelischen Verletzungen weitgehend vermeiden können.

      Ich wünsche Ihnen viel Mut, Kraft und Energie auf dem Weg zu einem neuen Lebensabschnitt.

      Ihre

      Doris Wolf

      Mein Buch richtet sich gleichermaßen an Frauen und Männer. Alle durchlaufen den gleichen Trennungsprozess. Der Einfachheit halber, und weil ich eine Frau bin, spreche ich jedoch im gesamten Buch nur von „dem Partner, der gegangen ist“.

       1 Die vier Phasen der Trennungserfahrung

       du bliebst kurz stehen

       im windfang

       vier augen

       ein blick

       ein ende

       und dann habe ich mein bett

       aus unserem haus getragen und verladen

      Ich weiß nicht, wie lange Ihr Partner sich schon von Ihnen getrennt hat. Ich weiß nicht, ob Sie verheiratet waren oder in einer Lebensgemeinschaft zusammengelebt haben. Ich weiß nicht, ob die Trennung Sie mit oder ohne Kinder, mit oder ohne finanzielle Absicherung, aus heiterem Himmel oder langsam anbahnend traf.

      Gleichgültig, wie lange und unter welchen Lebensumständen Sie verlassen wurden, nach einer Trennung sind Gefühle der Verzweiflung, der Wut, des Hasses, der Angst und der Schuld ganz normal. Auch die Trennung vom Partner durch den Tod führt zu diesen negativen Gefühlen. Sie reihen sich nun ein in eine große Gruppe von Menschen, die jetzt auch diese Gefühle verspüren. Mit dem Eingehen einer Partnerschaft geht jeder auch das Risiko ein, bei der Trennung diese negativen Gefühle mehr oder weniger stark zu erfahren. Ja, jeder Mensch, der sich emotional an einen anderen Menschen, ein Tier oder einen Gegenstand bindet, wird all diese unangenehmen Gefühle erleben, wenn er sich aufgrund irgendwelcher Umstände von ihnen trennen muss.

      Jeder Mensch, der sich in einer Trennungssituation befindet – zur Zeit kommt auf zwei Ehen eine Scheidung in Deutschland – durchläuft einen Prozess, den ich in vier Phasen einteile: Die Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens (1), die Phase der Aufbrechenden Gefühle (II), die Phase der Neuorientierung (III) und die Phase des Neuen Lebenskonzeptes (IV).

      Die vier Phasen sind nicht eindeutig voneinander getrennt. Sie können sich überlappen, zusammenfallen und sich miteinander vermischen. Besonders innerhalb der ersten beiden Phasen kommt es häufig zu Überschneidungen. Die Phasen der Trennungsverarbeitung verlaufen zudem nicht kontinuierlich. Es wird Fortschritte und Rückschritte geben. Auch wenn Sie schon in einer fortgeschrittenen Phase sind, können Sie hin und wieder zurückfallen. Meist ist der Rückfall jedoch erheblich kürzer und von weniger intensiven Gefühlen begleitet.

      Jede dieser Phasen ist für Sie notwendig und sinnvoll – auch wenn Sie am liebsten bei Phase IV anfangen würden. Jede bietet Ihnen Möglichkeiten, neue Seiten von sich kennenzulernen und das Gefühl der Stärke zu entwickeln, diese Phase zu bewältigen.

      Höre ich Sie fragen, was Sie jetzt in Ihrem Zustand mit all dieser Theorie anfangen sollen? Ich weiß, Ihnen steht wahrscheinlich im Augenblick der Kopf nicht nach dem theoretischen Wissen, welche seelischen Phasen man nach einer Trennung durchläuft. Ihnen genügt es, zu erleben, wie elend es Ihnen gerade zu Mute ist. Bitte, bleiben Sie trotzdem in Ihren Gedanken bei mir. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass das Wissen über die verschiedenen Phasen Ihnen helfen kann, Ihre Gefühle besser zu verstehen und zu akzeptieren. Sie werden sich Ihren Gefühlen gegenüber nicht mehr so hilflos und ausgeliefert fühlen. Sie werden nicht mehr den Eindruck von sich haben, absolut gestört oder gar verrückt zu sein. Wenn Sie Ihre Gefühle und Gedanken besser verstehen, dann sind Sie auch in der Lage, diese zum Positiven zu verändern.

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       Die vier Phasen der Trennungserfahrung

       Phase I: Nicht-Wahrhaben-Wollen

      Diese Phase ist gekennzeichnet durch Verleugnung und Ignorieren der endgültigen Trennung. Sie spielen das Spiel Gib mir noch einmal eine Chance. Ich werde alles anders machen. Wenn Ihr Partner ausgezogen ist, suchen Sie nach Gründen, wieder Kontakt mit ihm aufzunehmen. Sie fahren ihm nach oder inszenieren ein „zufälliges Treffen“. Wenn Sie noch mit ihm zusammenleben, beobachten Sie beständig, ob er beispielsweise an einem Tag freundlicher zu Ihnen ist oder sogar noch einmal mit Ihnen schlafen möchte. Sie bemühen sich darum, besonders attraktiv und nett zu Ihrem Partner zu sein. Sie weigern sich, die Wohnung zu verändern und Ihren Freunden mitzuteilen, dass Ihr Partner sich von Ihnen getrennt hat. Sie tragen den Ehering noch am Finger und erzählen Bekannten, dass Ihr Partner auf einer großen Reise ist. Täglich warten Sie auf eine Nachricht von ihm oder auf seine Rückkehr. Sie leben in der Hoffnung, alles sei nur ein böser Traum.

      Im Wechsel mit der Hoffnung treten Verzweiflung, manchmal auch Wut auf den Partner und Wut auf sich selbst auf. Und damit wären wir in der Phase II.

       Phase II: Aufbrechende Gefühle

      Die Phase II ist durch starke Stimmungsschwankungen und Orientierungslosigkeit gekennzeichnet. Sie kennen sich selbst nicht mehr. Sie sind verzweifelt, fühlen sich hilflos und sehen keine Möglichkeit, jemals wieder glücklich zu werden. In Gedanken gehen Sie immer wieder all die schönen Erlebnisse durch, die Sie mit Ihrem Partner geteilt haben. Sie denken: „Nie wieder werde ich das … erleben.“ Sie geben sich die Schuld für das Auseinanderbrechen der Partnerschaft: „Hätte ich nur noch mehr für die Partner schaft getan.“, oder „Ich hätte öfters ihm zuliebe das … und das … tun sollen.“ Sie werden von starken Selbstzweifeln geplagt und machen sich in Gedanken eine Negativliste über Ihre Person: „Ich bin zu dick, unfähig im Bett, kein guter Partner, dumm, unattraktiv etc.“ Immer wieder kommt in Ihnen ein Angstgefühl hoch. Sie haben Angst davor, Ihr Leben nicht alleine meistern zu können. Schon die alltäglichsten


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