Wenn der Partner geht. Doris Wolf
auch wenn sie den Ablösungsprozess noch nicht vollständig durchlaufen haben.
5. Die Umstände der Trennung
Kam die Trennung unerwartet aus heiterem Himmel oder hat sie sich durch zahlreiche Androhungen und auch häufige Konflikte angekündigt? Trennte sich der Partner, weil ein neuer Partner im Spiel war? Führt die Trennung auch zu dem Verlust einer finanziellen Absicherung, der Wohnung, der Kinder, des Arbeitsplatzes, des gesellschaftlichen Status? Ist der Verlassene berufstätig oder kann er zumindest auf eine Berufsausbildung zurückgreifen? Gibt es einen stabilen stützenden Freundeskreis? Gibt es einen langen Weg durch die Gerichtsinstanzen, bis es zu einer Scheidung kommt?
Was gibt es an Hilfsangeboten?
In diesem Buch werden Sie Hilfestellungen finden, wie Sie die einzelnen Phasen durchleben können, ohne darin steckenzubleiben. Sie können auch in Ihrem örtlichen Branchenverzeichnis unter der Rubrik „Psychologen“ und „Psychotherapie“ nachschlagen. In jeder größeren Stadt gibt es auch Beratungsstellen wie die Pro Familia oder Ehe- und Familienberatungsstellen, die Ihnen weiterhelfen können.
Hilfe durch einen Fachmann zu suchen ist keine Schande. Es zeigt, dass Sie sich und Ihr seelisches Wohlbefinden wichtig nehmen. Sie sind weder „unfähig“ noch „verrückt“, wenn Sie Unterstützung von außen suchen. Wirklich „verrückte“ Menschen gehen nicht zum Therapeuten, denn Sie glauben nicht, dass Sie Hilfe benötigen. Wenn Sie der einzige Mensch wären, der Unterstützung bei der Lösung seiner Probleme suchen würde, könnte keine Beratungsstelle und kein einzelner Therapeut davon leben.
Nutzen Sie die Chance, sich helfen zu lassen, wenn Sie den Eindruck haben, dadurch leichter mit der Trennung fertigwerden zu können. Alarmzeichen: Wann Sie unbedingt einen Therapeuten aufsuchen sollten:
•Wenn Sie sich täglich damit beschäftigen, sich das Leben zu nehmen und sich schon einen genauen Plan hierzu ausdenken.
•Wenn Sie aus Ihrem Schmerz herauskommen möchten, aber keinen Weg hierzu finden.
•Wenn Sie Ihren Körper, die Ernährung und Hygiene vernachlässigen, weil Sie denken, es sei eh alles sinnlos.
•Wenn Sie länger als vier Wochen Beruhigungs- und Schlafmittel nehmen, täglich oder exzessiv Alkohol trinken, zu viel oder zu wenig essen.
•Wenn Sie sich gerne mit einer neutralen Person aussprechen möchten, aber niemanden haben, dem Sie offen und auch immer wieder über Ihre Gefühle erzählen können.
•Wenn Sie bemerken, dass Sie eine direktere persönliche Beratung durch einen Therapeuten benötigen, dann können Sie bei Ihrer Krankenkasse nach einer Liste von verhaltenstherapeutischen Psychotherapeuten fragen.
Was ich Ihnen in diesem Buch mitgeben möchte
Ich möchte Sie gerne in diesen vier wichtigen Phasen Ihres Lebens begleiten. Sie werden in diesem Buch die Erfahrungen finden, die ich durch meine Trennung und durch therapeutische Gespräche mit den Klienten in meiner Praxis gesammelt habe. Ich werde Ihnen all die Hilfestellungen geben, die ich meinen Klienten auch gebe.
Viele dieser Hilfestellungen stoßen bei Ihnen zunächst vielleicht auf Widerstand. Sie mögen einwenden: „Die hat leicht reden.“, „Bei mir geht das nicht so einfach.“, „So schlimm wie bei mir war es bei ihr bestimmt nicht.“, „Ich kann das nicht machen, was sie so einfach empfiehlt.“, „Ich bin zu schwach.“. Diese Reaktion ist normal und menschlich. Aber ich weiß auch, dass Sie schneller aus Ihrer Krise herauskommen werden, wenn Sie diese Hilfestellungen auf sich anwenden. Und das ist doch Ihr Wunsch, oder?
Ich möchte Ihnen Ihre Gefühle nicht wegnehmen oder sie abtun. Sie sind der einzige Mensch, der spürt, was in Ihnen alles an Gefühlsstürmen tobt. Niemand kann sich ganz genau in Sie hineinversetzen und nachempfinden, wie es Ihnen jetzt im Augenblick geht – auch kein Therapeut. Niemand hat haargenau dieselben Gefühle empfunden wie Sie jetzt im Augenblick. Ich kann Ihnen nur von meinen Gefühlen nach der Trennung erzählen und darüber, was Menschen in gleicher Situation mir während der Therapie offenbaren. Wenn ich Ihre Stimmung also an bestimmten Stellen in meinem Buch nicht ganz genau treffe, bitte ich Sie, mich zu entschuldigen.
Wo auch immer Sie im Augenblick stehen, kann ich Ihnen jedoch versichern, dass Sie nicht hilflos sind. Ihr Partner hat entschieden, sich von Ihnen zu trennen. Das ist sein Recht. Aber er hat keine Möglichkeit, über Ihre Gefühle zu bestimmen, wenn Sie es nicht wollen. Das ist Ihre Freiheit und gleichzeitig Ihre Chance.
Nur weil Sie diese Freiheit haben, können Sie jetzt sofort Ihre Bergbesteigung beginnen und wieder Selbstvertrauen, Lebensfreude und innere Harmonie gewinnen. Ja, Sie können sogar noch weit über Ihre jemals erlebten positiven Gefühle hinausgelangen – auch wenn Sie es sich im Augenblick nicht vorstellen können oder schon mit weniger zufrieden wären.
Wie Sie am besten mit diesem Buch arbeiten
Lassen Sie sich Zeit bei der Durcharbeitung des Buches. Ich habe dieses Buch so aufgebaut, dass ich Sie von Phase I bis IV begleiten kann. Arbeiten Sie sich von Kapitel zu Kapitel vor. Lesen Sie zunächst jedes Kapitel einmal durch, um sich einen Überblick zu verschaffen. Dann wählen Sie sich aus dem betreffenden Kapitel die Abschnitte aus, die Sie im Augenblick besonders betreffen. Führen Sie die dazugehörigen Übungen sehr sorgfältig aus. Gehen Sie erst zur nächstfolgenden Phase über, wenn Sie auch gefühlsmäßig hinter den Übungen stehen. Damit Sie besser einschätzen können, wo Sie im Augenblick stehen, werde ich Ihnen am Anfang der Kapitel häufig einen kurzen Fragebogen vorlegen. Üben Sie, mit sich geduldig zu sein – so wie Sie wahrscheinlich auch mit Ihrer besten Freundin in solch einer Krisensituation umgehen würden.
Das Tagebuch
Führen Sie für die Zeit Ihres Heilungsprozesses ein Tagebuch, dem Sie täglich oder wöchentlich Ihre Gedanken und Gefühle anvertrauen. Ihm können Sie alles offenbaren, Ihre Klagen wiederholen, ohne sich damit zu beschäftigen, was andere über Sie denken werden, wenn Sie dasselbe zum hundertsten Mal ausdrücken. Es steht Tag und Nacht für Sie zur Verfügung. Nutzen Sie dieses Tagebuch auch dafür, die Übungen, die ich Ihnen vorschlage, einzutragen.
Schriftliche Aufzeichnungen werden Ihnen helfen, sich über Ihre Gedanken und Gefühle bewusstzuwerden. Sie werden auch etwas Ordnung in Ihr Gefühlswirrwarr bringen. Später wird es Ihnen vielleicht auch Freude bereiten, Ihr persönliches Wachstum anhand Ihrer Aufzeichnungen noch einmal nachzuvollziehen. Sie werden dann deutlich erkennen, wie weit Sie sich von Ihrem momentanen Fühlen und Denken entfernt haben. Manche Menschen können später gar nicht mehr verstehen, „wie sie jemals so … fühlen und denken konnten“.
2 Die Macht unserer Gedanken
Ehe wir uns die vier Phasen der Trennungsbewältigung zusammen ausführlicher anschauen und uns an den Aufstieg zum Gipfel machen, möchte ich Ihnen erklären, wie Ihre Gefühle entstehen.
Gerade in einer Trennungssituation bekommen wir den Eindruck, der Partner habe uns in dieses tiefe Unglück gestürzt und uns all unseren Schmerz zugefügt. Wir fühlen uns dem Partner ausgeliefert und denken, nur wenn er zurückkommt, wieder glücklich sein zu können. Oder anders ausgedrückt, glauben wir, nie mehr froh sein zu können, wenn er nicht mehr zurückkommt.
Mit der Erwartung, der Partner mache uns glücklich bis an unser Lebensende, haben wir die Partnerschaft angetreten. Und jetzt stehen wir vor den Scherben der Partnerschaft. Der Partner ist gegangen und wir fühlen uns unglücklich. Ist das nicht logisch und natürlich? Müssen wir da nicht für immer traurig sein?
„Nein, wir müssen nicht für immer und ewig traurig sein – auch wenn wir