Der Assistent 1 | Erotischer Roman. Jones Susan Morrow
Seine Augen haben sich bereits fest in ihr Hirn eingebrannt, sie braucht das Foto nicht mehr, das ihm nicht gerecht wird, das beinahe beschämend unvorteilhaft erscheint. Es ist schwierig, Emotionen und Persönlichkeit auf einem Bild wiederzugeben, denkt sie, auf einem Passfoto ist es nahezu unmöglich.
Sie ruft Stacy an und erzählt von dem neuen Assistenten. Sie freut sich, meint, vielleicht könne Rebecca demnächst auch mal etwas kürzer treten mit der Arbeit und endlich Zeit finden, sich einen Mann zu suchen. Schnauben. Einen Mann finden ...
Womöglich einen Ehemann, der sie schwängern will, sodass sie sich von der selbstbewussten Frau, die sie in den letzten Jahren endlich geworden ist, in das demütige Hausmütterchen verwandelt, das er sich insgeheim wünscht – so, wie alle Männer. Das unscheinbare Mädchen, seiner Mutter gleich, das er auf einen Sockel stellen kann, das für ihn da ist, sich kümmert, während er sich spät abends mit der heißblütigen Hure vergnügt. So ist es doch, denkt sie, so wird es ihnen allen gehen! Die Mutter in der Küche, die Hure im Bett, das ist es, was die Männer suchen und meistens auch finden.
Sie schüttelt sich bei dem Gedanken und widmet sich dem Projektplan, den sie gerade am Laptop geöffnet hat. Arbeit. Mit einem beruhigenden Gefühl versinkt sie in den Tiefen der Planung, des Projektes, sieht das Ergebnis schon vor ihrem inneren Auge, schmeckt den kommenden Erfolg auf der Zunge, der sie stolz machen wird, der ihre Eltern stolz machen wird und sie damit endlich ankommen lässt.
Am Abend kommt sie spät heim, in die leere, kühl eingerichtete Wohnung, macht es sich auf dem Sofa mit einem Glas Wein und einem Buch bequem. Ein Frauenroman, von Stacy. Lustig sei der, hat die Freundin gesagt, und sie hatte recht. Es liest sich leicht und locker, eine fröhlich plaudernde Erzählung von falschen Männern, richtigen Schuhen und lästernden Freundinnen. Für eine Stunde taucht sie ein in die Welt der Frauen, der normalen Frauen, die sich ihrer körperlichen Unterlegenheit bewusst sind und diese mit jeder Pore ihres Körpers leben.
Dann geht sie schlafen, hitzig und aufgewühlt. Das Schlafzimmer ist warm trotz der Klimaanlage, deren Temperatur sie kurzentschlossen weiter reduziert, bis sie die Bettdecke eng um sich schlagen muss, um nicht zu frösteln. Karriere, denkt sie lächelnd, bevor sie endlich einschläft, vom Wein beseelt und beruhigt, der sie müde macht und ihr hilft, die Gedanken auszuschalten.
Kapitel 5
»Guten Morgen!«
Sie bleibt wie angewurzelt in der Tür stehen. Da sitzt er, auf einem der kleinen Cocktailsessel. Laptop, Handy und Notizbuch auf dem kleinen Tisch. Es ist viertel nach acht, sie hat noch nicht einmal ihren morgendlichen Kaffee gehabt. »Hallo«, grüßt sie verdutzt und nicht ganz so freundlich, wie es sich vielleicht eigentlich gehört hätte. »Ich hatte nicht erwartet, dass Sie schon in meinem Büro sitzen.« Sie betont das Wort »meinem« übermäßig stark.
Er lacht ein ansteckendes Lachen. Kein Wort der Entschuldigung oder Erklärung. Wie selbstverständlich sitzt er da, als hätte er nie etwas anderes getan, wie ein Teil der spärlichen Deko in ihrem Büro.
Sie schluckt. Die Anziehungskraft, die seine körperliche Attraktivität auf sie ausübt, kann sie nicht negieren, und gleichzeitig irritiert sie seine Forschheit, seine Selbstverständlichkeit. Respektsperson, denkt sie, die bin doch ich. Sie habe eine natürliche Autorität, hat der Vorgesetzte ihr bescheinigt, als sie endlich befördert wurde, und ein womöglich angeborenes Führungstalent. Nun habe sie die Chance zu beweisen, dass sie auch die Männer, die nur an ihresgleichen gewöhnt sind und noch keine Frau als Vorgesetzte kennengelernt haben, leiten und lenken kann. Und sie ist gut darin, das weiß sie, manchmal steht sie abends vor dem Spiegel und übt Blicke, Gesten, die Respekt einflössen können und doch ihre weibliche Weichheit nicht verbergen, tief in ihr.
»Ich habe gehört, dass hier im Unternehmen alle Du zueinander sagen«, fährt er fort und geht einige Schritte auf sie zu.
Sie schließt die Tür hinter sich.
»Ich bin Marc«, sagt er und hält ihr seine schlanke rechte Hand hin.
Sie ergreift sie. »Rebecca«, erwidert sie und wundert sich über ihre brechende Stimme. Was ist denn los heute Morgen? Und hätte sie nicht sie diejenige sein müssen, die das kollegiale Du anbietet?
»Was kann ich für dich tun?« Mit einem feinen Lächeln, das Grübchen in seinem Kinn vertieft sich auf eine frivole Art, wenn er lächelt, stellt er diese Frage, als sei sie die naheliegendste Frage der Welt, wie die Frage nach dem Wetter, nach dem Befinden.
»Mal langsam!« Sie lacht. »Am besten, du kümmerst dich erst einmal um deinen Arbeitsplatz. Natalie wird dir dabei helfen. Du brauchst einen Zugang zum Firmennetz, einen Schreibtisch – du kannst vorn bei Natalie sitzen«, fügt sie etwas schärfer als geplant hinzu und beobachtet seine Reaktion, die ausbleibt. »Richte dich erst einmal hier ein und lerne das Unternehmen kennen. Alles andere kommt früh genug.«
»Okay«, antwortet er kurz mit ruhiger Stimme. »Meine Forderungen bezüglich Gehalt und Arbeitszeit liegen auf deinem Schreibtisch.« Dann geht er hinaus.
Verdattert steht sie mitten im Raum und fragt sich, was da eigentlich gerade geschieht. Forderungen? Auf ihrem Schreibtisch liegt ein Briefumschlag. Darin findet sie ein DINA4-Blatt, mit Computer beschriftet. Die Gehaltsforderung ist moderat, stellt sie schmunzelnd fest. Bei den Arbeitszeiten schwebt ihm vor, mindestens acht Stunden Freizeit am Tag zu haben, darüber hinaus sei er verfügbar, auch am Wochenende. Er werde täglich um acht Uhr im Büro sein und erwarte, dass sie ebenso pünktlich ist wie er, damit er nicht untätig herumsitzen muss. Na, das fängt ja gut an! Was Natalie wohl dazu sagen würde? Sie traut sich seit zwei Jahren nicht einmal, nach einer Gehaltserhöhung zu fragen, und er stellt an seinem ersten Arbeitstag »Forderungen«. Rebecca stößt die Luft durch die Nase aus und bemerkt, dass sie die Luft angehalten haben muss, als sie seinen Brief las.
Die Sekretärin steht schon in der Tür, frisch und strahlend wie immer, mit dem kleinen silbernen Tablett in der Hand. »Den Kaffee hat Marc gekocht«, sagt sie bedeutungsschwanger. »Nicht, dass ich hier noch arbeitslos werde … Da hast du dir ja eine echte Perle ausgesucht.«
Rebecca lächelt. »Das wird sich noch zeigen«, murmelt sie und nimmt auf ihrem bequemen Drehstuhl Platz, um den Laptop einzuschalten.s
Das neue Projekt wird irrsinnig groß. Eine hohe Verantwortung, ein Budget von einhundertfünfzig Millionen Dollar. Das ist ihr Baby. Sie hatte die Idee dazu, und nun soll sie es tatsächlich durchführen. Die offizielle E-Mail vom Vorstand prangt noch geöffnet auf ihrem Bildschirm. Mit zitternden Fingern liest sie die Mail immer und immer wieder, während sie den heißen Kaffee trinkt. Das wird ihr eine hervorragende Reputation bringen, weit über das Unternehmen hinaus. Es muss ein Erfolg werden, das ist so wichtig wie nichts sonst im Moment. Sie schließt die Augen und sieht sich als gefeierte Managerin, der Vorstandsvorsitzende überreicht ihr eine Urkunde und teilt vor versammelter Mannschaft mit, dass sie, Rebecca Moon, endlich wohlverdient in den Vorstand des Unternehmens berufen wurde. Als erste Frau in der Geschichte des Unternehmens, als jüngstes Vorstandsmitglied aller Zeiten. Die Presse macht Fotos von ihr, alle rufen ihren Namen, wollen ein Interview.
»Rebecca, wie schafft man es als Frau in einem solchen Großunternehmen die männliche Konkurrenz hinter sich zu lassen?«
»Ach, das ist kein Geheimnis – Fachkompetenz, viel Fleiß und Disziplin, dann schafft man es auch als Frau.«
»Rebecca, werden Sie im Vorstand einiges verändern?«
»Oh ja, ich werde tun, was in meiner Macht steht, um dieses Unternehmen noch erfolgreicher zu machen als es jetzt schon ist. Ich habe viele Ideen und werde diese natürlich auch im Vorstand einbringen …«
»Träumst du?« Die dunkle, ungewohnte Stimme reißt sie aus ihren Interviewfantasien.
Unwirsch öffnet sie die Augen. »Hast du geklopft?«, fragt sie den Mann mit den fast schwarzen Augen stirnrunzelnd, der direkt vor ihrem Schreibtisch steht. Warum hat sie ihn nicht reinkommen hören?
»Nein«, sagt er kurz und lächelt.
Irritiert zwinkert sie nach oben.
»Brauchst