Der Assistent 1 | Erotischer Roman. Jones Susan Morrow
spürt sie, dass ihr Mund offensteht, dämlich, wie ein kleines Schaf, das die Zitze der Mutter sucht. Sie ärgert sich über ihre Reaktion. »Woher weißt du ...?«
»Natalie«, sagt er kurz.
Rebecca nickt verstehend. Natürlich, ihre Sekretärin war ja alles andere als ein stilles Wasser, es würde nicht viel geben, was er nicht bereits am Ende der Woche wisse, das war ihr klar.
»Ich sage dir, wenn ich etwas für dich zu tun habe«, erwidert sie. »Jetzt muss ich mich erst einmal um meine E-Mails kümmern.«
Er nickt und geht geräuschlos, mit geraden und aufrechten Schritten, aus dem Raum.
Rebecca seufzt. Einerseits ist es ja schön, einen neuen Mitarbeiter zu haben, der so voller Energie zu sein scheint, dass er sofort durchstarten möchte. Andererseits spürt sie das Verlangen, seinen Eifer zu bremsen. Er erscheint ihr bedrohlich, beängstigend. Warum nur? Normalerweise liebt sie eifrige und fleißige Menschen. Schließlich ist sie selbst eine von ihnen, von Ehrgeiz getrieben, die Gedanken stets auf das Wesentliche fokussiert, schnell und gründlich in ihrer Arbeitsweise, sie kann Prioritäten setzen und trotzdem nichts liegenlassen. Bisher hat sie das immer alles geschafft. Aber irgendetwas an seiner Art ist ihr nicht geheuer, und sie hofft, mit ihrer Wahl eines Assistenten keinen Fehler begangen zu haben ...
Jetzt ist keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie ruft ihre drei wichtigsten Abteilungsleiter an und trommelt sie zu einem Meeting in ihrem Büro zusammen. Erste Vorbesprechung bezüglich des neuen Projektes. Marc soll dazukommen, damit die Kollegen ihn gleich kennenlernen. Während des Termins sitzt er stumm da, den Laptop auf dem Schoß in dem kleinen Cocktailsessel, und protokolliert eifrig mit, was Rebecca mit den Kollegen bespricht. Kein Wort sagt er während des gesamten Meetings, er sieht sie nicht einmal an. Sie ist etwas enttäuscht. Schließlich demonstriert sie hier gerade ihre ganze Macht. Da sitzen gestandene Männer mittleren bis gehobenen Alters, die ihr unterstehen und die andächtig an ihren vollen Lippen kleben, da wäre mindestens etwas Bewunderung oder stummer Beifall aus den schwarzen Augen fällig gewesen. Als der älteste der Abteilungsleiter ausholt und die Planung seiner Abteilung zum Projekt erklärt, schweifen ihre Gedanken ab. Ihre Augen bleiben an dem Grübchen an Marcs Kinn hängen. Zu lange schon ist es her, dass sie ein solches Grübchen angefasst, geküsst hatte. Zu lange schon ist es her, dass so starke, drahtige Arme sie umfasst hatten. Viel zu lange ist es her, dass sie in den sinnlichen, vollen Lippen eines attraktiven Mannes gefangen war, dass sie sich ihm hingegeben hat.
Sie denkt an Luke, ihren letzten Freund. Sie hatten zusammen studiert, einige Jahre lang. Ihre Eltern waren glücklich, Luke studierte auch Chemie und hatte für den Geschmack ihrer Eltern eine rosige Zukunft vor sich. Sie konnten den Tag nicht erwarten, an dem ihre Tochter ihnen verkünden würde, dass sie heiraten wollen. Zwar waren sie stolz auf das, was ihre Tochter erreicht hatte, aber trotzdem würden sie sich freuen, wenn sie eine Familie gründete. Den Gefallen tat sie ihnen nicht. Ein Jahr nach dem Studium war Luke noch immer arbeitslos und saß deprimiert zu Hause oder hangelte sich von einem unbezahlten Praktikum zum nächsten. Sie war gerade von der Praktikantin zur Marketingassistentin ernannt worden und verdiente ihr erstes richtiges Gehalt. Und hatte Blut geleckt.
Schon früh hatte sie die Strukturen in dem alteingesessenen Unternehmen verstanden und hatte begriffen, wie man hier am einfachsten nach oben rücken könnte. Sie arbeitete zehn Stunden am Tag und saß auch am Wochenende zu Hause am Computer, um im Internet zu recherchieren oder Kalkulationen zu berechnen. Sie kaufte sich teure Kostüme und teure Schuhe von ihrem Geld und verbrachte die wenige Freizeit am liebsten mit Kollegen und natürlich Vorgesetzten. Luke wurde immer deprimierter, sodass sie ihn irgendwann nicht mehr ertragen konnte, seine Erfolglosigkeit und seine Untätigkeit machten sie krank. Als sie sich von ihm trennte, beging er einen erfolglosen Selbstmordversuch. Das tat ihr weh, das hatte sie nicht gewollt und auch nicht erwartet. Sie räumte ihm eine zweite Chance ein, bestand aber darauf, dass er sich einen Job suchen müsse. Das tat er, nach einigen Wochen waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt. Luke blühte auf. Auch er ging in seiner Arbeit auf, arbeitete bis zu zwölf Stunden täglich und war auch am Wochenende häufig im Büro. Sie war glücklich und zufrieden. Beide hatten große Pläne und hehre Ziele. Sie passten gut zueinander, sie waren ein echtes Powerpaar geworden. Ihr letzter gemeinsamer Urlaub führte sie in die Karibik, eine Kreuzfahrt. Drei Wochen lang Sonne, Sex und lauwarmes, strahlend blaues Wasser. Sie fühlte sich wie im Paradies und glaubte endlich zu wissen, wofür sie sich die Strapazen der vielen Arbeit antat. Sie lebten wie Könige. Drei Wochen lang waren sie glücklich, und Luke unkte, das sei fast wie vorgezogene Flitterwochen.
Das Wort ließ ihren Magen verkrampfen, Flitterwochen. Heiraten, Kinder kriegen, Karriere beenden, mit anderen Müttern über Blähungen, Backenzähne und Masern plaudern, mit Thermoskanne und Kaffee auf Spielplätzen sitzen und abends dem Mann aufgeregt erzählen, dass das Kind allein auf das Klettergerüst gekrabbelt ist. Mehr hatte man ja nicht zu berichten als Hausfrau und Mutter. Sie stellte sich vor, wie sie seine Wäsche wusch, seine Hemden bügelte, wie er abends beim gemeinsamen Abendessen mit den Kindern stolz vom Büro erzählte, dass er befördert worden sei und sie bald wieder so viel Geld hätten wie damals, als sie noch beide gearbeitet hatten. Seltsamerweise fand sie die Gedanken gar nicht so schlimm, wie sie befürchtet hatte. Warum nicht? Und sie könnte ja trotzdem arbeiten gehen, moderne Frauen machten das doch auch. Sie war stark und voller Kraft, jung. Sie würde es schaffen können, Familie und Karriere, Doppelbelastung, das würde sie endgültig fordern und sie würde allen beweisen können, was in ihr steckte.
Am letzten Abend tranken sie viele Cocktails an der Bar, bevor sie in die Schiffskabine gingen. Die war groß, mit eigenem Bad und einem großen Bett. Im Rhythmus des sanft vor sich hinschwebenden Schiffes liebten sie sich. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge und seufzte, als er in ihr kam.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie selig.
»Ich liebe dich auch, Susan«, flüsterte er zurück.
Zu Hause hatte sie rotgeweinte Augen und packte einen Großteil ihrer Kleidung in einen großen Koffer. Luke saß stumm auf dem gemeinsamen großen Bett und sah sie mit seinem Dackelblick an. Sie meldete sich krank im Büro und fuhr zu ihren Eltern aufs Land. Die trösteten sie. Eine Woche lang lag sie in ihrem alten Jugendbett in ihrem alten Jugendzimmer, weinte sich die Augen aus und ließ sich Tee und heiße Milch mit Honig von ihrer Mutter bringen. Dann rappelte sie sich wieder auf und kehrte nach Seattle zurück, zog kurzzeitig bei Stacy ein und suchte sich eine eigene Wohnung, ihre Wohnung, das Penthouse mit den vielen, großen Fenstern, das sie mit eleganten Möbeln einrichtete. Die Demonstration ihres Erfolges, sichtbar für alle, die ihr Domizil je betreten würden.
Ein Jahr später hatte sie sich bereits zur Abteilungsleiterin hochgearbeitet, Luke war verheiratet mit der schwangeren Susan, einer Arbeitskollegin. Rebecca weinte nicht mehr, nicht um ihn und auch um sonst keinen. Danach war niemand mehr wirklich in ihr Leben gekommen, einige belanglose Affären, lust- und sinnlose Männer, die ihr für einen kurzen Moment zeigten, dass sie sie begehrten, bis sie wieder vergessen konnte, dass sie dieses Gefühl brauchte, dass sie sich danach sehnte, starke Arme um sich zu fühlen und das Begehren in den Augen funkeln zu sehen, das ihr sagte, wie schön sie war, wie erregend, wie anziehend.
Sie seufzt leise.
»Rebecca? Was hältst du davon?«
Sie blickt auf. »Hm?«
Der ältere Abteilungsleiter sieht sie beifallheischend an.
Sie schaut auf ihren leeren Notizblock und murmelt: »Ja, da müssen wir dann nochmal im Detail drüber reden.«
Der Abteilungsleiter sieht enttäuscht aus. Als sie aufblickt, sieht sie in Marcs grinsendes Gesicht, das Grübchen tief und zitternd, und wird rot.
Kapitel 6
Was andere Frauen am Einkaufen schön oder gar entspannend finden, hat sie noch nie verstanden. Für sie ist das eine lästige und zeitraubende Angelegenheit, Zeitverschwendung, unproduktive Freizeit, die sie so viel besser nutzen kann. Aber ab und zu braucht sie eben auch etwas Neues zum Anziehen. Sie hat eine feste Anlaufstelle, eine kleine, teure Boutique. Dort kauft sie alles, was sie braucht: Kostüme, Hosenanzüge, teure Schuhe, Handtaschen.