Liebesglück unter italienischer Sonne - Un Amore Italiano. Liza Moriani
unterbrach sie. „Lass uns beim Du bleiben. Wir haben ja schon so etwas wie eine gemeinsame Vergangenheit“, lachte er, „da wäre das Sie doch sehr unpersönlich.“ Er strahlte Petra an und die konnte diesem Strahlen tatsächlich nicht widerstehen.
„Ich bin dabei“, sagte sie. „Ich hole noch meine Sachen von oben, dann können wir meinetwegen los.“
***
Fünf Minuten später stand Petra zur Abfahrt bereit vor dem Hoteleingang, als ein kleines rotes Cabrio direkt vor ihr hielt. Fast hätte sie Matteo nicht erkannt, denn er trug eine Sonnenbrille und überhaupt sah er in diesem Wagen fast wie ein perfekter italienischer Gigolo aus.
„Auch das noch“, dachte Petra bei sich. „Ob es tatsächlich so eine gute Idee ist, mit ihm diesen Ausflug zu machen?“
Irgendwie hatte sie plötzlich das Gefühl, dass Matteo nicht das erste Mal eine Frau auf diese Art und Weise „aufgegabelt“ hatte. „Sei’s drum“, fügte sie in Gedanken hinzu. „Wenn es mir nicht gefällt, steige ich unterwegs einfach aus und fahre mit Bus oder Bahn zurück zum Hotel.“ Geld hatte sie genug dabei, ein Handy auch. Was sollte also passieren?
So hatte Petra inzwischen auf dem Beifahrersitz Platz genommen und sich angeschnallt.
Matteo lächelte sie an. „Bereit für den Tag?“, fragte er. Und als Petra ihm zunickte, gab er Gas und sagte: „Ich zeige dir heute zwei oder drei Orte, die ich hier am Comer See ganz besonders liebe.“
Zunächst ging es auf die Fähre Richtung Bellagio, dieses Mal aber mit dem Auto. „Dann müssen wir nicht den ganzen Teil des unteren linken Seearms umfahren und haben mehr Zeit für die wirklich sehenswerten Orte“, erklärte Matteo bei der kurzen Überfahrt.
In Bellagio angekommen ging es von der Fähre Richtung Süden. Petra konnte auf den Ortstafeln Namen wie Vergonese oder Casate lesen. Die schmale Seestraße führte durch die kleinen Ortskerne und es ging durch die recht verwinkelten Gassen teilweise nur sehr langsam voran.
Petra genoss es, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Sie war trotz ihrer 35 Jahre tatsächlich noch niemals Cabrio gefahren. Und als hätte Matteo dies geahnt, hatte er ihr in Bellagio, nachdem sie von der Fähre gerollt waren, ein Kopftuch in die Hand gegeben.
„Für deine schönen braunen Haare“, hatte er gesagt. „Damit sie dir beim Fahren nicht in die Augen wehen.“
Petra hatte sich für diese nette Geste bedankt und das Kopftuch ein wenig umständlich umgebunden, denn auch das tat sie an diesem Tag zum ersten Mal. Wann trug man auch sonst noch Kopftücher? Ja, sie besaß ein solches nicht einmal.
Nun aber fühlte sie sich in diesem tollen italienischen roten Cabrio schon fast wie eine dieser amerikanischen Filmdiven, die mit ihren Filmpartnern stets in solch auffälligen Autos an der französischen oder italienischen Riviera herumkurvten. Matteo hatte seiner Beifahrerin nämlich stolz erklärt, dass es sich bei seinem Gefährt um ein Alfa Romeo Spider Cabrio aus dem Jahr 1988 handelte, das drauf und dran war, sich zu einem echten Oldtimer zu entwickeln.
„Darf ich dir etwas verraten?“, fragte Petra, nachdem sie eine Weile schweigend gefahren waren.
Matteo nickte.
„Ich fühle mich gerade ein bisschen wie Grace Kelly in Über den Dächern von Nizza.“
Petra musste lachen, als Matteo antwortete: „Oh ja, und ich bin Cary Grant. Das wäre doch mal was.“
Was für ein Tag, was für ein Erlebnis, Petra fühlte sich frei und ungebunden. Sollte der Neuanfang tatsächlich hier an diesem See gelingen?
Doch ein wenig rumorte da auch etwas in ihrem Hinterkopf. Flirtete sie etwa mit diesem Matteo? Oder er gar mit ihr? Petra hatte so lange in einer festen Beziehung gelebt, dass sie ganz vergessen hatte, wie das mit dem Flirten ging.
Oder war Matteo einfach nur nett zu ihr? So nett wie zu allen anderen Leuten auch, die sie bis jetzt in seiner Gegenwart erlebt hatte? Sie wusste es nicht und letztendlich war das auch vollkommen egal.
Denn wenn Petra auf eines ganz sicherlich nicht aus war, dann auf einen Flirt mit einem Mann oder gar auf eine neue Beziehung. Nein, auf Männer hatte sie wahrlich aktuell keine Lust mehr! Sie wollte ihr Leben genießen – und das alleine. Was die Zukunft einmal bringen würde, das wusste sie natürlich nicht. Das war aber auch erst einmal egal.
Ob es erneut eine große Liebe in ihrem Leben geben würde? Den Gedanken verdrängte Petra ganz bewusst. Sie wollte im Hier und Jetzt leben und nicht wie so oft in den zurückliegenden Jahren ihr Heil im Morgen suchen.
„Willst du mir verraten, wohin die Fahrt geht, Cary Grant?“, knüpfte Petra nun an Matteos Bemerkung an.
„Gerne doch“, antwortete er. „Ich zeige dir einen Ort, der für mich eine ganz besondere Bedeutung hat. Wir biegen gleich in Nesso ab und halten an einer kleinen Grotte an. Dort erzähle ich dir mehr.“
In Nesso machte Matteo noch einen kleinen Abstecher, um Petra die Ponte della Civera zu zeigen, eine mittelalterliche Brücke, von der aus man einen herrlichen Blick auf den bekannten Wasserfall Orrido di Nesso hatte.
„Dort oben gab es einst eine Mühle“, berichtete Matteo, der sich als prima Touristenführer entpuppte. „Doch seit sich das Müllerhandwerk auch hier bei uns in Italien nicht mehr auszahlt, haben die heutigen Besitzer daraus zwei kleine Ferienappartements gemacht.“
Von der Seestraße in Nesso ging es nach der Besichtigung der Brücke ein Stück zurück in den Ort und bald darauf rechts ab in das bergige Hinterland des Comer Sees. Hier war es ein wenig kühler als auf der Seeseite selbst und auch deutlich grüner. Während sich unten an der Straße Haus an Haus reihte, eng, als würden sie sich bei den Händen halten, bestimmte hier, oberhalb von Nesso und nachdem die beiden die letzten Häuser hinter sich gelassen hatten, urwüchsiges Grün das Bild der Landschaft. Jetzt im späten Frühling war hier alles in satte Grüntöne getaucht. Das, so erläuterte Matteo, würde sich aber unter der sengenden Sommerhitze im Juli und August schnell ändern. Dann wäre es unten oft angenehmer als hier oben auf der Bergkette, da am See stets ein kleines Lüftlein wehen würde.
Eine Serpentine reihte sich nun an die nächste und die Kurven wurden immer enger. Obwohl Petra Matteo kaum mehr als ein paar Stunden kannte und erst wenige Kilometer mit ihm gefahren war, vertraute sie seinen Fahrkünsten voll und ganz. Er fuhr sehr umsichtig und trotz des tollen Flitzers nicht unbedingt sportlich.
Vielleicht war er doch kein Gigolo, wie sie heute Morgen noch gedacht hatte. Zu gerne hätte Petra mehr über diesen Mann an ihrer Seite erfahren. Denn je länger sie neben ihm saß, desto geheimnisvoller erschien er ihr. Er redete nicht viel, doch wenn er etwas sagte, dann sehr bedacht und stets freundlich. Und wenn er seine Sonnenbrille abnahm, dann waren es immer wieder seine Augen, die Petra nicht losließen. So wie jetzt, als er ganz unvermittelt nach einer leichten Linkskurve vor einer kleinen Grotte anhielt.
„Wir sind da“, sagte er, stieg aus, sprang um seinen Wagen herum und öffnete Petra galant die Autotür. Beim Aussteigen reichte er ihr die Hand und nun fühlte sich die junge Frau erst recht wie eine echte Diva. Petra konnte sich gar nicht erinnern, ob ein Mann ihr je die Autotür aufgehalten hatte – Frank hatte das, da war sie sich ganz sicher, auf jeden Fall nie getan.
Unterdessen nahm Matteo aus seiner Hosentasche einen Geldschein und steckte ihn in einen kleinen Schlitz am Eingang der Grotte.
„Ich zünde jedes Mal, wenn ich an diesem Ort vorbeikomme, eine Kerze für meine Lieben an, die bereits von mir gegangen sind“, erklärte Matteo und nahm aus dem Fach unterhalb der Kerzenhalter eine lange weiße Kerze hervor. „Hast du auch jemanden, an den du hier gerne erinnern möchtest?“, fragte er Petra.
Die war zwar schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten, fühlte sich aber an diesem offensichtlich heiligen Ort mit seiner großen Madonna mitten in dieser scheinbaren Einöde plötzlich sehr bewegt.
„Oh ja“, antwortete sie deshalb. „Es gibt tatsächlich