Home Run für die Liebe. Paris Sanders
1
„Autsch. Verdammt!“ Don versuchte gleichzeitig, auf einem Bein zu hüpfen und sich nach unten zu beugen, damit ihn niemand sah. Er kippte zu Boden und nahm auf dem Weg nach unten eine Lampe mit.
„So ein verfluchter Mist!“
Sein Handy klingelte. Gab es etwas, was nicht schief ging?
„Ich bin nicht für ein Leben als Verbrecher gemacht“, schimpfte er und nahm das Gespräch entgegen.
„Don! Wo steckst du? Ich versuche seit Tagen, dich zu erreichen!“
Seine Mutter. Er war mit Sicherheit der einzige Einbrecher, der während der Tat von seiner Mutter angerufen wurde. Gut, dass er seinen Lebensunterhalt nicht mit dem Verkauf gestohlener Ware verdiente.
„Ich rufe dich morgen an. Versprochen. Jetzt bin ich beschäftigt.“ Bevor sie etwas sagen konnte, unterbrach er die Verbindung. Morgen würde er dafür bezahlen, aber jetzt war es wichtiger, den Job zu beenden. Er schaute aus dem Fenster. Obwohl es dunkel war, gingen in regelmäßigen Abständen die Sicherheitsleuchten auf dem Rasen an. Das Haus lag ein wenig von der Straße zurückgesetzt, eine manikürte Rasenfläche trennte es vom schmalen Gehweg. Trotzdem konnte er die Frauen sehen, die dort warteten. Einige von ihnen hatten sich durch den Garten bis vor das Haus herangepirscht.
„Wenn die mich sehen, ist es aus.“
Er stand auf und schlich gebückt hinter der Couch entlang, bis er eine Ecke des Zimmers erreichte, die nicht von draußen durch die Fenster ausgespäht werden konnte. Erst dann richtete er sich auf und ging die Treppe hinauf in den ersten Stock. Im Schlafzimmer angekommen, zerrte er zwei Sporttaschen aus dem Schrank und füllte sie mit allem, was ihm an Kleidungsstücken in die Hände fiel. Er hoffte, dass er etwas erwischte, was er auch tatsächlich tragen konnte, denn im Dunkeln war es nicht einfach, die richtigen Klamotten zu finden. Egal. T-Shirts, Hosen, ein paar Trainingshosen und Unterwäsche würden irgendwie zusammenpassen.
Danach schlich er nach unten.
Er hatte es fast bis zur Hintertür geschafft, als er das Kreischen hörte. Jemand hatte ihn gesehen.
„Jesus, Maria und Joseph.“ Don riss die Hintertür auf, sprintete zu seinem Sportwagen und fuhr mit aufheulendem Motor davon.
2
„Sehr interessant, aber ich fürchte, das wird schwierig.“ Eve sah besorgt zu Sabrina. Ihre beste Autorin ermordete gerade einen Salatteller.
„Eve, ich weiß, du bist beeindruckt, auch wenn du es nicht zugeben möchtest. So ein gutes Exposé hast du seit Jahren nicht gesehen. Endlich etwas Neues, etwas, was ich nicht schon in tausend Variationen geschrieben habe. Die neue Liebesgeschichte von Sabrina König. Aufregend, spannend, überraschend.“ Sabrina hob ihre Gabel und spießte eine Garnele auf, um sie ungegessen an den Rand zu schieben.
„Überraschend ist das richtige Wort. Ich glaube nur nicht, dass …“
„Ich weiß, meine Fans werden erstaunt sein. Aber es ist Zeit für einen Richtungswechsel. Niemand möchte die ewig gleiche Liebesgeschichte lesen, in der sie sich am Ende bekommen und bis in alle Ewigkeit glücklich sind. So etwas passiert nicht im richtigen Leben. Sieh dir die Scheidungsstatistiken an.“ Dieses Mal war es ein Salatblatt, das erdolcht wurde.
„Ich werde dafür keinen Verlag finden. Das weißt du, Sabrina.“ Eve sah Sabrina eindringlich an. „Bring mir ein anderes Exposé, eines, in dem sie am Ende glücklich vereint sind.“
„Nein.“ Sabrina schüttelte den Kopf. Ihre blonden Locken flogen nach allen Seiten. „Das habe ich x-mal geschrieben und es langweilt mich.“
„Bist du sicher, dass es nichts mit der Trennung zu tun hat? Ich weiß, es ist ein paar Monate her, seit David dich verlassen hat, aber ich glaube, es ist zu früh, an den nächsten Roman zu denken. Mach eine Pause. Du hast es verdient.“
„Es hat nichts mit David zu tun.“ Eine Tomate wurde massakriert. „Ich bin froh über unsere Trennung. Ich fühle mich gut. Sehr gut.“
„Das freut mich zu hören.“ Eve lächelte, aber es sah aus, als hätte sie Zahnschmerzen. „Wie auch immer.“ Eve schob den Klarsichtordner, in dem sich das Exposé befand, über den Tisch zurück. „Das bringe ich nicht unter. Es tut mir leid.“
„Ich dachte, ich sei deine beste Autorin. Sagtest du nicht, die Leserinnen würden ein Telefonbuch kaufen, solange ich es geschrieben habe?“
„Was ich meinte, war …“ Eve holte tief Luft. „Sabrina, du weißt besser als jeder andere, was wir den Lesern verkaufen. Sie wollen Träume. Die heile Welt, in der es ein Happy End und ewige Liebe gibt. Niemand möchte das lesen, was im richtigen Leben passiert. Deine Bücher bieten eine Zuflucht aus der Realität.“
„Nicht mehr. Ich verkaufe keine Lügen mehr, nur noch die Wahrheit.“ Eine Gurkenscheibe wurde zersägt.
„Mach Urlaub. Geh auf eine Kreuzfahrt oder lege dich in der Südsee an den Strand.“
„Urlaub? Es gibt für mich nichts Schlimmeres als Nichtstun. Den ganzen Tag faul am Strand liegen ist meine Version von der Hölle. Ich liebe es zu schreiben, Geschichten zu erfinden. Das ist Urlaub für mich!“
„Wie wäre es mit etwas ganz anderem? Du könntest in deinen alten Beruf als Lehrerin zurückkehren. Nur für kurze Zeit, vielleicht an eine Sprachschule?“
„Warum sollte ich das tun?“
„Weil du die Abwechslung brauchst. Du schreibst seit Jahren ohne Unterbrechung. Ich bin mir nicht sicher, ob du jemals einen Tag lang pausiert hast. Es ist höchste Zeit, auf andere Gedanken zu kommen.“
Sabrina sah auf. Ihre Gabel hielt sie in der Luft, unentschlossen, welches Salatblatt als nächstes gekillt werden sollte. „Nein, mir geht es gut. Vielleicht verlege ich das Buch selbst. Als E-Book. Das macht jeder heutzutage.“
„Okay. Ich kann das.“
Sabrina starrte auf den Bildschirm. Oder genauer gesagt, auf die „1“, die den Beginn des ersten Kapitels markierte. Weiter war sie nicht gekommen, obwohl sie bereits seit zwei Stunden an ihrem PC saß. Normalerweise flogen ihre Finger über die Tasten, jetzt weigerten sie sich.
„Es ist ganz einfach. Liebe auf den ersten Blick. Leidenschaft, eine Beziehung, die mehr verspricht. Dann verlässt er sie. Ohne Vorwarnung.“ Sabrina trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. „So wie im richtigen Leben.“
Sie legte ihre Finger auf die Tastatur.
Es war ein sonniger Tag im Juni, als Mara die Tür öffnete. Ein gut gewachsener junger Mann stand vor ihr.
„Grauenhaft.“ Sabrina markierte den Text und drückte Delete.
„Er ist nicht mein Typ“, sagte Mara und betrachtete den Mann, der ein paar Meter von ihr entfernt an der Bar stand. Er sah zu ihr, lächelte, aber sie blieb cool.
Markieren.
Delete.
Sabrina sprang auf und ging zu dem Trainingsrad, das in einer Ecke ihres Arbeitszimmers stand. Wenn sie darauf saß und die Kalorien herunter strampelte, die ihr Schokoladenkonsum mit sich brachte, hatte sie die besten Ideen.
Eine halbe Stunde später herrschte noch immer Leere in ihrem Gehirn. Die Einfälle, die sie sonst nicht schnell genug aufschreiben konnte, blieben aus.
„Ich habe eine Schreibblockade.