Füße. Stefan Feiler

Füße - Stefan Feiler


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mehr und mal weniger bewusst. Muskeln können beschleunigen, bremsen, stabilisieren und abfedern. Um diese Vielzahl an Aufgaben zu bewältigen, ist ihre Formenvielfalt riesig. Es gibt kurze und lange Muskeln, flache und bauchige Muskeln; Muskeln, die nur ein Gelenk bewegen, und Muskeln, die gleich ganze Gelenkketten mobilisieren. Wir finden Muskeln mit einem Muskelbauch und Muskeln mit mehreren „Muskelköpfen“ wie der Bizeps-, Trizeps- und Quadrizepsmuskel. Manche Muskeln arbeiten im Team, wie beispielsweise die Adduktorenmuskelgruppe am Oberschenkel oder die Wadenmuskelgruppe.

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      [7 b] Gelenke des Fußes, Seitenansicht

      Die Sehnen bilden das „Interface“, sozusagen die Schaltstelle zwischen Muskeln und Knochen diesseits und jenseits von Gelenken. Sie bündeln die Kraft eines Muskels, geben ihr eine gezielte Richtung und stellen die Übertragung dieser Kraft auf den Knochen sicher. Dabei gilt die Faustregel: Je kräftiger der Muskel, desto dicker die Sehne. Sehnenscheiden umgeben die Sehnen wie ein Schlauch und ermöglichen so ein nahezu reibungsfreies Gleiten beim Arbeiten.

      Schleimbeutel übernehmen in diesem Funktionskomplex wichtige Aufgaben. Das sind flüssigkeitsgefüllte Kissen, die bei Reizung oder Überlastung auch deutlich anschwellen und sich entzünden können. Sie polstern Sehnen an Knochenvorsprüngen ab, bilden die Verschiebeschicht zwischen sehr oberflächlich gelegenen Sehnen und der Haut und verschieben Muskelgruppen gegeneinander.

      Prinzipiell unterscheiden wir am Fuß extrinsische von intrinsischen Muskeln: Die extrinsischen Muskeln befinden sich „außerhalb“ des Fußes und die intrinsischen „innerhalb“ des Fußes im engeren Sinn. Gemeint ist die Position ihrer Muskelfasern, die zusammengenommen immer jeweils einen Muskel(bauch) bilden. Diese Muskelbäuche sind technisch gesehen vergleichbar mit Zylindern von Motoren: Bereit, sich bei Anspannung zu verkürzen und bei Entspannung wieder zu verlängern.

      Die extrinsischen Muskeln liegen um den Unterschenkel herum verteilt. Lediglich ihre Sehnen überqueren das Niveau des Sprunggelenks, um an verschiedensten Punkten des Fußes anzugreifen. Dort wird dann die Muskelaktivität in Gelenkbewegung umgewandelt. Aufgrund dieses langen Weges der Sehnen bis zu ihrem Wirkort heißen die extrinsischen Muskeln auch „lange Fußmuskeln“. Mit Ausnahme der Achillessehne, die vertikal am Fersenbein befestigt ist, werden die langen oder extrinsischen Muskeln in Höhe des Sprunggelenks aus der Vertikalen des Unterschenkels in die horizontale Ebene des Fußes umgelenkt.

      Die intrinsischen Muskeln des Fußes, die vollständig mit Muskelgewebe und Sehnen unterhalb der Ebene des Sprunggelenks am Fuß selbst positioniert sind, werden auch als „kurze Fußmuskeln“ bezeichnet. Sie sind horizontal ausgerichtet.

      Extrinsische oder „lange“ Muskeln

      Die extrinsische, lange Fußmuskulatur liegt in vier Gruppen um den Unterschenkel verteilt. Ganz allgemein führen alle Muskeln, die hinter der Verbindungslinie zwischen Innen- und Außenknöchelspitze liegen, zu einer Absenkung des Fußes in Richtung Fußboden (Plantarflektion). Diese Linie ist nämlich die Bewegungsachse des oberen Sprunggelenks. Alle Muskeln, die vor dieser Achse am Fuß ziehen, heben ihn dagegen an (Dorsalextension). Und je nachdem, ob ein Muskel dann mehr in Richtung Fußinnen- oder Fußaußenrand gelegen ist, löst er zusätzlich eine Anhebung oder Absenkung des Fußes nach innen oder außen aus (Pronation und Supination). Hier ist die Rotationsachse des unteren Sprunggelenks die maßgebliche Trennlinie.

      Zum einen gibt es die von der Vorderseite des Unterschenkels am Fußrücken ziehenden Muskeln (Extensorengruppe), die den Fuß im Sprunggelenk anheben und die Zehen strecken (Dorsalextension). Gleichzeitig heben diese Muskeln auch den Fußinnenrand an (Supination). Zur Extensorengruppe zählt auch der nicht immer vorhandene dritte Wadenbeinmuskel (Musculus peroneus tertius). Zum anderen gibt es die Gegenspieler dieser Gruppe, die an der Ferse (Wadenmuskeln oder hintere oberflächliche Gruppe) und um den Innenknöchel herum (hintere tiefe Muskelgruppe) zur Fußsohle ziehenden Muskeln, welche den Fuß im Sprunggelenk absenken und die Zehen beugen (Plantarflektion). Diese beiden Gruppen liegen auf der Rückseite des Unterschenkels. Von der Außenseite des Unterschenkels ziehen die beiden Muskeln der Wadenbeingruppe (Peroneusmuskeln) um den Außenknöchel herum zum Fußaußenrand (kurzer Peroneusmuskel) und um den Außenrand des Fußes herum an die Sohle bis zum ersten Mittelfußknochen (langer Peroneusmuskel). Diese Muskeln heben den Fußaußenrand an und senken den Innenrand ab.

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      [8] Bewegungsachsen des oberen und unteren Sprunggelenks

      Die genauen Bezeichnungen der Muskeln dieser vier Gruppen können Sie den Tabellen entnehmen. Die Zeichnungen zeigen Ihnen, wie die Kraftlinien verlaufen. So können Sie sich die Muskelwirkung besser vorstellen als in einer reinen Abbildung der Anatomie, bei der sich einige Muskeln überlagern würden.

      Die Tibialis- posterior-Sehne und die Peroneus-longus-Sehne umgreifen am Innen- beziehungsweise Außenrand die Fußwurzel. Sie bilden den sogenannten Steigbügel, der die beiden Fußgewölbe stützt (

Abbildung Kapitel 9). Er verspannt das Längs- und das Quergewölbe muskulär. Das erzeugt in der Fußsohlenmitte einen länglichen Kanal.

      Intrinsische oder „kurze“ Muskeln

      In diesem Kanal liegt ein Teil der intrinsischen oder kurzen Fußmuskulatur, die sich in die Fußsohlen- und Fußrückenmuskulatur aufteilt: Nämlich die kurzen Beuger der zweiten bis vierten Zehe (Musculus flexor digitorum brevis) und der viereckige Fußsohlenmuskel (Musculus quadratus plantae). Letzterer unterstützt die Wirkung des langen Zehenbeugers.

      Die Groß- und die Kleinzehe haben jeweils einen eigenen kurzen Beuger. Zusätzlich besitzen diese beiden Zehen auch noch einen Abspreizmuskel (Abductor). Die große Zehe verfügt sogar noch über einen Anspreizer (Adductor), der bei der Entstehung des Hallux valgus eine gewisse Rolle spielt (

Kapitel 3). Diese Muskelgruppen formen am Fußinnen- und Fußaußenrand eine Art muskulären Großzehen- und Kleinzehenballen, ganz ähnlich wie bei der Hand.

      Die kleinen Muskeln der Mittelfußzwischenräume sorgen durch ihr filigranes Zusammenspiel dafür, dass sich die Zehen in den Grundgelenken stabilisieren und korrekt ausrichten. Sie ermöglichen damit ein balanciertes Zusammenspiel von langen sowie kurzen Streckern und Beugern an den Zehen. Ist dieses Zusammenspiel gestört, kommt es zu Fehlstellungen wie beispielsweise den Hammerzehen (

Kapitel 6).

      Die beiden kurzen Muskeln der Fußrückengruppe, der kurze Großzehenstrecker (Musculus extensor hallucis brevis) und der kurze Zehenstrecker (Musculus extensor digitorum brevis), haben einen flach auslaufenden Muskelbauch, der sich der Kontur des knöchernen Fußrückens anpasst. Der kurze Zehenstrecker bedient aber nur die zweite bis vierte Zehe. Die kleine Zehe hat keinen kurzen Strecker. Die Großzehe verfügt sowohl über einen eigenen langen als auch einen kurzen Streck- und Beugemuskel sowie neben einem Abspreizer sogar noch über einen Anspreizmuskel. Das unterstreicht ihre herausragende biomechanische Bedeutung. Die zweite bis fünfte Zehe müssen sich mit einem gemeinsamen extrinsischen und intrinsischen Muskel für Streckung und Beugung (Ausnahme ist der eigene kleine Beuger der Kleinzehe) begnügen. Die an der Hand vorhandene Sonderstellung des Daumens beim Greifen wurde am Fuß mit dem Großzeh optimal den Anforderungen des Gehens angepasst.

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