Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank
Angelas Wangen färbten sich. Warum sollte sie nicht ehrlich sein? »Wir haben uns sofort gut verstanden. Es hat mich gefreut zu sehen, wie gut es Stephan hier gefällt. Ich habe dann auch seine Einladung zum Essen angenommen. Er hat mir viel von sich erzählt, und ich sprach mit ihm über meine Probleme.« Trotzig gab sie Olivers Blick zurück. »Er konnte zuerst auch nicht glauben, daß ich hier allein lebe. Aber er versteht es, daß ich an meiner Heimat hänge, daß ich mich von ihr nicht trennen möchte.«
»Ist Ihnen nicht aufgefallen, daß hier alles baufällig ist?« Ironisch bogen sich Olivers Mundwinkel nach unten.
»Natürlich ist ihm das aufgefallen. Zuerst hat er die Burg für eine Ruine gehalten.«
»Und in dieser Ruine wohnt Prinzessin Angela. Finden Sie, daß dies in Ordnung ist?« fragte Oliver erneut.
»Prinzessin Angela bemüht sich, das Erbe zu erhalten. Sie nimmt dadurch jegliche Unannehmlichkeiten auf sich«, verteidigte Stephan die Prinzessin. Sein Gesicht wurde dann jedoch sehr ernst. Er sah Graf Oliver an. »Mir ist klar, daß sie dies allein nicht schaffen kann. Man muß ihr helfen.«
»Glauben Sie wirklich, ich hätte mir darüber keine Gedanken gemacht? Ich bin nicht vermögend. Wir haben kein Geld. Wir können die Burg nicht renovieren lassen. Es ist auf die Dauer keine Lösung, einmal hier eine Mauer ausbessern zu lassen, einmal dort.« Empört sah Oliver den Amerikaner an. Was dachte sich dieser Mann? Glaubte er etwa, man hätte hier nur auf ihn gewartet?
»Bitte!« Die Feindseligkeit, die zwischen den Männern herrschte, war nicht zu übersehen. Angela versuchte zu vermitteln. »Wir wollen nicht darüber sprechen. Es hat keinen Sinn.«
»O doch!« Oliver dachte gar nicht daran, sich beruhigen zu lassen. Sein Blick versuchte Stephan weiterhin zu durchbohren. »Ich möchte wissen, wie Sie dazu gekommen sind, sich nach der Burg zu erkundigen. Haben Sie Interesse an dem Gebäude, wollen Sie den Besitz kaufen?«
Stephan platzte der Kragen.
Auch wenn dieser Mann ein Adeliger war, so hatte er nicht die Absicht, sich von ihm so von oben herab behandeln zu lassen. So entgegnete er scharf: »Wollen schon! Ich würde sehr gern hier leben. Ich könnte es mir auch leisten. New York habe ich den Rücken gekehrt, um etwas Neues anzufangen. Nur, Angela will ihre Heimat nicht verlieren.« Er sah zu ihr hin, lächelte ihr zu.
Angela war genauso verblüfft wie ihr Freund. »Sie hatten die Absicht, die Burg zu kaufen? Davon haben Sie kein Wort gesagt.«
Stephan sah nur noch die Prinzessin an. Er hatte mit ihr allein sprechen wollen. Er wollte ihr Geld zur Verfügung stellen. Er wollte alles tun, damit ihr die Heimat erhalten blieb. Doch jedes Wort, das er nun sprechen würde, könnte falsch ausgelegt werden.
»Ich hatte keine festen Absichten, ich folgte nur einer Eingebung. Ich habe Ihnen erzählt, daß ich auf der Suche bin und kein festes Ziel habe.« Ein unsicheres Lächeln huschte über sein Gesicht. »Von der Burg fühlte ich mich angezogen. Ich hatte das Gefühl, gerufen zu werden…«
»Sie können sich Ihr Herumgerede sparen«, fiel ihm Oliver ins Wort. »Was wollten Sie von meiner… meiner Verlobten?«
»Sie sind mit Prinzessin Angela verlobt?« Stephans Blick glitt zu Angela hin.
»Nein, verlobt sind wir noch nicht«, sagte Angela ruhig. »Aber wir sind eng befreundet. Im Grunde liegt es an mir. Ich kann mich nicht entschließen, von hier wegzuziehen.«
»Das ist unsere private Angelegenheit. Das geht Herrn Dorr nichts an.« Oliver trat an Angelas Seite. Mit einer besitzergreifenden Geste legte er ihr den Arm um die Schultern. »Die Frage ist, ob Herr Dorr dir ein Angebot machen will.«
»Ich wollte schon!« Unsicher sah Stephan Angela an. »Ich möchte Sie nur nicht bedrängen. Ich wollte in Ruhe mit Ihnen darüber sprechen.«
Eine Welle von Enttäuschung überflutete Angela. »Ich werde nicht verkaufen, Sie können sich jedes weitere Wort sparen.« Sie sah durch ihn hindurch, doch dann suchte ihr Blick den seinen. »Ich dachte, Sie verstehen mich.«
»Das tue ich auch! Ich will Ihnen die Heimat nicht nehmen. Deswegen habe ich mit Ihnen auch noch nicht gesprochen. Es muß eine andere Möglichkeit geben, damit Ihnen Ihre Heimat erhalten bleibt.«
»Das ist doch nur Gerede. Was wollen Sie wirklich?« mischte Oliver sich wieder ein. »Mich können Sie nicht täuschen. Für wen wollen Sie die Burg kaufen? Sie selbst verfügen doch kaum über genügend Kapital.«
»Da irren Sie, Graf!« Stephan griff in die Tasche, er holte eine Visitenkarte hervor. »Sie können jederzeit Erkundigungen über mich einziehen. Ich habe das Vermögen geerbt, und dieses Erbe habe ich meinen deutschen Vorfahren zu verdanken. Leider weiß ich nichts von ihnen.« Oliver verzog das Gesicht, und Stephan sagte: »Ich verstehe, das alles interessiert Sie nicht. Ich wollte Sie auch nicht damit belästigen. Sie wollten eine Erklärung für mein Hiersein. Ich werde nicht weiterreisen, ich werde in Passau bleiben.« Diese Worte richtete er bereits wieder an Angela. »Darf ich Sie noch einmal aufsuchen?«
»Selbstverständlich!« sagte Angela spontan. »Sie sind jederzeit herzlich willkommen. Wollen Sie nicht noch bleiben?« Sie biß sich kurz auf die Lippen, trat einen Schritt nach vorn, so daß Olivers Arm von ihren Schultern glitt. »Wir wollten gerade einen kleinen Spaziergang machen.«
»Es ist sicher besser…« Stephan besann sich. »Verzeihen Sie, ich möchte Sie nicht stören. Ich kam unangemeldet. Wenn Sie erlauben, werde ich Sie morgen anrufen. Es wäre schön, wenn Sie für mich einmal Zeit hätten. Ich würde sehr gern noch einmal Ihre Ahnengalerie besuchen.«
»Sie können jederzeit hinaufgehen. Sie wissen doch, daß nichts abgeschlossen ist.«
»Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch!« Seine Augen baten. »Ich würde gern mit Ihnen zusammen die Gemälde ansehen.«
»Gut! Rufen Sie an!« Angela lächelte. Sie fand es schön, daß er wiederkommen wollte. Sie bot ihm die Hand. »Bis morgen also!«
»Ja! Bis morgen!« Er nahm ihre Hand und drückte sie. Als er sich Graf Oliver zuwandte, nickte dieser nur mit abweisendem Gesicht. Die Hände hielt er auf dem Rücken verschränkt. Stephan begriff, daß der Graf ihm nicht die Hand reichen wollte.
Angela starrte Oliver an. So dominierend kannte sie ihn gar nicht. Olivers Gesicht verschloß sich.
»Was erwartest du von mir? Ich komme von einem Auslandsflug zurück und stelle fest, daß ein Amerikaner bei dir ein und ausgeht. Willst du unbedingt ins Gerede kommen?«
»Das ist doch lächerlich! Ich werde mich wohl noch unterhalten können.« Angela hob ihre Stimme.
»Es verstößt gegen den Anstand, wenn du mit einem Fremden, der dir nicht offiziell vorgestellt wurde, allein bist. Das wirst du wohl noch wissen.« Oliver zog die Augenbrauen in die Höhe. »Wenn mich nicht alles täuscht, dann bist du so erzogen worden.«
»Du kannst dir deine Ironie sparen. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.«
»Ach so!« Oliver sah auf die Visitenkarte, die er noch immer in der Hand hielt. »Falls alles stimmt, ist Herr Dorr wirklich sehr begütert. Ihm dürfte es nicht schwerfallen, dir finanziell unter die Arme zu greifen. Mir ist dies leider nicht möglich.« Er schob die Visitenkarte in die Tasche. »Ich werde mich erkundigen. Falls sich herausstellen sollte, daß der Mann ein Betrüger ist, hörst du wieder von mir. Leb wohl!«
Am liebsten wäre Angela wieder hinauf in die Ahnengalerie geflüchtet. Sie verstand sich selbst nicht. Warum ließ sie Oliver gehen? Er hatte doch recht. Sie kannte Stephan nicht, und trotzdem fühlte sie sich zu ihm hingezogen.
Allein begab sie sich auf einen ausgedehnten Spaziergang.
*
Stephan war zu Fuß zur Burg hinaufgestiegen, und so wanderte er auch wieder hinunter. Da er aber nichts weiter vorhatte, setzte er sich bald auf einen Stein und sah ins Tal hinab. Einen Teil der Auffahrt der Burg konnte er von hier aus auch sehen, und so sah er, daß ein Auto