Ganz klar Tanja. Dana Wolf

Ganz klar Tanja - Dana Wolf


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      “Ja, klar. Aerial Yoga. Entspannen in der Schwerelosigkeit. Tolle Sache!”

      Ihr langgezogenes Okaaayyyy drückte Verwunderung aus. Damit hatte sie jetzt nicht gerechnet.

      “Damit haben Sie jetzt nicht gerechnet, was?”

      “Stimmt”, sagte sie betreten. Und tatsächlich, dass er Gefallen an der Therapie fand, hätte sie nicht vermutet. Eher schon, dass er nichts und niemanden wirklich ernst nahm.

      “Okay, dann sollten wir uns tatsächlich beeilen,” sagte er, “mein Wagen steht gleich hier vorn.”

      Und leicht ironisch fügte er hinzu: “Und diesmal hab ich kein Gepäck auf dem Beifahrersitz.”

      Tanja rang sich ein Lächeln ab.

      “Um so besser.”

      Zügigen Schrittes gingen die beiden zu Toms Cabrio hinüber, das direkt vor dem Haupteingang geparkt war. Tom öffnete ihr sogar die Beifahrertür. Dann sprang er hinters Steuer, streifte sich altmodische fingerlose Lederhandschuhe über, aktivierte eine Playlist und startete den Motor, der dumpf und satt zu dröhnen begann.

      Aus den Lautsprechern kam Popmusik.

      “Ich bin übrigens Tom”, sagte Tom.

      “Ich weiß”, sagte Tanja.

      Tom stutzte.

      “Eilt mein Ruf mir etwa voraus?”

      “Könnte man so sagen”, entgegnete Tanja und stellte sich ihrerseits vor.

      “Wir hatten ja nicht gerade den besten Start”, sagte er und lenkte das Cabrio forsch durch die kleine Gemeinde.

      “Was halten Sie davon, wenn wir noch mal von vorn beginnen? Diesmal ohne Kaffee.”

      Er zwinkerte ihr zu.

      “Abgemacht?”

      “Abgemacht!”

      Tanja spürte den Wind in ihren Haaren, als der Sportwagen über die Bundesstraße 51 parallel des Flusses preschte. Sie genoss die Fahrt und sog die warme Luft ein. Lady Gaga sang von einem gewissen Alejandro. Als der Wagen vor dem Stadtzentrum von Trier ins Hinterland abbog, sagte Tom: “Es tut mir übrigens leid.”

      “Was denn?”

      Tanja ließ ihren Blick weiterhin über die Ausläufer des Hunsrück schweifen.

      “Na, das was ich gestern über Sie gesagt habe.”

      Sie wusste genau, was er meinte, begnügte sich aber nicht mit Andeutungen.

      “So? Was haben Sie denn gesagt?”

      “Na, von wegen alleinerziehend und so”, erklärte er reuig, “tut mir wirklich leid. Und geht mich natürlich auch überhaupt nichts an.”

      Sie nickte, sah aber immer noch in die Landschaft und würdigte ihn keines Blickes.

      “Außerdem liegen Sie da ziemlich falsch”, erwiderte sie schließlich, “ich bin weder alleinerziehend noch hat sich mein Mann aus dem Staub gemacht. Genaugenommen bin ich überhaupt nicht erziehend. Und mein Mann ist auch nicht mein Mann.”

      Sie merkte selbst, dass sie sich ungeschickt ausdrückte. Ein Anflug von Nervosität?

      “Also, mein Mann ist mein Freund. Was ich sagen will: Wir sind nicht verheiratet. Und Kinder haben wir auch noch nicht.”

      “Macht ja nichts”, kommentierte Tom, “das kann ja noch werden.”

      Erstmals blickte sie zu ihm hinüber.

      “Wer weiß. Im Moment haben wir eher andere Sorgen.”

      Sie erschrak beinahe über ihre Offenheit.

      “Wollen Sie drüber reden?”

      Tanja ließ einige Zeit verstreichen. Die Straße führte an einem Hang entlang, im Tal ein kleiner Nebenfluss der Mosel, am Horizont die Hochflächen des Hunsrück, bestückt mit Windrädern, deren Flügel zu den Elektro-Klängen aus dem Autoradio rotierten. Tanjas Gedanken drehten frei.

      “Weiß nicht,” sagte sie nach einer gefühlten Ewigkeit. Und begann dann doch, ihr Leben vor ihrem Mitpatienten auszubreiten. Das muss wohl das Kurphänomen sein, dachte sie, als sie von ihrer kleinen Landwirtschaft erzählte, vom tragischen Tod ihrer Mutter, vom Streit mit Florian … Es tat gut, sich das alles von der Seele zu reden. Sich einem Fremden anzuvertrauen.

      Als sie fertig war, tauchte bereits das Firmenschild der Autowerkstatt am Straßenrand auf.

      “Jetzt wissen Sie alles über mich, ich aber nichts über Sie”, schloss sie, als Tom das Cabrio auf den Kiesplatz steuerte.

      “Tja”, machte er und stellte den Motor ab. Tanja wartete, doch er ging nicht weiter darauf ein.

      Stattdessen ein kurzes: “Da wären wir.”

      Sie blickte ihn noch einen Moment lang an, etwas verwundert darüber, dass er ihre Lebensgeschichte nicht mit einer Silbe kommentierte. Andererseits: Sollte sie ihm nicht eher dankbar sein, dass er einfach nur zuhörte? Tanja begann zu träumen. Ihre Gedanken schweiften in gefährliche Gefilde ab, bis seine Stimme sie in die Gegenwart zurückholte.

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