Ganz klar Tanja. Dana Wolf
eines kleinen Pavillons, der als Raddepot und Werkstatt diente, und bat die Gruppe, ihm zu folgen. Wie edle Rennpferde in ihren Boxen standen in dem Pavillon schwarze Carbon-Schönheiten in verschiedenen Größen nebeneinander aufgereiht.
“UD-Carbon, Endurance-Geometrie, 22-Gang-Schaltung, Hydraulik-Disc mit 160er-Scheiben, sub-8-Kilo”, fachsimpelte er, “und damit es nicht zu anstrengend wird: Alle Räder haben eine 32er-Kassette montiert.”
Seine Ausführungen schienen wenig zu beeindrucken. Für die meisten handelte es sich schlicht um Fahrräder. Und die Vorfreude stieg -, trotz Philipps einleitender Worte. Einzig Peter stiegen bei dem Gedanken an Höhenmeter ein paar Schweißperlen auf die Stirn.
Philipp machte sich daran, jedem sein Rad zuzuweisen und ein paar kleinere Korrekturen vorzunehmen. Hier musste die Sattelhöhe verstellt werden, dort war der Lenker zu hoch oder zu niedrig. Außerdem verteilte er Helme an diejenigen, die “oben ohne” gekommen waren. Als die Gruppe schließlich startbereit war, setzte sich Philipp an die Spitze des kleinen Pelotons, und gemeinsam radelten sie die ersten flachen Kilometer an der Saar entlang …
Orte wie Kanzem, Wiltingen und Biebelhausen waren schnell passiert. Auf diesen wenigen Kilometern hatten sich bereits kleine Grüppchen gebildet. Philipp fuhr mit den jüngsten Teilnehmern voran, um den Weg zu weisen. Direkt dahinter befand sich Peter, obwohl er nicht gerade zu den Schnellsten gehörte. Hätte er sich allerdings ganz hinten eingereiht, hätte er möglicherweise den Anschluss verloren. Hinter Peter fuhr Tom. Ganz allein. Er trat betont lässig in die Pedale, nahm zeitweise die Hände vom Lenker und machte auf Radprofi. Das war seine Art zu zeigen, dass er sich unterfordert fühlte. Oder dass er einfach nur angeben wollte. Tanja registrierte sein Gehabe und blieb zusammen mit der Aschblonden, die sich als Laura Zeh vorgestellt hatte, ein paar Meter hinter ihm.
Auf dem Marktplatz von Saarburg angekommen, machte die Gruppe halt.
“Was? Schon?”, wunderte sich Laura, die einen fitten und sportlichen Eindruck machte.
Philipp rief alle zusammen, um sich nach dem Befinden zu erkundigen und die Möglichkeit einer kleinen Kaffeepause vorzuschlagen. Der Marktplatz von Saarburg lud geradezu zum Verweilen ein. Allerdings hatte sich Philipp einen schlechten Ort für ihren Stopp ausgesucht, denn in wenigen Metern Entfernung rauschte ein mächtiger Wasserfall durch das Städtchen. So waren seine Worte kaum zu verstehen. Eine kurze Abstimmung ergab, dass niemand eine Pause einlegen wollte. Selbst Peter, der sich mit hochrotem Kopf eine Flasche Wasser ins Gesicht schüttete, verneinte. Und so begann der hügelige Teil ihrer Tour, hinüber ins Moseltal auf der anderen Seite. Tanja und Laura fuhren noch immer Seite an Seite.
“Du bist gut in Form”, bemerkte Tanja.
“Du meinst, für mein Alter?”, scherzte sie.
“Nee, bestimmt nicht!”
Tanja spürte bereits nach so kurzer Zeit, dass sich ihre Laune besserte und sie Lust auf eine kleine Konversation bekam.
“Ich meine, dass das hier bestimmt nicht deine erste Tour mit dem Rennrad ist.”
“Stimmt”, bestätigte Laura, “sobald es meine Zeit erlaubt, sitze ich im Sattel. Es könnte trotzdem mehr sein. Aber als Politikerin hat man ja immer einen vollen Terminkalender.”
“Kann ich mir vorstellen.”
Tanjas Atmung ging bereits schneller, während Laura noch kaum angestrengt wirkte.
“Stelle ich mir schwierig vor”, presste Tanja hervor.
“Schwierig?”
“Na ja, heutzutage Politik zu machen.”
“Ja, das kann man wohl sagen. Einen gewissen Idealismus braucht man schon, um den Job zu machen.”
“Das kenn ich.”
Beim Thema Idealismus fiel ihr Florian ein, doch sie schob den Gedanken schnell wieder beiseite. Florian schien gerade nicht in ihr Leben zu passen.
“Schau dir Peter an”, sagte Laura und kam auf das Thema Radsport zurück, “hält sich für unwiderstehlich, aber macht schon bei der ersten Anstrengung schlapp.”
Da sich die beiden in einem Anstieg befanden und sich Tom im Wiegetritt in die Spitzengruppe abgesetzt hatte, fuhr Peter direkt vor ihnen. Als er seinen Namen hörte, drehte er sich direkt um, nicht ohne den Lenker zu verreißen und eine gefährliche Schlangenlinie zu fahren. Zum Glück waren auf diesem Teilstück kaum Autos unterwegs.
“Peter? Alles klar bei dir?”
Laura blickte in zusammengekniffene Augen. Das war nicht die Anstrengung, sondern die Sonnencreme, die Peter von der Stirn, zusammen mit dem Schweiß, in die Augen lief.
“Ich dachte, ich hätte meinen Namen gehört.”
“Wir haben uns gerade gefragt, ob die Tour nicht etwas zu anstrengend für dich ist”, wand sich Laura.
“Für mich doch nicht!”, keuchte Peter offenkundig wahrheitswidrig. “Ich bin nur etwas zu schnell in den Berg reingegangen.”
“Wow! Wo hast du denn das Radsportvokabular her?”, wollte Laura wissen.
“Irgendwo aufgeschnappt …”
“Und wen willst du damit beeindrucken?”
Peter schnappte nach Luft. Sein Atem ging immer schneller. Er warf Tanja ein Lächeln zu; ein Lächeln, das charmant wirken sollte, aber eher gequält aussah.
“Lass gut sein, Peter”, half ihm Laura aus der akuten Formschwäche, presste ihre flache Rechte gegen Peters Rücken und schob ihn ein wenig an.
“Komm!”, rief sie Tanja zu, “lass uns mal schauen, ob wir den Angebern da vorn nicht mal zeigen können, was eine Attacke ist.”
Während des Überholvorgangs schob sie Peter ein paar Meter bergan, dann zog sie mit ihrer Begleitung davon. Tanja musste kämpfen, doch Lauras motivierende Art beflügelte sie. Sie blieb dran, ihr Puls raste wie verrückt. Und als sie die kleine Anhöhe erreicht hatte, bemerkte sie etwas ganz Erstaunliches: trotz ihrer körperlichen Erschöpfung fühlte sie sich frei und unbeschwert, so leicht, wie schon lange nicht mehr. Philipp hatte recht gehabt. Je mehr sie sich verausgabte, desto ausgeglichener fühlte sie sich. Der Alltag schien verschwunden. Was blieb, war das Stechen in den Lungen, ihr überhitzter Kopf, der zu platzen drohte, der Schmerz in den Beinen. Alles in allem ein guter Tausch, wie sie fand.
“Kurze Pause?”, fragte Laura und machte sich bereit, ihre Schuhe aus den Pedalen zu klicken.
“Meinetwegen nicht”, log Tanja. Sie griff nach ihrer Trinkflasche und sah hinab ins Moseltal. Nach ein paar flachen Metern schien eine rasende Abfahrt zu beginnen.
Die beiden Frauen rollten gemächlich der Abwärtsserpentine entgegen, Laura voran.
Schließlich stürzten sie sich wagemutig das 15%-Gefälle hinunter. Tanja bemühte sich, die Körperhaltung ihrer Mitfahrerin nachzuahmen. Sie ging aus dem Sattel und beugte ihren Oberkörper tief über den Lenker. Überrascht stellte sie fest, dass Radfahren nicht nur in den Beinen schmerzte …
An der ersten Kreuzung im Tal wartete Phillip mit den anderen. Tanja musste kräftig in die Bremsen greifen, um rechtzeitig zum Stehen zu kommen. Beinahe hätte sie Toms Hinterrad touchiert. Der betrachtete sie mit einer Mischung aus Arroganz und Macho-Gehabe.
“Hatte ich Ihnen nicht geraten, die Bahn zu nehmen?”, ätzte er. “Auf der Schiene wären Sie wenigstens keine Gefahr für andere!”
Tanja starrte ihn fassungslos an. Auf seine Gemeinheiten war sie nicht vorbereitet. Konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Ihre Augen wurden feucht, was aber nicht am Fahrtwind lag. Er bemerkte es nicht. Sie stieg wieder in den Sattel und fuhr an den anderen vorbei. Philipp schaute ihr verdutzt hinterher, unternahm aber nichts. Einzig Tom sah, dass er wohl zu weit gegangen war und setzte ihr hinterher. Er brauchte nicht lange, bis er sie eingeholt hatte. Er lotste sie auf einen Parkplatz abseits der Hauptstraße und bremste sie schließlich mehr oder weniger elegant aus, sodass