Glück3. Elisabeth Martschini

Glück3 - Elisabeth Martschini


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schmeckt.“

      Damit war diese Sache erledigt und das Gespräch konnte zum eigentlichen Thema zurückkehren. Um zu demonstrieren, dass sie selbst ohne Anstand und Zurückhaltung keine schlechte Zuhörerin war, fragte Maria Liliencron: „Was stand denn drin in der Pförringer Wochenpost?“

      „Viel stand drin, war ja eine Wochenzeitung und im Laufe einer Woche kann man als Journalist schon eine Menge zusammentragen, worüber sich die Leser in der Folge das Maul zerreißen.“

      „So schlimm?“, fragte Maria Liliencron zweifelnd.

      „Kennst du die Neue Pförringer Wochenpost?“, fragte Traude Kranzlbauer zurück.

      „Ja“, gab die andere zu, „ich habe sie hin und wieder durchgeblättert, wenn ich in Pförring beim Gynäkologen war. Ist aber schon eine Weile her“, fügte sie hinzu.

      „Hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich gebessert“, meinte Traude Kranzlbauer und war zugleich hellhörig geworden. „Wieso in Pförring?“, wollte sie neugierig wissen. „Ist das nicht ein bisserl weit? Wir haben in Bad Au doch auch einen Frauenarzt. Sogar zwei, wenn ich mich nicht irre.“

      „Drei“, berichtigte Maria Liliencron, „sogar damals schon, obwohl seither Müllner junior den Senior abgelöst hat.“

      „Und der Senior war dir ... unsympathisch?“, mutmaßte Traude Kranzlbauer.

      „Nicht direkt“, meinte die Freundin/Kollegin, „aber vor zwölf oder dreizehn Jahren wäre es mir unangenehm gewesen, wenn mich die Leute dort jeden Monat hätten hingehen sehen. Auch wenn der Bauch spätestens ab dem sechsten Monat eh nicht mehr zu übersehen war.“

      „Die ersten drei Monate erbrechen und die letzten drei kugeln oder so ähnlich“, sagte Traude Kranzlbauer, die derlei Probleme zu ihrem Bedauern nie am eigenen Leib erfahren hatte. Zumindest das Erbrechen nicht. Oder jedenfalls nicht das Erbrechen aufgrund einer Schwangerschaft.

      „Nicht wirklich“, widersprach die Jüngere. „Schlecht ist mir eigentlich erst später geworden, als ich schon geglaubt habe, dass mir wenigstens das erspart bleibt. So im fünften, sechsten Monat. Angefangen hat’s ziemlich harmlos. Ich war nur unheimlich verfressen.“ Sie kicherte in Erinnerung an diese lang vergangene Zeit.

      „Ach so, verstehe“, nickte Traude Kranzlbauer. Der Versuch, sich vertraut zu geben, war gescheitert. Sie überlegte kurz. „Richtig“, erinnerte sie sich wieder an den Punkt, an dem sie stehen geblieben war beziehungsweise sich von Freundin Maria vom rechten Weg hatte abbringen lassen. „Die Pförringer Wochenpost war um keinen Deut besser als die jetzige Neue Pförringer Wochenpost. Vielleicht sogar noch schlimmer, woran du siehst, dass früher nicht alles besser war. Auch die Menschen nicht. In jener Ausgabe der Zeitung war nämlich – und ich glaube, darum ging es demjenigen, der sie zu den Bad Auer Zeitungen gesteckt hat, weil ein Vermerk auf der Seite stand und dort alles andere ziemlich uninteressant war, also zumindest für mein Empfinden, was natürlich ...“

      „Herrje, Traude, was stand dort?“

      „Na ja, da war so eine Geschichte über eine Frau. Der Titel lautete: Schwarze Witwe oder Rachegöttin? Sie, also die Frau, hat anscheinend auf mysteriöse Weise ihren zweiten Ehemann verloren.“

      „Wieso mysteriös?“

      „Weil er sich mit der eigenen Dienstwaffe – er war Polizist – erschossen haben soll.“

      „Absichtlich?“, wollte Maria Liliencron wissen.

      „Genau darum geht’s in dem Artikel. Angeblich war’s ein Unfall, was die Polizei aber nur gesagt haben soll, weil einer aus den eigenen Reihen nicht Selbstmord begehen darf.“

      „Und andere dürfen?“

      „Wie? Nein, niemand darf Selbstmord begehen, obwohl es kein Gesetz dagegen gibt. Noch nicht, wer weiß, wo das alles noch hinführt mit der totalen Überwachung.“ Traude Kranzlbauer schüttelte missbilligend den Kopf.

      „Es gab also Anzeichen dafür, dass der zweite Ehemann der guten Frau Selbstmord begangen hat. Wobei mir auf- und einfällt: Was ist mit dem ersten passiert?“

      „Selbstmord“, antwortete Traude Kranzlbauer.

      „Hat ihm das jemand erlaubt?“, konnte Maria Liliencron sich nicht verkneifen zu fragen.

      „Maria, ich bitte dich, mach dich über solche Sachen nicht lustig. Zwei Selbstmorde bei zwei Ehemännern ist nichts, was man einer Frau wünscht“, erklärte Traude Kranzlbauer und ließ offen, ob nur die Suizide oder auch die Ehemänner den Grund ihres Mitleids darstellten.

      „Das kommt auf die Ehemänner an“, sinnierte Maria Liliencron, die sich offenbar eine ähnliche Frage stellte. Sie dachte an Diana Martin, die am Bad Auer Gymnasium gemeinsam mit zwei Kolleginnen für die Sauberkeit des Schulgebäudes zuständig war. Was noch nichts mit einem oder gar zwei Ehemännern zu tun, aber über Umwege dazu geführt hatte, dass sie Maria Liliencron in einer schwachen Stunde und bei starkem Kaffee gewisse Andeutungen bezüglich ihrer alles andere als glücklichen Ehe gemacht hatte.

      „So etwas Ähnliches haben die in der Zeitung auch geschrieben“, fuhr Traude Kranzlbauer trotz der Unkenntnis von Dianas Lebensgeschichte fort. „Dass die gute Frau vielleicht gar nicht so unglücklich darüber war, weil zumindest der zweite Ehemann einen Hang zur Gewalt gehabt haben soll. Nicht nur von Berufs wegen.“

      „Anscheinend, angeblich, haben soll – das ist mir irgendwie alles zu vage“, wandte Maria Liliencron ein. „Wieso interessiert dich das überhaupt?“

      „Weil es doch einen Grund geben muss, warum jemand diese Ausgabe einer ortsfremden Wochenzeitung im Stadtarchiv von Bad Au aufbewahrt wissen will.“

      „Zufall, Spleen, Schlamperei“, tat Maria Liliencron die Sache, die sie für die eigentlich dumme zu halten schien, ab. „Außerdem ist Pförring Bezirkshauptstadt, was dort passiert, interessiert die kleineren Gemeinden immer, weil sich in ihnen halt nichts Nennenswertes tut.“ Dann nahm ihre Stimme einen scherzhaften Tonfall an. „Was mich aber wirklich interessieren würde: Ob ich womöglich noch ein Stückchen von deinem köstlichen Kirschkuchen bekommen könnte?“ Sie lachte und die vorübergehende Spannung zwischen den beiden Frauen löste sich in Wohlgeschmack auf.

      „Selbstverständlich“, beeilte sich Traude Kranzlbauer zu sagen und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: „Schön, dass du so einen gesunden Appetit entwickelt hast. Musst nur ein bisserl auf deine Figur schauen.“

      Maria Liliencron wich das Blut aus dem Gesicht. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und hustete.

      „Meine Güte, Maria, hast du schon wieder einen Kern verschluckt? Du weißt doch, dass ich die gatscherten entkernten Kirschen nicht leiden kann.“ Traude Kranzlbauer war aufgesprungen und hinter Maria Liliencron getreten, der sie jetzt kräftig auf den Rücken schlug.

      Das Husten verstummte. Die Jüngere wischte sich eine Träne aus dem Gesicht und schniefte.

      „Da, ein Taschentuch.“ Frau Kranzlbauer reichte der Freundin ein Täschchen aus geblümtem Stoff. Maria Liliencron zog dankbar ein Papiertaschentuch heraus und putzte sich geräuschvoll die Nase. „Vielleicht sollte ich die Kirschen das nächste Mal doch ...“, überlegte Traude Kranzlbauer.

      „Nein, nein“, beeilte sich Maria Liliencron zu sagen, „es war allein meine Schuld. Aber das kommt wieder in Ordnung.“ Sie schnäuzte sich noch einmal, schob den leeren Kuchenteller von sich und bat: „Lass uns nur bitte von etwas anderem sprechen. Eine schwarze Witwe ist nicht unbedingt das beste Thema für einen angenehmen Nachmittagsplausch unter Freundinnen.“

      Und so unterhielten sich die beiden Frauen während der folgenden eineinhalb Stunden über angenehmere Dinge, die da wären: die Last des Unterrichts, die Verhaltenskreativität gewisser Schüler, die um nichts hinter der gewisser Lehrer zurückstand, und die Freude darüber, wenigstens vorübergehend einen so sympathischen Mann aus dem Kollegenkreis als Direktor zu haben.

      o


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