Waldlichter. A. V. Frank

Waldlichter - A. V. Frank


Скачать книгу
sind selten Menschen unterwegs.“

      Bildete sie es sich ein oder betonte er das Wort Menschen? Nein, das war nur ihre Fantasie.

      Sie löste den Blick von dem seinen und sah auf den Boden. „Ich wandere viel im Wald herum, aber war erst selten in diesem Teil, also dachte ich mir, dass ich mich heute einmal genauer hier umschauen sollte.“ Natürlich war das keine Lüge, es stimmte voll und ganz, aber den Hauptgrund, warum es sie in diese Gegend verschlagen hatte, ihren Traum, den erwähnte sie nicht.

      Einen Moment zu lange musterte er sie und sie fürchtete schon, er merkte, dass sie ihm etwas verschwieg, aber schließlich nickte er und stand auf. Sie folgte seinem Beispiel und wusste, dass sie sich nun voneinander verabschieden mussten. Es tat ihr im Herzen weh, und ehe sie sich daran hindern konnte, fragte sie: „Werden wir uns wiedersehen?“ Sofort wurde sie rot und blickte zu Boden. Wie peinlich war das denn gewesen?

      Sirman kam auf sie zu, bis er direkt vor ihr stand, hob ihr Kinn mit seiner Hand zart an und flüsterte: „Ich hoffe es doch sehr. Selten habe ich so ein schönes Geschöpf im Wald gesehen.“ Dann küsste er sie sanft auf die Lippen, drehte sich um und war im Wald verschwunden.

      Atemlos starrte sie ihm hinterher. Sie fasste nicht, was soeben passiert war, versuchte, ihrem Gehirn zu sagen, dass es sich den Kuss bloß eingebildet hatte, aber sein Geschmack auf ihren Lippen war zu intensiv, das Gefühl zu unvergesslich.

      Sehr lange stand Transca noch so da und betrachtete den Wald und die Brombeeren, hoffte verrückterweise, Sirman würde zurückkommen. Doch als sie merkte, dass die Sonne bereits den Horizont berührte, drehte sie sich um und lief zurück, bergab und weiter durch den Wald, achtete nur so weit auf ihre Umgebung, um Zusammenstöße mit Bäumen zu vermeiden.

      Nach circa anderthalben Stunde war sie zu Hause angekommen. Der Traum war ihr jetzt völlig egal, genau wie diese mysteriöse Felsspalte. Sie schlüpfte leise in den Wohnwagen, ließ sich auf ihr Bett fallen und wurde sich noch einmal ihrer schmuddeligen Kleidung bewusst, bevor sie in tiefen Schlaf fiel. Diesmal träumte sie nichts Besonderes, sie wusste nur noch, dass erstaunlich viele Lichtungen und grüne Augen aufgetaucht waren.

      Am nächsten Morgen, einem Sonntag, wurde sie von Robin geweckt. „Hey, du große Schlafmütze, der Bus, der unsere Gäste bringt, kommt in einer halben Stunde und ich dachte mir, dass du gerne vorher noch duschen würdest.“ Demonstrativ krauste er die Nase.

      Sie lächelte matt, schälte sich aus ihrer Decke und trank begierig den Tee, den er ihr gemacht hatte. „Danke“, sagte sie, nahm zwei Handtücher und ging duschen.

      Als sie sauber war und eine kurze Hose, ein Trägertop und Flip-Flops trug, war sie bereit, ihren Freunden zu begegnen. In dem Moment klopfte es an der Tür.

      „Ja?“, rief sie und öffnete.

      Draußen stand Katherina, die ungeduldig mit dem Fuß wippte. „Kommst du jetzt endlich? Wir verpassen noch die Ankunft und dann sind unsere süßen Jungs beleidigt.“ Da sie grinsen musste, kam diese Aufforderung nicht sehr böse rüber, auch wenn ein genervter Unterton in ihrer Stimme auszumachen war.

      „Bin schon so weit“, sagte Transca schnell und ging voran.

      Kath kam hinterher und murmelte etwas, das sich verdächtig nach „Was soll hier schon heißen?“ anhörte. Tran grinste.

      Sie kamen gerade noch pünktlich auf dem großen Platz vor den Ferienwohnungen an, die in einem Halbkreis gebaut waren. Der Bus hatte kaum die Türen geöffnet, als Jugendliche aus ihm hervorquollen und ungeduldig auf den Busfahrer warteten, der die Klappen an den Seiten aufmachen und die Koffer herausgeben sollte. Während sich die meisten um ihn scharten, kam Caroline direkt auf die beiden Mädchen zu und umarmte Tran ganz fest. Diese hielt sie ganz lange in der Umarmung, wollte sie gar nicht loslassen. Caro war von allen, abgesehen vielleicht von Katherina, ihre beste Freundin. Die beiden hatten Freudentränen in den Augen, als sie sich voneinander lösten.

      Dann wurde Katherina gedrückt, auch wenn diese Umarmung deutlich kürzer ausfiel. Von hinten kam Marina, Caros Zwillingsschwester, auf das Grüppchen zu und zog hinter sich zwei große Koffer her. Auch sie wurde von Tran begeistert begrüßt, während Caroline ihren Koffer an sich nahm und sich suchend nach den anderen umschaute.

      Auf einmal wurden Kath und Tran von hinten von großen, starken Händen an den Schultern gepackt. Sie drehten sich um und umarmten die beiden Jungs, die hinter ihnen standen, fest. Während Tran Eric an sich drückte, küsste Philipp Katherina gerade zur Begrüßung. Die beiden waren jeden Sommer zusammen, hatten aber während der restlichen Zeit keinerlei Kontakt zueinander. Mit Eric war das etwas anderes. Er war einfach Trans bester Kumpel, und obwohl sie heimlich in ihn verliebt war, wusste sie, dass sie keine solche Beziehung wie Kath wollte.

      Zu guter Letzt sichtete Marina das Pärchen Melissa und Lisa, das erst seit einem Jahr zu ihrem Freundeskreis gehörte. Sie kamen händchenhaltend auf die Gruppe zu und umarmten alle. Daraufhin wurde heftig Klatsch und anderes Wissenswertes ausgetauscht. Sie redeten und redeten. Tran stand ganz nahe bei Eric und hing an seinen Lippen, als er von seinen Eltern erzählte.

      Plötzlich ertönte eine Stimme aus einem Lautsprecher und alle drehten sich zu Lilly um, die auf der Veranda eines Hauses stand und in ein Megafon sprach. „Alle mal herhören. Ich heiße euch in Grettersane willkommen und wünsche euch angenehme Ferien. Für diejenigen von euch, die neu sind, ich bin Lilly, die Leiterin und Verantwortliche für diese Wohnungen. Ich verlese jetzt eure Namen und sage euch die Nummer eures Hauses. Julia Andorn, Haus fünf, Lysana Appleton, Haus sieben, Jamie Brond, Haus eins ...“

      So ging es weiter, Namen über Namen und lauter junge Leute, die in die ihnen zugeteilten Häuser gingen. Trans Freundinnen kamen in Haus sieben, zusammen mit der eben genannten Lysana und einem Mädchen namens Victoria. Eric und Philipp wurden in Haus eins untergebracht.

      Als alle verteilt waren, zerstreute sich die Menge der Dorfbewohner, die zugesehen hatte, schnell. Nur Kath und Tran blieben draußen zurück, bis Caroline sie hereinrief. Drinnen herrschte ausgelassene Stimmung und ein Geschnatter, dass man beinahe taub wurde.

      Die eine der beiden neuen, Lysana, ließ einen komplett verzweifeln. Das Bett war zu hart, der Platz zu gering, die Gesellschaft der anderen unangenehm und es war angeblich viel zu dreckig, was überhaupt nicht stimmte. Das ging so, bis die andere Neue, Victoria, sie anherrschte, was sie eigentlich für Probleme hätte. Wenn ihr das hier nicht recht wäre, hätte sie zu Hause bleiben sollen.

      Da wurde Lysana still, bedachte sie mit einem tödlichen Blick und machte sich ans Auspacken. Dabei sagte sie: „Wenn mir einer an meine teuren Guccisachen geht, dann kann derjenige was erleben. Übrigens könnt ihr mich Ana nennen und ich werde schneller eure Freundin, wenn mir jemand etwas Alkoholisches beschafft.“

      Tran runzelte ärgerlich die Stirn, stellte sich dann aber vor und ihre Freunde folgten ihrem Beispiel. Auch Victoria stellte sich vor, bat aber darum, sie Vici zu nennen. Sie war Tran sofort sympathisch, also fragte sie diese, ob sie mit ihnen mitkommen wolle. Sie lächelte Tran an, bejahte und packte fertig aus. Dann riefen draußen Philipp und Eric ihre Namen und Kath und Tran gingen vor. Während die vier auf den Rest warteten, tuschelten Kath und Philipp die ganze Zeit miteinander und konnten ihre Finger kaum bei sich behalten. Tran und Eric versuchten, sie nicht zu beachten, und unterhielten sich.

      Es waren keine besonderen Themen, aber Tran merkte, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Sie rückte näher an ihn heran und er legte ihr den Arm um die Schultern. Es war nichts Besonderes an dieser Geste, so saßen sie immer da, egal, ob im Pub oder am Lagerfeuer, aber sie fühlte sich sofort geborgen und lehnte den Kopf an seine Schulter. Doch leise Schuldgefühle beschlichen sie, als sie sich wünschte, statt Eric Sirman neben sich zu haben. Schnell verbannte sie diesen Gedanken wieder.

      Als die anderen mit Vici und Ana zusammen aus Haus sieben kamen, standen sie auf. Tran suchte Caros Blick und schaute dann fragend zu Ana hinüber. Caro hatte eine leidende Miene aufgesetzt, nickte aber.

      Seufzend ging sie auf Ana zu und sagte: „Da du anscheinend mitkommen willst, muss ich dir aber noch sagen, dass wir


Скачать книгу