Waldlichter. A. V. Frank

Waldlichter - A. V. Frank


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Gesicht war wahrscheinlich ein einziges Fragezeichen. Aber dann erinnerte ich mich an den Streit wegen Pan und mir kam der schreckliche Verdacht, dass er mich schon seit Langem nur noch benutzt hatte, bis er einen würdigen Ersatz gefunden hatte.

      Dann hörte ich wieder seine Stimme, zwar gedämpft, aber klar verständlich, und mir fuhr ein schmerzhafter Stich durchs Herz. „Ich komme gleich, Zuckerschnecke, ich muss nur schnell was klären.“

      Es war gut, dass ich schon lag, denn ansonsten wäre ich jetzt umgekippt. „John, kannst du mir mal bitte erklären, was da los ist? Elisabeth? Geht’s noch? So viel zum Thema, dass mein Platz während meiner Abwesenheit unbesetzt bleibt!“

      Ich hörte, wie er leise fluchte, und dann deutlicher sagte: „Äh, das ist ein Missverständnis, wir müssen nur ein paar Sachen durchsprechen, aber mehr läuft da nicht. Und wieso sollte dein Platz von ihr eingenommen werden?“

      Ich hörte die Lüge klar und deutlich und spürte gleichzeitig, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Dass es bald enden würde, hatte ich gewusst, es lief schon seit Monaten nicht mehr richtig zwischen uns, aber dass das Ende so eine Demütigung beinhalten könnte, hätte ich nie vermutet.

      „John, was soll das? Bitte, sei wenigstens ehrlich. Wenn du jetzt was mit Elisabeth hast, dann sag es einfach. Wenn du mich nicht länger im Vorstand von Pan haben möchtest, dann gib es zu. So hat das doch keinen Sinn mehr.“ Meine Stimme war ruhig und mein Kopf wie leer gefegt. Undeutlich nahm ich wahr, dass die anderen mich beobachteten und verstummt waren.

      „Mensch, Vici, so ist es doch überhaupt nicht! Mit dem Vorstand von Pan hat das doch überhaupt nichts zu tun, ich habe dir doch schon erklärt, weshalb du dich erst wieder beweisen musst. Bitte, glaub mir, Pan wird dich wieder brauchen, wenn du in ein paar Wochen zurückkommst.“

      „Ach ja? Das hörte sich aber letztens noch ganz anders an. Aber Pan ist mir im Moment ziemlich egal, was läuft zwischen dir und Elisabeth?“

      „So, dir ist Pan also egal? Das ist genau die Einstellung, deretwegen wir beschlossen haben, dich auf diese Reise zu schicken. Wir wussten ganz genau, dass die Umwelt dort sauber ist, weil wir vor einigen Jahren eine große Aktion am Start hatten ... bevor ihr hergezogen seid. Das sollte dir verdeutlichen, was unsere Organisation erreichen kann, aber jetzt kommst du daher und verkündest, dass dir das Wohl der Pflanzen und Tiere sowie Pan völlig egal sind!“

      Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. „Wieso habe ich bisher noch nie gemerkt, dass du ein notorischer Lügner bist, John? Ich habe unsere Archive durchgearbeitet, sämtliche Aktionen thematisiert und katalogisiert, um in den Vorstand zu kommen und mich als würdig zu erweisen. Das hättest du nicht vergessen sollen bei deiner verzweifelten Suche nach einer Ausrede. Es gab hier nie eine Aktion von Pan, die Organisation war in dieser Gegend vollkommen inaktiv. Deine Lügen heißen für mich also im Klartext, dass Pan mich nicht mehr haben möchte. Gut, meinetwegen, ich trete aus und kehre euch den Rücken. Reicht euch mein Wort darauf oder muss ich das noch schriftlich machen?“

      „Nein, uns reicht das vollkommen.“

      „Schön, wieso wundert mich das nicht? Ach, und zu der Sache mit Elisabeth ... Macht, was ihr wollt, es interessiert mich nicht länger. Es ist aus zwischen uns, John! Auf jemanden wie dich kann ich wirklich verzichten. Auf Nimmerwiedersehen!“ Ich legte auf.

      Meine Hand umklammerte das Handy so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten, woraufhin ich bewusst langsam meinen Griff löste. Ich hatte soeben mit einem Teil meines Lebens komplett gebrochen. Seltsamerweise machte es mir nicht so viel aus, wie ich vermutet hätte. Tatsächlich fühlte ich mich seltsam befreit.

      Erst als mich Hände an den Schultern berührten, merkte ich, dass die anderen versuchten, mich zu trösten. Ich sah nacheinander in ihre Gesichter, Transca, Caroline, Marina, Ana, selbst Eric. Die meisten wirkten etwas verwirrt und stellten sich bestimmt gerade tausend Fragen, die ich nicht gewillt war zu beantworten. Einzig Ana musste sich ein Grinsen verkneifen und ich vermutete, dass sie gerade daran dachte, dass sie mit viel mehr Stil mit irgendeinem Jungen Schluss gemacht hätte. Andererseits – das war John gewesen, Stil war in seinem Leben ein Fremdwort. Selbst unser erstes Date hatte keinen Stil gehabt, in einem schäbigen Pub bei einem ranzigen Ale zu sitzen und zu beobachten, wie betrunkene Gestalten ein- und austorkelten, zeugte nicht unbedingt von hohem Niveau.

      Ich musste auf einmal lachen. „Macht euch keine Sorgen, er ist es nicht wert, dass ich mir von ihm auch nur eine Minute länger meinen Urlaub vermiesen lasse“, erklärte ich fröhlich.

      Sie tauschten zweifelnde Blicke und Tran murmelte etwas, das sich nach „Was muss das nur für ein Arschloch gewesen sein“ anhörte, stand dann aber auf und legte sich wieder auf ihren Platz. Die anderen folgten ihrem Beispiel und ich löschte alle Nachrichten von John, sogar seine Nummer. Eine leise Wehmut übermannte mich, aber ich verbannte sie schnell. Dieser Urlaub gehörte momentan nur mir, nicht Pan, nicht John, ganz einfach nur mir.

      Nach einer Weile der Stille, die nur hin und wieder von ein paar Möwen durchbrochen wurde, ertönte auf einmal ein lautstarkes Knacken und Krachen im Wald hinter uns, was uns heftig zusammenfahren ließ. Doch nichts regte sich und so wandten wir uns bald wieder unserem Spiel zu, Mensch ärgere dich nicht, das Marina mitgebracht hatte.

      Allerdings erschien es mir des Öfteren danach so, als ob ich leise, melancholische Musik aus dem Wald hören würde, ich drehte mich andauernd um und blickte aufmerksam unter die Bäume.

      Ich merkte, dass auch Tran immer wieder hinsah, und runzelte verwirrt die Stirn. Hörte sie die traurige Musik auch? Ana schaute sich ebenfalls von Zeit zu Zeit unbehaglich um und war nicht wirklich konzentriert. Als ich schließlich Eric meine Figuren abgab und aufstand, um nachzusehen, bedachte sie mich mit einem verwirrten Blick. Ich ignorierte diesen und trat unter die flüsternden Baumkronen.

      Zunächst nahm ich nichts Ungewöhnliches wahr. Ich war schon etwa 100 Schritte gegangen, hörte aber keine Musik und sah niemanden, der in der Nähe gewesen wäre. Auf einmal verspürte ich ein Kribbeln im Nacken und fuhr herum. Immer noch sah ich niemanden, doch es schien mir, als ob ich weit entfernte Flötentöne wahrnähme. Ein Rauschen erhob sich und das Gefühl verstärkte sich, dass ich beobachtet wurde. Ich drehte mich so oft um die eigene Achse, dass ich dachte, mir würde gleich schwindelig werden, weil ich versuchte, die Herkunft der leisen Melodie zu orten, doch es gelang mir nicht einmal, genau festzustellen, ob es wirklich Flötentöne oder doch nur fernes Gezwitscher war, was ich vernahm.

      Dann hörte ich eine Frau sprechen, die sich anhörte, als ob sie am Lachen, Singen und Reden gleichzeitig wäre. „Du brauchst nicht beunruhigt zu sein, Victoria, in deiner Nähe ist keiner.“ Ein seltsames Echo hing in der Luft, doch meine aufgewühlten Gedanken legten sich und ich wurde automatisch ruhiger. „Da bist nur du und der leere Wald voller Geheimnisse. Du bist auf der Suche nach deinem Schicksal und dieses ist eng verbunden mit diesem Wald. Also lausche.“

      Nun ließ die Stimme, die aus den Bäumen und der Erde zugleich zu kommen schien, eine sanfte Melodie erklingen und sprach in einem den Tönen angepassten Singsang folgende Worte: „In der Nacht, die Mendelssohn-Bartholdy so wunderschön vertont hat, kommen drei zusammen, die von meinem Geschlecht bestimmt werden, und sie werden wichtiger sein für die Toúta, als diese je glauben könnten. Sie werden sie an dem Ort finden, der viele verschluckte und nie wieder hergab. Sie sind alle Träumer, verbunden mit der Vitonsadi, und verfolgen verschiedene Ziele, die alle das Gleiche sind, obwohl sie nichts davon wissen. Doch niemals darf etwas unbeachtet bleiben und die Stimmen, wie fremd sie auch scheinen mögen, sprechen oft die Wahrheit. Sie müssen auf der Hut sein und sich in Selbstkontrolle üben, sonst wird das Blut den Boden durchweichen und Herzen werden unwiderruflich stillstehen.“ Hier hielt die Stimme kurz inne und schien zu überlegen. Mit einem traurigen Seufzer fuhr sie fort: „Das Herz spielt einem Streiche und führt vor allem jene in Versuchung, die am stärksten zu sein scheinen. Und doch ist gerade dieses schwache Ding jenes, welches mit der Wahrheit am besten vertraut ist.“ Die Stimme in meinem Kopf lachte und es war solch ein wundervoller, reiner Laut, dass ich selbst lächeln musste.

      Langsam entfernte sich die Stimme wieder – begleitet


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