Waldlichter. A. V. Frank

Waldlichter - A. V. Frank


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Nacht, von Mendelssohn-Bartholdy vertont, woher sollte ich das denn wissen? Wer war dieser Bartholdy? War das nicht ein Komponist? Und auch der Rest war nicht sehr aufschlussreich gewesen. Das Herz spielte einem Streiche? Ach was. Nur gut, dass kein Druck bestand, es konnte ja bloß blutig enden ... Nur für wen?

      Kopfschüttelnd machte ich mich auf den Weg zurück zum Strand.

      Unbemerkt stieß ich wieder zu den anderen, die erschrocken zusammenfuhren, als ich auf einmal hinter ihnen stand. Ich lachte und setzte mich dazu. Als ich sah, dass Eric mit meinen Figuren gerade gewann, fieberte ich aufgeregt mit. Leider wurde er direkt vor dem Ziel von Ana geworfen und wir stöhnten unisono auf. Sie freute sich natürlich und gewann das Spiel schließlich auch.

      Plötzlich kam Caro an und bewarf uns alle mit Sand. Wir schrien durcheinander und lieferten uns eine regelrechte Sandschlacht. Wir benahmen uns wie kleine Kinder und es machte ungeheuren Spaß, nicht erwachsen sein zu müssen.

      Schließlich buddelten wir Tran im Sand ein und formten ihr den Körper einer Meerjungfrau, ein Motiv, das wir alle begeistert fotografierten. Danach wollten die anderen aber leider mich vergraben und schafften es, indem sich Eric mit voller Wucht auf mich warf, sodass ich auf den Boden fiel und die anderen meine Arme und Beine packten, bis Eric genug Sand über mich geschüttet hatte, dass ich nicht mehr so leicht aufstehen konnte. Doch das wäre alles nicht nötig gewesen, denn ich hatte mich bereits in mein Schicksal gefügt und leistete keinerlei Widerstand.

      Der Sand umrieselte zuerst zart, dann immer fester meinen Körper. Ich dachte mir: „Ich verstehe nicht, warum manche Leute so viel Geld für ein Peeling ausgeben, man muss sich einfach nur mit Sand einreiben, das hat denselben Effekt.“

      Dann ertönte genau über meinem Kopf Anas Stimme, die sagte: „Mach die Augen auf und bewundere deinen neuen Körper!“

      Ich schaute an mir herunter und musste lachen. „So viele Muskeln wollte ich schon immer mal haben.“ Sie hatten mir den Körper eines Bodybuilders geschaffen. Natürlich wurden auch davon viele Fotos gemacht.

      Als ich mich endlich von dem schweren Sand befreien durfte, tat ich meine Meinung kund, dass nun Ana an der Reihe sei. Dieser Vorschlag wurde sofort bereitwillig in die Tat umgesetzt. Ihr formten wir den Körper einer großen Ziege und ich wage zu behaupten, dass es davon die meisten Bilder überhaupt gab. Danach verwandelten wir Caroline in einen Baum und Eric erhielt einen Frauenkörper mit zahlreichen Kurven (kaum erwähnenswert, dass das super aussah, oder?).

      Dann versank die Sonne langsam im Meer. Wir gingen zurück durch den Wald und waren in komplett gelöster Stimmung, sodass wir nicht hörten oder merkten, wie uns mehrere Schemen lautlos folgten.

      Nachdem wir aus dem Wald getreten und in Grettersane angekommen waren, sahen wir die anderen auf uns zukommen, alle mit mindestens einer vollen Tüte. Kath war offensichtlich bei Bench fündig geworden, Lisa und Melissa bei D&G. Anschließend trennten wir uns voneinander.

      Ich ging erst einmal mit meinem Handy ins Internet und googelte Mendelssohn-Bartoldy, tatsächlich fand ich auch die besagte Nacht. Er hatte anscheinend den Sommernachtstraum komponiert, was mir allerdings überhaupt nicht weiterhalf, also überlegte ich weiter. Ich nahm es als einfache Sommernacht auf und überlegte weiter. Die Stimme hatte etwas von dreien gesagt. Drei Personen? Drei Dinge? Drei Tiere? Nein, es waren ganz sicherlich Personen gemeint gewesen. Aber wer?

      Fremde Stimmen sprechen oft die Wahrheit. Von wem anders als von einer fremden Stimme konnte diese Aussage schon kommen? Aber was bitte war eine Vitonsadi?

      Ach ja, und diese drei waren Träumer, was auch immer das bedeuten sollte. Ob es einfach nur hieß, dass sie träumen konnten? Aber nein, das konnte jeder. Vielleicht hieß es, dass sie sich an ihre Träume erinnern konnten. Aber auch das konnten die allermeisten. Vielleicht sollte es auch nur heißen, dass sie unaufmerksam und verträumt waren. Aber selbst davon gab es wahrlich genug.

      Sie sollten in einen Wald kommen und eine Toúta – was auch immer das war ‒ finden. Ich nahm einfach an, dass es sich um diesen Wald handelte, also mussten die drei wohl hier in der Nähe sein.

      „Aber wieso bekomme ich das gesagt? Wieso nicht Transca, die sich hier so gut auskennt? Die vielleicht sogar weiß, was eine Toúta ist.“ Ich schüttelte verwirrt den Kopf. Vielleicht sollte ich mich einfach Transca anvertrauen. Sie konnte mir sicherlich helfen herauszufinden, ob diese ... Erscheinungen logisch begründbar oder auf Hirnschäden zurückzuführen waren.

      Ich fand sie schließlich, als sie gerade aus St. Patrick’s herauskam. Nachdem sie bemerkt hatte, dass ich anscheinend mit ihr sprechen wollte, kam sie auf mich zu. „Was gibt’s?“, fragte sie mich, als wir voreinander standen.

      „Na ja, es ist etwas schwierig auszudrücken. Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mir sagen kannst, was ich gegen Gehirnschäden beziehungsweise Halluzinationen machen kann.“

      Nun war es an ihr, verwundert zu schauen. „Gehirnschäden? Halluzinationen? Wieso kommst du damit ausgerechnet zu mir, wäre da ein richtiger Arzt nicht besser?“

      „Ich brauche keinen Arzt – hoffe ich zumindest –, aber du kennst dich doch im Wald so gut aus, gibt es da irgendwelche seltsamen Kräuter oder Pilze, die Wahnvorstellungen auslösen, wenn man sie riecht? Mir war, als hätte ich eine komische Stimme gehört ...“

      Sie sah noch ungläubiger aus. „Was hat diese Stimme denn gesagt?“

      Ich druckste etwas herum, berichtete dann jedoch von dem Erlebten. „Sie sagte, ich solle keine Angst haben, sie hat mir ein Rätsel aufgegeben. Es handelte von drei, ich nehme an, Personen, die in den Wald müssen und eine Toúta beschützen sollen, da es ansonsten blutig enden könnte. Sie seien Träumer und würden verschiedene Ziele unbewusst verfolgen und in einer Sommernacht sollen sie in den Wald kommen. Und es klang so, als ob weitere Informationen folgen würden – von einer fremden Stimme. Und ich hatte das Gefühl, dir davon erzählen zu müssen.“ Ich hatte bis jetzt nicht bemerkt, dass sie kreidebleich geworden war, doch nun fragte ich: „Was hast du denn? Du bist ja bleicher als eine weiße Wolke.“

      „Hast du auch besondere Träume in letzter Zeit?“, wollte sie wissen, ohne mir meine Frage zu beantworten.

      „Na ja, was heißt in letzter Zeit, ich habe seit dem Verschwinden meiner Schwester Träume, die man nicht normal nennen kann. Aber was hat ...“ Ich brach ab, als mir klar wurde, worauf sie da anspielte. Ich wollte jedoch erst sicher sein, bevor ich den Gedanken zu Ende brachte. „Heißt das, du hast besondere Träume? Erzähl sie mir! Es könnte wichtig sein.“

      „Ich ... na ja, ich hatte einen Traum, aber das ist eigentlich nichts Besonderes, ich träume öfter. Doch irgendwie war es komisch. Ich habe in meinem Traum durch eine Spalte irgendetwas Heiliges betreten und bin in eine Höhle gegangen. Aber ansonsten kann ich mich an nichts mehr erinnern. Dann bin ich raus aus der Höhle und da stand so eine seltsame Gestalt. Auf den ersten Blick sah sie aus wie ein Mensch, aber da war irgendetwas Übernatürliches an ihr. Sie sah mich erstaunt an, dann blickte ich noch einmal kurz in den Wald und bin aufgewacht. Aber die Person sah mir ziemlich ähnlich und das Seltsamste daran war, dass ich am Tag davor im Wald war und meine Umgebung nicht mehr richtig gesehen habe, sondern einen verschlungenen Pfad vor mir hatte und ein grünes Kleid trug, genau dasselbe, das auch diese Frau getragen hat. Daraufhin bin ich gegen einen Ast gestoßen. In den folgenden Minuten hat sich mein Blickfeld andauernd verzerrt ...“

      Sprachlos starrte ich sie an. Sie war vielleicht eine der drei. Ich fragte mich sofort, wer wohl noch dazugehörte. „Ob ich wohl auch ...“, dachte ich, verbot mir den Gedanken aber sofort. So vermessen war ich nicht. Ich hatte keine Lust, die Welt zu retten. Oder eine Toúta ...

      „Das ist wirklich seltsam. Ich denke, du bist eine der drei Auserwählten, denn nun bin ich mir ziemlich sicher, dass es Personen sind. Hast du eine Ahnung, wer noch eine sein könnte?“, sprach ich meinen Gedanken aus.

      „Nein, echt überhaupt nicht. Kann ich erst mal eine Nacht drüber schlafen? Das ist nämlich total verwirrend und ich brauche Ruhe in meinem Kopf. Vielleicht hast du heute Nacht ja einen


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