Aramesh. Barbara Naziri
Kindheit
warten Traum-verlassen,
hoffend auf den Trost der Taube,
harrend auf die Antwort des Windes.
Die Gärten meiner Kindheit leben
unvergessen in meinem Herzen.
Heimatlos
Die Stille dieses Morgens
durchtränkt leise Wehmut, deren
Antlitz sich in der Brandung verliert.
Auf dem Grund des Meeres wartet
der Himmel mit Sternen bestückt,
während sich die Trauervögel in
Wolkennestern meines Herzens
verbergen.
Manchmal ist mein Schweigen laut
und durchbricht die Stille
trüber Gedankenflüsse.
Ach, Einsamkeit! Vertraute Feindin!
Umarme mich nicht, damit ich
Asche werde in der Urne
des Vergessens –
atme meine Träume, lass mich
erwachen mit dem Wind.
Unerfüllt
Siehst Du die trunkenen
Pferde über die Steppe ziehen?
Atme den Duft wilden Thymians
und spüre die Rosen auf meiner Haut.
Ich lasse Dich gehen, dorthin
wo der Norden durch zerklüftete
Berggipfel faucht – der Rachsüchtige,
dem nur du gehörst.
Ich schreite durch das Bild der Welt,
verschweige dem Wind Deinen Namen,
in der Hoffnung, dass der Simorgh1 uns eines
Tages von unserem Leiden erlöst.
1986 Iran – während des Iran-Irak-Krieges
1 Mythischer Riesenvogel, Schutzvogel mit übernatürlichen Kräften
Kind der vier Winde
Ich bin das Kind
der rastlosen Winde,
suche nach Wurzeln,
die ich nicht finde:
Im Osten
bin ich eine Moschee
im Westen
ein stiller und tiefer See,
im Süden
ein Lied, berühre das Herz
im Norden
ein Eisblock, verberge den Schmerz.
Überall in der Welt zu Hause zu sein,
heißt selten geborgen und häufig allein.
So wurde ich zum Kind der vier Winde,
weil ich meine Heimat nirgendwo finde.
September 1992
Der Weg von Teheran
Über den Wolken von Teheran
verlieren sich meine Träume, im
Prisma verwirrender Gedanken
brechen Erinnerungen, werden
zu Mosaiken im Kaleidoskop
meines Lebens.
Keine Farbe vermag mich
zu trösten. Darum schenke ich
meine Tränen dem Namak2, der sie
mit einem Lächeln verschlingt.
Sein Salz brennt sich tief in
die Wunde meines Herzens.
Gib mir meine Süße zurück, mein
fremder Freund, meine Heiterkeit,
die nun in einer Tasse schwarzen Tees
ertrinkt in Zimt und Koriander.
2011 – nach einem letzten Besuch im Iran
2 Salzsee zwischen Teheran und Ghom
An Hafez
In Schiraz blüht ein Rosengarten,
ein Schweigen liegt auf Hafez’ Grab
und doch beredt – hier will ich warten,
auf ihn, den ich im Herzen hab.
Die Rosen duften an der Pforte,
durch die ein stiller Weg mich führt,
ihr Lächeln streift an jenem Orte
mein Sein, das tief von Dank berührt.
Ach, könnte ich lösen das Erdenrätsel,
die Weltperle drehen, sie neu gestalten
die Liebe zu leben, den Weinkelch erheben
zum Lichte, den blutroten Trank nur halten!
Ich leere den Kelch auf Hafez’ Namen,
rot perlt der Weintrank im Kristall
für alle Liebenden, die kamen.
Hafez, dein Geist ist überall.
Schiraz, 2011
Stadt der Rosen
Vor meinen Augen schwimmt das Land,
Sehnsucht zieht mich hierher,
um mich herum Salz, Stein und Sand,
ein wasserloses Meer.
Auf alten Karawanenwegen,
die kaum noch einer kennt,
bläst mir der Sandsturm ins Gesicht,
sein wilder Atem brennt.
Von ferne winkt der Zagros3 mir,
Komm, Tochter, nimm das Band,
folg ihm ins Land der Arier,
wo Deine Wiege stand.
Das Farbenspiel am Himmelszelt,
ein ahnungsvolles Zeichen?
Doch als das Trugbild jäh zerfällt,
beginnt mein Traum zu weichen.
Da lächeln mir am Horizont
die Saphirhügel grün,
tief eingebettet und umsonnt,
seh Schiraz ich erblühn.
Wie lieblich ihre Rosenwangen,
gehüllt in zarten Duft,
der