Aramesh. Barbara Naziri
mein Charme
sind sehr flüchtig,
mein Herz aus Glas
hat Sprünge und
eine unbeantwortete
Frage ertrinkt im
Wortgefüge
leerer Antworten.
Ich sage »Guten Tag«,
doch du liebäugelst mit
der Nacht, die in ihrer
Vergesslichkeit
die Tage verschenkt.
Die Vergangenheit hat
mich gedichtet,
doch die Gegenwart
stahl meine Poesie.
Nun warte ich auf den
Morgen und seine
Reserve in tausend
Tautropfen.
Robaiyat
Das Geheimnis unserer Welt wird niemand je ergründen,
das Wort, geschrieben in den Sand, wird niemals jemand finden.
Darum schaff’ Dir an diesem Ort Dein Erdenparadies.
So lebe, lieb, erfreue Dich, bevor die Lebensgeister schwinden.
Aramesh
Ich bin kein Baum, der
durch sein Astloch blinzelt
und träumend hofft, von der
Axt verschont zu bleiben.
Betrachte mich nicht als
Blume, von unmündiger
Hand ihrer Wurzeln beraubt,
um in der Vase zu welken.
Suche mich in der hitzigen
Wüste, tauche in den
Kristallsand der Zeit, warte
auf das Erwachen der Sterne.
Könnte ich Herzen regnen
lassen und in die Seelen
Liebe säen, würde ich meine
Hände in Feuer tauchen.
Mit jedem Augenaufschlag
gebäre ich Worte in roter Tinte,
die in der Dunkelheit wachsend
den neuen Morgen erblicken.
Duft der Heimat
Dein Lächeln, ein Versprechen aus
grünen Steinen, gebettet im Flussmund
mit Pappellippen, poliert von emsigen
Quellenzungen.
Deine Hände, wilden Mohn liebkosend
und Steppennarben tröstend, entlocken
den Wüsten Seufzer nach einer schattigen
Umarmung.
Dein Leib, Herberge prachtvoller Gärten,
in denen Rosen neben Palmen tanzen und
Nachtigallen im Einklang mit den Zikaden
ihren Gesang dem Jasmin schenken.
Safran blüht auf Deinem Busen, die Nacht
hängt ihre Diamanten über schweigsame
Gemäuer, spiegelt einstige Schönheit in
stillen Teichen wider.
Deine Poesie, Jahrtausende alt, gemurmelt
auf den Lippen der Zeit, Dichter im Lehm der
Vergänglichkeit gefangen und Menschsein
in einem Ziegel verewigt.
Vorbei die Ära freier Spatzen! Die Freiheit trägt
ein Büßerkleid, Mörderhände werfen Steine
auf Dein Herz und zeichnen Gottes Namen
mit Peitschen auf nackte Haut.
In Deinen Gassen grölt Hass seine grausigen
Lieder und hängt die Gegenwart an zukunftslose
Galgen. Flüsternde Worte werden in Mauern
geritzt und in die Wunde unserer Herzen.
Bedecke Dich nicht mit dem Tschador der Trauer,
Iran, meine Schöne! Unsere Tränen verwahren
wir, bis die Sanduhren von Freiheit singen
und das Blut der Tauben trocknet.
2014
Der Spatz
Spatzen tschilpten in den Zweigen
in der uralten Platane
vor dem Fenster meines Zimmers,
das als Kind ich noch erahne.
Manchmal füllten stille Straßen
Hass- und Widerstandsgesänge,
und ich lauschte voller Ängste
auf die ungewohnten Klänge.
Da ertönt aus dichtem Laube
ein erfrischend Platzkonzert,
und die Angst weicht stiller Freude
und mein Herz wird unbeschwert.
Kleiner Spatz, ich lieb Dich sehr,
bist ein drolliger Gesell,
in der ganzen Welt zu Haus,
mit dem Schnäblein frech und schnell.
Bist mir Zeichen für den Frieden,
nicht der Taube Untertan,
ständig Deinen Spatzenfreunden
solidarisch zugetan.
Niemals werden Diktatoren
Dir Dein Schnäbelein verbinden
und Du wirst im freien Fluge
Dich den Feinden stets entwinden.
Darum bleibst Du mein Symbol
gegen Willkür und Gewalt,
auch für Freiheit und für Würde.
Ich seh Dich als Lichtgestalt.
2009, in Erinnerung des Iranischen Frühlings
Die Gärten meiner Kindheit
Die Gärten meiner Kindheit
haben ihren Zauber verloren.
Wilde Rosen wurden von Suren
gesteinigt und die Zungen der
Nachtigallen von frömmelnden
Greisen herausgerissen.
Die Gärten meiner Kindheit
welken auf Wüstensand.
Hass frisst die Wurzeln der Eisenbäume,
Granatäpfel weinen rote Tränen und
unter dem Tschador der Gewalt
verhaucht Jasmins Duft.