Liebst Du mich auch?. Patricia B. McConnell
damit Sie nicht unabsichtlich »dichtmachen« und Signale möglicher Aggression an den Hund senden.
Ich werde niemals eine schon lang zurückliegende Therapiesitzung mit einer Kundin vergessen, deren Hund unbekümmert mit meiner Pip interagierte. Bevor sie mit dreizehn in Rente ging, hatte Pip offenbar viel Spaß daran, mit mir gemeinsam Fälle von aggressiven Hunden zu behandeln. Sie liebte andere Hunde und war meisterlich gut darin, Hunde zu beruhigen, die vorher aus Unsicherheit aggressiv gegenüber anderen Hunden reagiert hatten. Wie immer fragte ich sie auch in dieser Sitzung, ob sie mit diesem Hund zusammenarbeiten wolle und sie antwortete, indem sie begeistert zum Tor lief. (Manchmal ging sie auch weg, nachdem sie nur einen Blick auf einen Hund geworfen hatte. Ich respektierte das immer, weil ich mir sicher war, dass sie die Gefühlslage eines anderen Hundes besser einschätzen konnte als ich.) Pip schien begeistert davon zu sein, mit diesem besonderen Hund arbeiten zu dürfen, also ließ ich die beiden sich in einem umzäunten, großen Freiauslauf hinter dem Haus begrüßen. Aber die Hunde waren nicht allein in dem Auslauf. Ich hatte nicht genug auf die Besitzerin geachtet, die aufgrund der Situation extrem angespannt war. Während die beiden Hunde sich begrüßten, stand sie mit angehaltenem Atem und zur Salzsäule erstarrt an der Seite, während ich versuchte, ihre Angst zu beschwichtigen. Mein Fehler – denn während sie stocksteif neben mir stand, schaute ihr Hund nur einen Augenblick lang nach oben in ihr Gesicht. Dieses war so unbeweglich wie eine Maske, mit vor Angst aufgerissenen Augen und einem gerundeten Mund, als ob sie »Oh!« sagen wolle. Genau so ein Gesicht macht ein Hund, der gleich angreifen wird, und genau das tat der Hund nach einem Blick darauf. Bevor ich reagieren konnte, attackierte er knurrend und beißend meine Pip, die sich vor Angst auf den Rücken rollte. Ich schaffte es, den Hund sofort zur Seite zu schaffen und Pip war nicht verletzt, aber wir beide waren ziemlich geschockt. In dieser Woche bekam Pip mehr Leckerchen als gewöhnlich und ich weniger Schlaf als gewöhnlich, weil ich darüber grübelte, was alles hätte passieren können. Pip ist heute fünfzehn und der Vorfall lange vorbei und vergessen, aber ich werde nie diese teuer bezahlte Lektion darüber vergessen, wie wichtig unser eigener Ausdruck für das Verhalten eines Hundes sein kann.
DER WEDELNDE HUND
Steife, eingefrorene Körperhaltungen sind so wichtig, dass sie sogar das Signal übertrumpfen, das Menschen am häufigsten mit Freundlichkeit assoziieren – einen wedelnden Schwanz. Schwanzwedeln wird fast immer als Zeichen von Freundlichkeit interpretiert, was allerdings ein großer Fehler sein kann. Freundlich ist ein locker entspannter Schwanz, der mit dem ganzen Hinterteil zusammen wedelt. »Ab den Schultern nach hinten wedeln,« nenne ich das immer und es ist ein prima Hinweis darauf, dass der Hund sich freut, Sie zu sehen. Wenn allerdings der Körper steif, der Fang geschlossen, der Schwanz erhoben ist und erst in der hinteren Hälfte wedelt, dann seien Sie auf der Hut. Ein steifer Körper und ein steifer Schwanzansatz sind das wichtige Merkmal, das Ihnen sagt, dass dieser Hund nicht unbedingt freundlich gestimmt ist, egal, wie sehr seine Schwanzspitze wedelt. Die Katzenbesitzer unter uns wissen, dass zur Seite wischende Schwänze und angespannt-steife Körper nicht immer Gutes bedeuten – und in diesem Fall ist es angebracht, das auch auf Hunde zu übertragen.
VORWÄRTS UND RÜCKWÄRTS, GERADEAUS ODER SEITWÄRTS
Bevor wir zur Gesichtsmimik übergehen, ist noch eine Bemerkung zur gesamten Körperhaltung des Hundes wichtig, und zwar deshalb, weil genau wie bei uns Menschen auch der Gesichtsausdruck immer im Zusammenhang mit der restlichen Körperhaltung gesehen werden muss. Dabei ist vor allem die Energierichtung wichtig. Wenn Sie einem Hund begegnen oder sehen, wie Ihr Hund andere Hunde trifft, dann fragen Sie sich einmal: In welche Richtung läuft die Energie im Hundekörper? Sie werden feststellen, dass viele Hunde leicht nach vorn lehnen, wenn sie Menschen an der Tür oder andere Hunde begrüßen. Hunde können ihren Körper als Zeichen für Freundlichkeit, aber auch als Zeichen für Offensivhaltung nach vorn lehnen. In beiden Fällen teilt der Hund Ihnen mit, dass er sich in relativ selbstbewusstem Zustand befindet. Wenn ein Hund willig auf mich zukommt, ab den Schultern rückwärts mit dem ganzen Körper wedelnd, den Kopf niedrig, den Fang geöffnet und die Augen zwinkernd, dann hocke ich mich hin und wir beweisen uns unsere gegenseitige Zuneigung. Wenn ein Hund bei nach vorn gelehntem Körper steif und unbeweglich ist, sein Fang geschlossen ist und der Schwanz nur an der Spitze wedelt, dann bleibe ich wo ich bin und nehme die Spannung heraus, indem ich mich wegdrehe oder einen Ball oder ein Leckerchen aus der Tasche ziehe. Wenn der Hund mir aber schon sehr nahe ist und beginnt, mit immer noch geschlossenem Fang und immer noch steifem Körper auf mich zuzukommen, drehe ich schnell meinen Kopf zu ihm um (das ist das »Gesicht zudrehen«, von dem ich sprach) und spreche ihn mit tiefer, scharfer Stimme an. Dieser Hund befindet sich in der Offensive und muss so schnell wie möglich gestoppt werden, ohne noch mehr Spannung in die Situation zu bringen. So schnell wie möglich wende ich mich dann wieder von ihm ab und nehme die Spannung weg, indem ich zum Beispiel sage »Fressen!« oder »Lust auf einen Spaziergang?«
Hunde, deren Energie nach rückwärts gerichtet ist, befinden sich hingegen in der Defensive, also Verteidigungshaltung – auch, wenn sie dabei vielleicht knurren und die Zähne fletschen. Solche Hunde haben viel Angst in sich und Sie müssen sehr darauf achten, keinerlei Druck auf sie auszuüben, indem Sie sie in die Enge drängen oder die Hand ausstrecken, um sie zu streicheln. Bedenken Sie, dass ein angeleinter oder angeketteter Hund praktisch in der Falle sitzt, was zweifellos der Grund dafür ist, dass so viele Bisse in genau dieser Situation vorkommen. In meinem Buch Das andere Ende der Leine beschreibe ich ausführlich, wie Sie die Aufmerksamkeit eines Hundes darauf, ob jemand mit seinem Körper vor- oder zurücklehnt, ausnutzen können und werde deshalb hier nicht näher darauf eingehen. Wenn Sie aber einfach nur im Kopf behalten, darauf zu achten, ob ein Hund mit seinem Körper vor- oder zurücklehnt, kann Ihnen das ein großes Stück dabei weiterhelfen, sein künftiges Verhalten vorauszusagen.
Viel über die Motivation eines Hundes können Sie auch erfahren, wenn Sie beobachten, wie er sich anderen Hunden nähert. Höfliche Hunde begrüßen sich, indem sie sich einander seitlich nähern, so, als ob sie einer gebogenen Linie folgen würden, die zu den Flanken des anderen führt. Niemals gehen sie direkt Kopf auf Kopf aufeinander zu. Geradeaus-Annäherungen gelten unter Menschen als höfliche Begrüßung, aber nicht bei Hunden – achten Sie also auch auf diesen Aspekt der Körperhaltung. Vielleicht ist Ihnen nicht entgangen, dass ich mich dem nervösen Lhasa Apso im Seminar näherte, indem ich meinen Körper zur Seite drehte. Sie können das Gleiche tun, wenn Sie einem fremden Hund begegnen – drehen Sie sich leicht zur Seite und gehen Sie auf einer gedachten Kreislinie. Sie werden erstaunt sein, wie viele Hunde plötzlich ganz begeistert sind, Sie zu treffen.
VERWIRRTES GRINSEN UND SCHMOLLMÜNDER
Wir haben bereits früher darüber gesprochen, wie unser Mund entspannt und geöffnet ist, wenn wir lächeln. Die andere Schlüsselkomponente eines Lächelns ist die Bewegung der Mundwinkel. Das Zurückziehen und Anheben der Mundwinkel ist es, was ein Lächeln zu einem Lächeln macht. Selbst unehrliche Lächler erweitern ihren Mund in Richtung Ohren. Probieren Sie es einmal selbst aus: Stellen Sie sich vor einen Spiegel und lächeln Sie zuerst nur mit dem Mund, dann lassen Sie das Lächeln über Ihr ganzes Gesicht bis zu den Augen wandern. Der Unterschied ist frappierend, und zwar sowohl was Ihren Ausdruck betrifft als auch, wie Sie sich dabei fühlen. Ein echtes Lächeln, das die Muskeln von Mund, Wangen und Augen mit einbezieht, ist von allen Gesichtsausdrücken am leichtesten zu lesen. Ein lächelndes Gesicht wird von praktisch jedermann auf der ganzen Welt als glücklich erkannt.
Im Gegensatz zum Ausdruck von Angst oder Wut zeigen wir Lächeln aber viel häufiger in Gesellschaft anderer, als wenn wir alleine sind. Für Menschen scheint das Lächeln ein wichtiges Signal im sozialen Kontext zu sein, denn gelächelt wird fast immer nur beim Anschauen einer anderen Person. Bowlingspieler lächeln nach einem guten Wurf normalerweise erst in dem Moment, in dem sie sich zu ihren Freunden umdrehen, und wenn Olympiasportler ihre Medaillen verliehen bekommen lächeln sie erst dann, wenn sie sich zu den Zuschauern umdrehen. Natürlich lächeln wir alle auch gelegentlich, wenn wir alleine sind (während ich das hier schreibe, kann ich gerade gar nicht damit aufhören – ist Lächeln vielleicht ansteckend, so wie Gähnen?), aber eben nicht mit der Häufigkeit, wie wir es in Gesellschaft tun. Wo immer