Handball. Ruwen Möller
Da der ganz große Überraschungseffekt nicht mehr gegeben war, bestand auch kein Bedarf mehr, die Schnelle Mitte mit jener Konsequenz zu spielen, wie damals der TBV Lemgo. Der heutige moderne Handball ist in sich derart schnell und hier und da wird auch noch die Schnelle Mitte ausgeführt, aber mittlerweile ist selbst für Spezialistenwechsel wieder Zeit.
Die Prognose, dass es irgendwann nur noch die sogenannten kompletten Handballer, sprich Akteure, die gleich gut in der Abwehr und im Angriff sind, gibt, traf nicht ein. Spieler wie Andy Schmid oder Mikkel Hansen, reine Angriffskoryphäen oder Didier Dinart und Tobias Karlsson, reine Defensivkünstler sind der gegenteilige Beweis.
Die jüngsten Regeländerungen im internationalen Handball traten am 1. Juli 2016 in Kraft und brachten u. a. folgende Änderungen mit sich: sieben Feldspieler, eine beschränkte Anzahl Pässe bei Warnzeichen für passives Spiel, ein Medical-Time-out nach Verletzungen und eine Blaue Karte.
1. Torwart als Feldspieler: Der Torhüter darf für einen siebten Feldspieler ausgewechselt werden. Neu ist, dass der Feldspieler kein Leibchen mehr tragen muss. Die Feldspieler dürfen aber nicht den eigenen Torraum betreten, sondern ein Feldspieler muss wieder gegen den Torhüter ausgetauscht werden.
2. Verletzter Spieler: Ein verletzter Spieler muss das Spielfeld verlassen, nachdem er auf dem Spielfeld medizinisch behandelt wurde, und darf es erst wieder betreten, wenn seine Mannschaft drei Angriffe abgeschlossen hat. (Ausnahmen: Der Spieler verletzt sich bei einer gegnerischen Aktion, die progressiv bestraft wird, oder der Torhüter wird von einem Wurf am Kopf getroffen.).
3. Passives Spiel: Nach der Anzeige des Vorwarnzeichens hat die vorgewarnte Mannschaft insgesamt sechs Pässe zur Verfügung, um auf das Tor zu werfen.
4. Blaue Karte: Die Schiedsrichter haben zusätzlich zur Gelben und Roten auch eine Blaue Karte zur Verfügung, um bei einer Disqualifikation eines Spielers für mehr Klarheit zu sorgen. Wenn die Schiedsrichter die Blaue Karte zeigen, wird ein schriftlicher Bericht in den Spielbericht aufgenommen und die Disziplinarkommission ist für weitere Maßnahmen verantwortlich.
Das Spiel 7:6 hielten einige für eine ähnliche revolutionäre Maßnahme wie einst die Schnelle Mitte. Doch die Meinungen gehen dazu weit auseinander und bisher ist eine Revolution des Handballs ausgeblieben.
Es gibt einige Befürworter, die aber gefühlt in der Unterzahl sind. Während Dänemarks Weltmeistercoach Nikolaj Jacobsen das 7:6-Spiel mit seinem Nationalteam nahezu perfektioniert hat, würde Maik Machulla, zweifacher Meistertrainer der SG Flensburg-Handewitt, die Regel am liebsten wieder abschaffen. Während die Fürsprecher die taktischen Möglichkeiten loben, sind die Gegner und Traditionalisten überhaupt nicht angetan. Das Spiel ohne Torwart und in ständiger Überzahl bzw. Unterzahl missfällt ihnen, weil es dem Handball seinen grundlegenden Charakter nimmt. Für den Zuschauer, der kein Handballexperte ist, wirkt es zuweilen konfus. Ständig wird der Torwart ausgewechselt, es gibt viele Torwürfe auf ein verwaistes Tor, das ohnehin schnelle Handballspiel wirkt gestresst.
Im Jahr 2018 hat die IHF neue Richtlinien herausgegeben, die die Regeländerungen von 2016 in einigen Punkten überholt haben und zudem auf das neueste Thema im Handball eingehen: den Videobeweis.
Es heißt in den Richtlinien, die der DHB übersetzt hat, da noch keine deutsche Fassung von der IHF vorliegt:
„Neue Richtlinie
Verwendung des Videobeweises
In Bezug auf die Entscheidung Tor/kein Tor, die nach dem Einsatz der Video-Beweis-Technologie getroffen wird, gibt es eine verlängerte Frist, bis wann das Tor zurückgenommen werden kann. Was gemäß Regel 9:2 bis zum nächsten Anwurf erfolgen muss, verlängert sich bis zum nächsten Wechsel des Ballbesitzes“ (DHB, 2019).
In Deutschland wurde der Videobeweis bislang beim DHB-Pokal Final Four der Männer in Hamburg getestet. Es ist klar geregelt, wann der Videobeweis, den nur die Schiedsrichter beantragen und anschauen können, zum Einsatz kommt:
1. Verdacht auf ernsthafte und unfaire Aktionen außerhalb des Sichtfeldes der Schiedsrichter und ohne Bezug zur Spielhandlung oder zum Ball.
2. Im Falle einer Disqualifikation zur Überprüfung, dass der richtige (fehlbare) Spieler disqualifiziert wurde.
3. Im Falle einer Konfrontation von zwei oder mehr Spielern (Rudelbildung).
4. Im Falle eines Zweifels der Schiedsrichter, ob eine Disqualifikation nach Regel 8:5 oder 8:6 auszusprechen ist (Rote oder Blaue Karte).
5. Bei Zweifeln der Schiedsrichter im Falle von Spielhandlungen in den letzten 30 Sekunden, die gegebenenfalls nach den Regeln 8:10c oder 8:10d zu bewerten sind.
6. Bei Zweifeln der Schiedsrichter im Falle von Spielhandlungen in den letzten 30 Sekunden, wenn die angreifende Mannschaft ohne Torwart spielt und den Ball verliert (beispielsweise bezüglich der Entscheidung, ob auf Siebenmeter entschieden werden muss).
7. Tor oder kein Tor: Entscheidung, ob der Ball die Linie komplett überquert hat.
Die EHF setzt beim Final Four der Champions League sowie bei ihren Europameisterschaften auf das sogenannte Instant Replay, welches den Schiedsrichtern erlauben soll, strittige Szenen nach Ansicht von Videobildern zu bewerten.
Bei der IHF vertrauen sie wiederum auf das Video Proof System, das von einem anderen Anbieter zur Verfügung gestellt wird. Zweiter wichtiger Unterschied: Während bei der EHF nur die Schiedsrichter Zugriff haben, sind es bei der IHF auch die Delegierten. Das System kam u. a. bei der Herren-WM 2019 in Deutschland und Dänemark zum Einsatz.
Apropos Dänemark, hier wurde zur Saison 2019/2020 ein Pilotprojekt und das Challenge System eingeführt. Dieses System sollte den Trainern die Möglichkeit geben, Entscheidungen der Schiedsrichter durch TV-Bilder überprüfen zu lassen. Es war eine Weltpremiere im Vereinshandball, kam jedoch zu chaotischen Szenen in mehreren Partien und nach nicht einmal einem Monat wurde das System vorübergehend wieder abgeschafft.
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