Handball. Ruwen Möller
Frauen-Handballspiel, damals noch als Torball bekannt, eingeführt hatte, nahm Schelenz in 1919 die ersten wesentlichen Änderungen vor.
„Zunächst vergrößerte Schelenz das Spielfeld auf 100 x 60 Meter, was in etwa den Fußballfeldmaßen entsprach, und auch das Tor auf 2,10 x 5 Meter (wenig später noch einmal auf die Fußballtormaße 2,44 x 7,32 Meter). Der 16,5 Meter große Strafraum war wie die 11-Meter-Strafstoßmarke ebenso dem Fußball entnommen […]. Auch der Einwurf wurde aus dem Fußball kopiert, genauso wie das Losen, welche Partei beginnen sollte. Schelenz führte eine feste Abseitslinie ein, die die Spieler nicht übertreten durften, bevor der Ball nicht in diese Zone gespielt worden war. Dauer des Spiels: zweimal 30 Minuten. Wurfgerät war ein Fußball. Vor allem aber übernahm Schelenz nun aus den älteren Torballspielen die Drei-Schritt-Regel, die das Spiel sehr viel dynamischer machte: […] Das sorgte dafür, dass aus der weichen Heiser-Variante nun ein ‚Kampfspiel‘ wurde, das es in dieser Hinsicht mit dem Fußball aufnehmen konnte. Der Feldhandball, wie er danach über Jahrzehnte hinweg gespielt wurde, war geboren“ (Eggers, 2014, S. 28/29).
1943 gab Schelenz seine Regeln letztmals heraus. Was den Hallenhandball angeht, so entwickelte er sich in den 1940er- und 1950er-Jahren in Deutschland im Schatten des Feldhandballs. In der Halle wurde zwar nur mit sieben Spielern auf einem kleineren Feld agiert, aber erst 1956 gab es die ersten Regeländerungen, die tatsächlich ein anderes Spiel in der Halle ermöglichten. Zunächst wurde die Dreiteilung des Feldes aufgehoben und zwei Jahre später durfte zwar durchgehend geprellt, aber nur noch drei Schritte mit dem Ball in der Hand gelaufen werden. 1965 wurde der Freiwurf ohne Anpfiff eingeführt und im selben Jahr war letztmalig von den „Internationalen Feld- und Hallenhandballregeln“ die Rede.
Deutschland war in Sachen Weiterentwicklung des Hallenhandballs aber vor allem vom damaligen Branchenführer Schweden abgehängt worden. Durch diverse Neuerungen entwickelten die Skandinavier auch die Taktik des Spiels weiter und erfanden so den Kreisläufer.
Wenn heute über Handball gesprochen wird, ist selbstverständlich das Spiel in der Halle gemeint. Das ist seit Mitte der 1970er-Jahre so und wenn einmal auf Feldhandball verwiesen wird, so wird das explizit getan. Seit 1978 werden nur noch die Regeln für Hallenhandball erneuert bzw. überarbeitet.
Im Laufe der Jahre hat es etliche Regeländerungen im Handball gegeben. Diese sollen an dieser Stelle nicht allesamt erwähnt werden. Zum einen würde es den Rahmen sprengen und zum anderen tun sie nichts mehr zur Sache, da sie schließlich einst geändert wurden. Lediglich einige der wichtigsten Neuerungen seien hier vorgestellt, weil sie extreme Auswirkungen auf die Statik des gesamten Handballspiels hatten.
Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre hatte Handball ein Problem: Der Sport war zu brutal. 1981 setzte der Weltverband IHF die umfassendsten Regeländerungen seit fast einem Jahrzehnt um. Spielverzögerungen wurden mit Freiwurf bestraft, Einwurf wurde fortan einhändig ausgeführt und das Festmachen des Gegners, sprich das Klammern bzw. Festhalten eines Kontrahenten, wurde von nun an progressiv bestraft. Nach der Ermahnung folgte die Gelbe Karte, schließlich die Hinausstellung. Außerdem konnten alle Frei- und Anwürfe direkt ins Tor geworfen werden. All das führte zu einem faireren und flüssigeren Spiel.
Knapp zwei Jahrzehnte später führte eine weitere Regeländerung zu der wohl wesentlichsten Veränderungen des modernen Handballs. Es entstand die Schnelle Mitte, die den Handball revolutionierte.
Die Schnelle Mitte fand ihren Ursprung in einer Regeländerung von 1997 sowie, noch entscheidender, in einer Überarbeitung von 2001. Hier die entsprechenden Punkte aus dem Regelwerk im Wortlaut.
Regelwerk vom 1. August 1997, Regel 10:
„10:3 Der Anwurf ist nach Anpfiff in beliebiger Richtung, von der Mitte des Spielfeldes aus, innerhalb von drei Sekunden auszuführen. Der Anwurf-Ausführende muß mit einem Fuß auf der Mittellinie stehen, bis der Ball die Hand verlassen hat.
Spieler der angreifenden Mannschaft dürfen die Mittellinie vor der Ausführung nicht überschreiten.
Überschreitet ein Mitspieler nach dem Anpfiff die Mittellinie, bevor der Ball die Hand des Werfers verlassen hat, ist auf Freiwurf für die abwehrende Mannschaft zu entscheiden“ (DHB, 2016).
Die Regelerweiterung von 2001 besagt zu Regel 10:3 Folgendes:
„10:3 Der Anwurf ist innerhalb drei Sekunden nach Anpfiff von der Mitte der Spielfläche aus (mit 1,5 m Toleranz nach beiden Seiten) in beliebiger Richtung auszuführen. Der Anwurfausführende muss mit einem Fuß die Mittellinie berühren, bis der Ball seine Hand verlassen hat.
Die Mitspieler des Werfers dürfen die Mittellinie nicht vor dem Anpfiff überqueren.“
In den Erläuterungen heißt es dazu:
„Als Leitsatz für die Auslegung von Regel 10:3 sollten die Schiedsrichter das Ziel berücksichtigen, die Mannschaften zur schnellen Ausführung des Anwurfs zu ermutigen. Dies bedeutet, dass die Schiedsrichter nicht übertrieben genau sein sollten und nicht nach Möglichkeiten suchen sollten, eine Mannschaft, die eine schnelle Wurfausführung versucht, zurückzupfeifen oder zu bestrafen. […] Der Feldschiedsrichter sollte bereit sein, umgehend zu pfeifen, wenn der Werfer die korrekte Position erreicht […]. Die Schiedsrichter müssen zudem berücksichtigen, dass die Mitspieler des Werfers die Mittellinie überqueren dürfen, sobald der Pfiff erfolgt ist. (Dies ist eine Ausnahme von der Grundregel bei der Ausführung von formellen Würfen.)
Die Regeländerung von 2001 ermöglichte das Angriffsspiel nach einem Gegentor bereits mit hohem Tempo der beim Anpfiff vorstoßenden Spieler zu eröffnen. Zum einen sorgte die Einführung einer Toleranz beim Anwurfort dafür, das Zusammenspiel von Torwart und Anwurfausführendem zu beschleunigen. Zum anderen wurde das Stehen auf der Mittellinie durch das bloße Berühren selbiger ersetzt, was eine fließende Angriffsbewegung für den Ausführenden ermöglichte. Zusätzlich ist die Schnelle Mitte gegen Stören durch Blocken oder Abfangen geschützt. Das Stören des Anwurfs hat eine Zeitstrafe zur Folge“ (Wikipedia, 2019).
Schnelle Mitte ist zu einem festen Begriff im Handball geworden und sie ist vor allem mit einem Namen verbunden: TBV Lemgo. In der Saison 2002/2003 perfektionierten die Lemgoer unter Trainer Volker Mudrow und mit Spielern wie Daniel Stephan, Markus Baur, Christian Schwarzer, Volker Zerbe, Christian Ramota und Florian Kehrmann die Schnelle Mitte und wurden deutscher Meister. Obwohl die Möglichkeit zur Schnellen Mitte bereits durch eine Regeländerung im Jahr 1997 möglich war, fand sie erst einige Jahre später ernsthaft Anwendung. Auch weil 2001 eine weitere Regelmodifizierung dazu beitrug, vor allem aber, weil es einige Zeit dauerte, sie auf höchstem Niveau in Perfektion umzusetzen.
Der THW Kiel, die SG Flensburg-Handewitt und der SC Magdeburg probierten sich daran, doch erst der TBV Lemgo, seinerzeit auch als TBV Deutschland bekannt (weil die halbe deutsche Nationalmannschaft dort auflief), konnte dieses rasante Tempospiel installieren. Danach ging die Entwicklung bei nahezu allen anderen Mannschaften jedoch genauso schnell, wie der TBV seine Angriffe vortrug.
Worum geht es: Bei der Schnellen Mitte geht es darum, nach einem Gegentor derart schnell in den eigenen Angriff und zum Torerfolg zu kommen, dass der Gegner völlig überrumpelt wird. Der Trick dabei ist es, den eigenen Angriff so schnell einzuleiten, dass die gegnerische Mannschaft noch nicht wieder ihre Abwehrformation eingenommen hat. Der TBV setzte das seinerzeit in aller Konsequenz um und überrannte die Gegner förmlich. Der Überraschungseffekt zu Saisonbeginn war bei allen anderen Teams enorm und hielt die gesamte Hinrunde. Lemgo legte einen Startrekord von 34:0 Punkten hin. Erst am 18. Spieltag, also zum Beginn der Rückserie, bezwang der SC Magdeburg den TBV mit 43:30. Am Saisonende wurde Lemgo mit nur drei Niederlagen und deutlichem Vorsprung Meister vor Flensburg und Magdeburg.
Das Spiel des TBV sah damals folgendermaßen aus: Während die Gegner aufs Tor der Lemgoer warfen, rannte Kreisläufer Schwarzer bereits mit aller Macht in Richtung Mittellinie. Hier bekam er den Ball der eigenen Torleute, eröffnete das Spiel im Bruchteil einer Sekunde und bediente die herangesprinteten Teamkollegen. Meist bekam Stephan den ersten Ball, ging selbst aufs Tor oder fand Baur bzw. Kehrmann, die meist frei und erfolgreich abschließen konnten. Durch dieses blitzartige Umschalten nahm der TBV vielen