Handball. Ruwen Möller

Handball - Ruwen Möller


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target="_blank" rel="nofollow" href="#fb3_img_img_9e732bad-9f24-5cda-82a1-028f9ecb7777.jpg" alt="image"/>Andreas Michelmann (seit 2015)

      Noch einmal zum Wandel vom Feld in die Halle: Nach dem Krieg setzte der Abstieg des Feldhandballs und der gleichzeitige Aufstieg der Hallenvarianten endgültig ein. Bei den Olympischen Spielen 1948 in London wurde Feldhandball aus dem Programm gestrichen, Deutschland durfte an den Spielen gar nicht teilnehmen.

      Bei den folgenden Weltmeisterschaften nahm die Teilnehmerzahl auf dem Feld ab, in der Halle hingegen zu. Zwar war die WM 1955 durchaus noch einmal ein Höhepunkt und auch die Frauen bekamen 1949 ihre erste WM, insgesamt blieb es aber eine rein deutsche Domäne (zumindest bei den Männern) und war in anderen Ländern immer weniger beliebt. Bis auf Schweden 1948 gingen alle WM-Titel immer an deutsche Teams (1963 an die DDR). So auch der letzte 1966. Bis 1975 wurde in Deutschland noch eine nationale Meisterschaft ausgespielt, doch da war Handball längst eine Hallensportart.

      In den 1950er-Jahren waren es die skandinavischen Länder, die beim Wandel des Spiels eine Vorreiterrolle einnahmen. Das Klima im hohen Norden Europas ließ nur wenige Monate im Jahr Handball unter freiem Himmel zu. Also wurde ein Dach über das Spiel gesetzt. Deutschland zog in den 1960er-Jahren nach, indem etliche Sporthallen gebaut wurden. Zudem gewannen die Feldhandballstars wie Hans-Günther Schmidt und Herbert Lübking immer mehr Gefallen an der Hallenvariante, die durch die Einführung des durchgehenden Prellens, die Drei-Schritt-Regel (1958) und den Freiwurf ohne Anpfiff (1965) an Tempo und Attraktivität gewann.

      Apropos: Wenig attraktiv und somit auch ein Teil des Niedergangs vom Feldhandball war die internationale Langeweile. Deutschland, das den Sport einst groß gemacht hatte, siegte ihn quasi auch klein. Von insgesamt 120 Länderspielen wurden nur vier verloren. Längst wurden auch keine großen Fußballstadien mehr mit Zuschauermassen wie in den 1950er-Jahren gefüllt, und so kam es, dass beim Wort Handball bald ganz automatisch Hallenhandball gemeint war. Bis heute ist das so geblieben.

      Ausgerechnet Willi Daume, selbst Feldhandballer und glühender Verfechter dieser Version, war es, der Handball – in der Halle – wieder ins olympische Programm beförderte. Bei den Sommerspielen 1972 in München war er Organisationschef und ließ im Vorfeld ein Demonstrationsspiel ausrichten. Die Begeisterung war groß, Hallenhandball wurde bei den Männern ins Programm aufgenommen und ist seit 1976 auch bei den Frauen dabei. Feldhandball spielt seither keine Rolle mehr.

      In Deutschland gab es damals bereits eine Männer-Bundesliga und zwar seit 1966/67. Zunächst in zwei Staffeln (Nord und Süd) unterteilt, wird der Meister seit 1977/78 in einer eingleisigen Liga ermittelt. Die Bundesliga der Frauen wurde 1975 gegründet und seit 2011 gibt es auch Bundesligen im A-Jugend-Bereich.

      Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Männer-Bundesliga, die 2016 ihr 50-jähriges Jubiläum feierte, sowie der Handball insgesamt, trotz einiger Rückschläge, positiv. Für Negativschlagzeilen sorgten beispielsweise immer wieder Vereine, die in finanzielle Schieflage gerieten. Eines der jüngsten und prominentesten Beispiele war der HSV aus Hamburg. Nach der Meisterschaft (2011) und dem Champions-League-Sieg (2013) folgte in der Saison 2015/16 die Insolvenz und der Zwangsabstieg in die dritte Liga.

      Ein strengeres Lizensierungsverfahren führt seit einigen Jahren dazu, dass die wirtschaftliche Lage der Vereine stabiler ist. Die HBL (Handball-Bundesliga), die im Jahre 2004 gegründet wurde, steht hier federführend für die Einhaltung und Überwachung. Mit der Gründung der HBL wurde die Professionalisierung vorangetrieben. Der Zuschauerzuspruch in den Hallen und am TV stieg kontinuierlich an, die Vermarktung im In- und Ausland und mit all dem auch die Gehälter im Handball. Wobei der Sport in allen wirtschaftlichen Bereichen weiterhin Lichtjahre vom großen Bruder Fußball entfernt ist.

      Die Bundesliga wurde – zwar selbsternannt, aber aufgrund der Star- und Leistungsdichte durchaus berechtigt – zur „stärksten Liga der Welt“. Auch wenn in den letzten Jahren vor allem wegen der hohen Belastung viele ausländische Spieler abgewandert sind und in Europa etliche Topklubs in anderen Ländern starke (vor allem finanziell) Konkurrenz darstellen, ist die Bundesliga für viele Experten weiterhin das Nonplusultra im Vereinshandball.

      Bei den Frauen sieht das anders aus. Genau wie das deutsche Nationalteam, spielt auch die heimische Liga aktuell im internationalen Vergleich nur eine zweitrangige Rolle. Viele Jahre war die dänische Liga die beste. In den letzten Jahren hat sich vieles auf den Balkan oder gar nach Russland verlagert, wobei skandinavische Teams immer noch attraktive Adressen sind.

      Apropos Frauen: Worin liegt eigentlich der größte Unterschied zwischen Frauen- und Männer-Handball? Das Prinzip und die Regeln des Spiels sind natürlich gleich, aber Grit Jurack, deutsche Rekord-Nationalspielerin und -Torschützin (siehe Kap. 3) meint: „Frauen-Handball ist nicht so physisch, es gibt nicht so viele Zweikämpfe, der Ball läuft meistens flüssiger und länger, weil es zudem nicht so viele Unterbrechungen wie bei den Männern gibt.“ In ihren Augen spielen Frauen manchmal „zu emotional“ und „riskieren zu viel“. In Situationen, in denen ihre männlichen Kollegen „cooler bleiben, sicherer spielen“, wagen Frauen ihrer Meinung nach riskantere Pässe oder Würfe. Außerdem glaubt sie, machen Männer „im Schnitt weniger technische Fehler“.

      Jurack ist fest davon überzeugt, dass die „besten Frauen vom Niveau mit den besten Männern zu vergleichen sind“, da es jedoch viel mehr Männer als Frauen gibt, die Handball spielen, gibt es auch deutlich mehr gute Männer. „Bei den Frauen geht die leistungsmäßige Streuung früher los.“

      Frauen-Handball leidet in Deutschland jedenfalls unter dem Problem, dass Frauensport besonders bei den Mannschaftssportarten in der öffentlichen Wahrnehmung nur schwer an die jeweiligen männlichen Kollegen heranreicht. Während beispielsweise im Wintersport, in der Leichtathletik oder im Tennisfrauensport auf Augenhöhe behandelt wird, haben es selbst die Fußballfrauen hierzulande schwer, von den Handballerinnen ganz zu schweigen. In den Medien finden sie kaum statt und solange die Nationalmannschaft – der letzte Titel war der WM-Sieg 1993 – keine vorzeigbaren Erfolge feiert, wird es schwer sein, junge Mädchen für Handball zu begeistern. Die Weltspitze ist im Frauen-Handball jedenfalls in Skandinavien, auf dem Balkan, in Russland, Frankreich, den Niederlanden und Brasilien unterwegs.

      Handball ist in Deutschland – zumindest im Männer-Bereich – im Laufe der Zeit vom Amateursport zu einem hochprofessionellen Sport geworden. Während die deutschen Weltmeister von 1978 noch reine Amateure waren, bestand das Team der Europameister von 2016, die „Bad Boys“, so der Spitzname, ausschließlich aus Vollprofis.

      Dem Handball ist es bei diesem Wandel gelungen, seine Historie und Tradition zu bewahren, dabei aber mit der Moderne zu gehen und neue Märkte zu entdecken.

      Nach dem WM-Titel von 1978 waren ohne Zweifel die wichtigsten Ereignisse hierzulande der WM-Gewinn 2007, das sogenannte Wintermärchen (siehe auch Kap. 7) und der EM-Titel 2016. Denn es gilt ganz klar: Die Nationalmannschaft ist und bleibt das Zugpferd der Sportart und spielt die DHB-Auswahl gut, geht es dem Handball gut.

      Der DHB hat sich in seiner Perspektive 2020+ u. a. auf die Fahnen geschrieben, dass die Nationalteams sportlichen Erfolg haben sollen. Die Mitgliederentwicklung ist ein zentrales Thema, starke Ligen und Professionalisierung sowie wirtschaftlicher Erfolg. Ein wichtiger Baustein in diesem Konzept ist der Fokus auf die Jugend. Nach dem WM-Sieg 2007 wurde es verpasst, die Euphorie auszunutzen und Kinder sowie Jugendliche dauerhaft an den Handball zu binden. Dies scheint in jüngster Vergangenheit besser zu gelingen. Jedenfalls machen die über 300.000 DHB-Mitglieder unter 18 Jahren einen großen Teil in der Gesamtbilanz aus.

      Dazu trägt auch die neueste und ohne Zweifel jugendlichste Variante des Handballs bei: Beachhandball. Wie der Name schon sagt, wird sie am Beach, also am Strand bzw. im Sand, gespielt.

      Auf einem 27 x 12 Meter großen Feld treten zwei Teams à vier Spieler gegeneinander an. Gespielt wird zweimal 10 Minuten, beide Halbzeiten werden unterschiedlich voneinander gewertet. Besonderheit: Tore zählen je nach Art des Wurfs unterschiedlich viel. Ein Treffer nach einem Kempa-Trick zählt beispielsweise doppelt (siehe auch Kap.


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