Handball. Ruwen Möller
Frauen.
„Doch weil sich seine Schöpfung nicht durchsetzen konnte, musste er sich diesen Ruhm mit anderen Männern teilen“ (Eggers, 2014, S. 23).
Einer dieser Männer war besagter Carl Schelenz. Gemeinsam mit Eugen König und Ernst Heinz entwickelte er das Heisersche Handballspiel weiter und schuf 1919 daraus eine Männervariante. An dieser Stelle sei erwähnt, dass bei all den bisherigen Formen stets vom Handball im Freien, also Feldhandball, die Rede ist. Der Hallenhandball, von dem heute automatisch die Rede ist, wenn von Handball gesprochen wird, entwickelte sich erst später.
Genau wie Heisers Frauen-Spiel war auch diese neue Form von Schelenz zunächst stark auf den Berliner Raum beschränkt. Der Grund: Beide stammten aus Berlin. Schelenz träumte von Beginn an von einer deutschen Meisterschaft, doch bis es so weit war, musste Handball in den großen Institutionen anerkannt werden. Hier waren die Turner die Gegenspieler der Leichtathleten. Während Letztere sofort das Potenzial erkannten, dauerte es bei den Turnern. Erst Anfang 1920 veröffentlichte der Deutsche Turner-Bund die Regeln.
Im Jahr 1920 hatten am 22. Februar die Vereine BTV 1850 Berlin und GutsMuths Berlin (4:1) bereits das allererste Feldhandballspiel ausgetragen. Bereits ein Jahr später trug die Deutsche Turnerschaft erstmals eine deutsche Meisterschaft aus. Der Sieger hieß: TSV 1860 Spandau aus Berlin. Dank des Engagements aus der Turnerschaft hatte die neue Sportart Handball ihren Durchbruch geschafft und begann in Deutschland ihren Aufstieg zu dem, was sie heute ist: nach König Fußball eine der beliebtesten Mannschaftssportarten des Landes.
In Halle an der Saale wurde am 13. September 1925 das erste Länderspiel (Männer) weltweit ausgetragen. Deutschland unterlag Österreich mit 3:6. Trainer der deutschen Mannschaft war Schelenz. Fünf Jahre später waren die Frauen an der Reihe und es kam zum Ländervergleich zwischen Deutschland und Österreich. Am 7. September 1930 wurde in Prag gespielt und auch hier siegte Österreich (5:4).
Dennoch war Deutschland in den kommenden Jahren die führende Nation im Feldhandball. Dies lag daran, dass die Nationalsozialisten die Sportart förderten, weil ihnen die hohe Überlegenheit der eigenen Mannschaft gefiel. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin wurde Feldhandball extra – und zum einzigen Mal – ins Programm genommen. Deutschland gewann vor 100.000 Zuschauern gegen Österreich die Goldmedaille. Auf internationaler Ebene lief der Handball unter dem Dach der IAHF (International Amateur Handball Federation), dem Vorgänger zum heutigen Weltverband IHF (International Handballfederation) mit. Hier wurden auch die verschiedenen Regelwerke, mit denen damals (vor allem in Deutschland) gespielt wurde, zu einem einheitlichen zusammengefasst.
1938 trug der Verband erstmals Weltmeisterschaften aus: eine im Feld und eine in der Halle. Beide Male gewann Deutschland. Dabei trug Deutschland am 5. Februar gegen Dänemark (11:3) sein erstes Hallenhandball-Länderspiel auf heimischem Boden aus. Die Dänen hatten bereits drei Jahre zuvor gegen Schweden das erste Hallenländerspiel weltweit bestritten (und mit 12:18 verloren). Der deutsche WM-Sieg in der Halle war rückblickend gleichzeitig die Geburtsstunde des Hallenhandballs. Trainer der deutschen Mannschaft war von 1934 bis 1939 Otto Kaudinya, der somit alle drei Titel gewann. Der Zweite Weltkrieg verhinderte, dass es noch mehr wurden und dass sich Handball überhaupt irgendwie weiterentwickeln konnte.
Den nächsten Entwicklungsschritt gab es erst wieder im Jahr 1946, als am 11. Juli in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen der Weltverband gegründet wurde. Die IHF löste die IAHF ab, die während des Krieges bereits ihre Aktivitäten eingestellt hatte und die aufgrund ihres stark deutsch geprägten Einflusses nicht mehr erwünscht war. Ebenso wenig wie die Deutschen, die zunächst keinen Platz in der IHF bekamen. Mittlerweile gehört der Deutsche Handballbund (DHB) natürlich zur IHF und ist einer von insgesamt 209 Mitgliedsverbänden.
Der DHB wurde am 1. Oktober 1949 in Mülheim an der Ruhr gegründet und erkannte bereits damals beide Handballvarianten gleichermaßen an. Erster Vorsitzender war Willi Daume. Der spätere Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK) war selbst Feldhandballnationalspieler und wäre beim Olympiasieg 1936 dabei gewesen, wenn er nicht kurzfristig ins Basketballnationalteam berufen worden wäre. Hier wurde er zu allem Überfluss nicht eingesetzt.
Daume schaffte es, dem Handball, der genau wie Deutschland am Boden lag, wieder auf die Füße zu helfen. Im Krieg war der einst populäre Sport mit einem Negativimage befleckt worden (Handball galt als Wehrsport, rau und kämpferisch).
„Der DHB profitiert sehr von Daume, seinem ersten Präsidenten. Leute wie Daume seien sehr schwer zu ersetzen, klagte Nachfolger Ernst Feick 1955 über jenen Mann, der dem deutschen Handball nach dem Krieg wieder etwas verlieh, was er 1933 verloren hatte: Moral und Reputation“ (Eggers, 2014, S. 130).
Unter Daume wurden zudem die Grundlagen geschaffen, die aus dem DHB im Laufe der Jahre den größten Handballverband der Welt gemacht haben. Im Jahre 2018 (Stand: 1. Januar) hatte der DHB 757.593 Mitglieder (471.797 Männer, 285.796 Frauen) die sich auf 4.241 Vereine und über 21.000 Mannschaften verteilten. Trotz eines Rückgangs seit 2008 (842.070 Mitglieder) sind dies beachtliche Zahlen bei weltweit schätzungsweise 27 Millionen aktiven Handballern (davon ca. sechs Millionen Frauen). Der DHB ist damit zugleich der siebtgrößte Sportverband in Deutschland. 1957 wurde der bis dahin eigenständige Verband Saar eingegliedert und 1991 der DHV, der Handball-Verband der ehemaligen DDR.
In der Deutschen Demokratischen Republik war der Handball, zu Beginn der Feldhandball, genau wie in der BRD äußerst beliebt. Und die DDR-Handballer waren ebenfalls gut und erfolgreich. Im Feld gab es für die Männer WM-Gold (1963) und -Silber (1966). In der Halle zudem 1970 und 1974 Silber sowie zweimal Bronze. Und 1980 gelang der DDR, was der DHB-Auswahl bis heute verwehrt geblieben ist: der Olympiasieg. Die Frauen-Mannschaft der DDR holte in Moskau Bronze. Vier Jahre zuvor, beim ersten olympischen Turnier für Frauen, gab es Silber. Mit drei WM-Titeln (1971, 1975 und 1978) ist die DDR bei den Frauen immer noch die zweitbeste Nation der Geschichte.
Genau wie im Westen wurde auch im Osten Hallenhandball schnell immer populärer. 1958 wurden die Männer-WM in der DDR ausgetragen und ein gesamtdeutsches Team gewann die Bronzemedaille. Dieser Erfolg führte u. a. dazu, dass Handball, im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten (Basketball, Wasserball, Tennis, Ski, Reitsport und Eishockey), finanziell gefördert wurde. Dies spiegelte sich auch im Vereinshandball wider, wo große Namen wie der SC Leipzig, TSV Berlin (Frauen) und SC DHfK Leipzig, ASK Vorwärts Frankfurt/Oder sowie SC Magdeburg (Männer) auch international Erfolge feierten.
Zurück zum DHB: Der Sitz des Verbandes ist seit jeher in Dortmund, im Willi-Daume-Haus, das 1995, ein Jahr vor Daumes Tod, zu seinen Ehren als Schaltzentrale des DHB eingeweiht wurde. Von hier aus werden die 22 Landesverbände (historisch bedingt, gibt es mehr Landesverbände als Bundesländer) und sämtliche Aufgaben des DHB koordiniert. Zentrales Thema ist ganz aktuell die sogenannte Strukturreform, mit der sich der DHB fit für die Zukunft machen will. Auf dem Bundesrat in Hamburg in Herbst 2019 wurden die entsprechenden Weichen gestellt. Ab 2021 soll die Reform, die sich u. a. mit den Themen Leistungssport und Mitgliederentwicklung beschäftigt, in Kraft treten kann.
Die Präsidenten des DHB im Laufe der Jahre: