Seit ich dich kenne .... Jascha Alena Nell
Und du hättest das Leben, das wir hatten, niemals so in den Dreck gezogen. Okay, es war kein gutes Leben, aber es war, Scheiße noch mal, UNSER Leben, okay? Wir hatten einander, ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen, und du wusstest, du kannst dich auf mich verlassen. Weißt du noch, wie wir mal einem Zuhälter deiner Mutter die Reifen aufgeschlitzt haben? Wie wir Sara, diese kleine Brünette, vor Sams Gang beschützt haben und danach zusammen Pommes essen gegangen sind? Gut, es war ’ne harte Zeit. Wir mussten kämpfen, um nicht unterzugehen. Aber das hat uns stark gemacht. Das hat uns zusammengeschweißt. Dachte ich zumindest. Bis heute. Denn heute musste ich erkennen, dass Marv, mein Bruder, mein bester Freund, zu einem spießigen, oberkorrekten Arschkriecher geworden ist, der seine Herkunft und seine Vergangenheit verleugnet, nur um vor ein paar arroganten, alten Saftsäcken gut dazustehen. Weißt du was, Mann? Du bist einfach nur erbärmlich. Du bist so rückgratlos wie ein Haufen Scheiße!“
Marvin musste sich sichtlich beherrschen, um nicht auf mich loszugehen. „Mir reicht’s jetzt mit dir“, fuhr er mich an. „Ich hab dich in meiner Wohnung aufgenommen. Ich hab dich monatelang mietfrei bei mir wohnen lassen. Ich hab dafür gesorgt, dass du den Arsch hochkriegst und dir diesen Verkäuferjob besorgst. Ich hab alles getan, um dich auf den rechten Pfad zu lenken. Aber angeblich findest du’s ja zu geil, auf die Kacke zu hauen und dein Leben zu versauen, als endlich mal was auf die Reihe zu kriegen. Wenn hier einer erbärmlich ist, dann du!“
„Den rechten Pfad? Verdammte Scheiße, Marvin, bist du jetzt katholisch oder was?“
„Fick dich, Chris!“, schrie er mich an und ich grinste provokant.
„Sehr gut, Mann. Das ist der Marvin, den ich kenne. Der, der sich nichts gefallen lässt. Der jedem Gegner die Stirn bietet. Der zeigt, wo der Hammer hängt.“
Er ballte die Fäuste, machte einen Schritt auf mich zu, bremste sich dann aber und öffnete die Hände wieder. „Ich reg mich nicht über dich auf“, verkündete er laut. „Das hab ich nicht nötig. Echt nicht! Es ist sowieso egal. Es spielt alles keine Rolle mehr.“ Er holte tief Luft, ließ sie zischend entweichen. „Du und ich“, er zeigte mit dem Finger zwischen uns hin und her, „wir sind geschiedene Leute. Wir sind keine Freunde mehr. Ich erwarte von dir, dass du, wenn ich in vier Wochen aus den Flitterwochen zurückkomme, aus der Wohnung raus bist. Wohin du gehst, ist mir scheißegal, Hauptsache, du bist weg. Und ich will ab jetzt nichts mehr mit dir zu tun haben. Kapiert? Nichts!“
Okay. So also zerbrach eine jahrelange, starke Freundschaft. Durch einen einzigen dummen Fehler machte man alles kaputt, was man sich über Jahre mühsam aufgebaut hatte ‒ Vertrauen, hart erkämpft, ein Fehler und es verpuffte. Marvin war mir so fremd. Mit einem Mal wusste ich nicht mehr, was ich je an ihm gemocht hatte. Was unsere Freundschaft ausgemacht hatte. Es spielte keine Rolle, denn es war vorbei. Wir waren Geschichte. Vergangenheit. Er war nicht länger ein Teil meines Lebens. Es tat weh, ja. So weh, dass ich schier in die Knie ging. Doch ich würde vor ihm keine Schwäche zeigen. Er war derjenige, der letztendlich alles zerstört hatte. Weil er etwas tat, was man nicht tun sollte: Er stellte die Liebe über die Freundschaft.
„Schön“, meinte ich und zuckte gespielt gleichgültig die Achseln, setzte mein Pokerface auf. Undurchschaubar. Unnahbar. „Das war’s dann also.“
„Ja.“ Marvin klang eiskalt. „Das war’s.“
Ich nickte, wandte den Blick ab, drehte mich um und ging davon. Ich erreichte die wartende Gruppe recht schnell. Lydia war nicht mehr da, nur Laura, Sophia, Luke, Edda, Amanda, Layla und ein verwirrt dreinblickender Max verharrten an Ort und Stelle.
„Chris?“, fragte Layla vorsichtig. „Ist alles okay? Du bist ganz grau im Gesicht.“
„Komm, Edda“, sagte ich, ohne auf Laylas Frage einzugehen, und griff nach der Hand meiner besten Freundin, „lass uns verschwinden. Es ist vorbei.“
Sie riss erschrocken die Augen auf. „Was? Aber, Chris ...“
„Alter, Mann ...“, stammelte Luke entsetzt.
Ich schnitt ihm das Wort ab. „Ist okay“, sagte ich ruhig, obwohl in mir alles in Aufruhr war. „Einen Freund, dem die Tussi wichtiger ist als ich, brauch ich nicht. Niemand braucht einen Verräter.“ Ich sah Luke an. „Denk mal drüber nach“, sagte ich zu ihm. „Wenn’s drauf ankommt, wird Marvin dich hängen lassen. Er scheißt ab heute auf Kumpel. Er hat jetzt andere Prioritäten.“
Luke schwieg.
Laura schnaubte. „Weißt du, Chris, ich finde, wer scharf auf die Freundin seines Kumpels ist, sollte den Ball flachhalten“, verkündete sie, warf den Kopf in den Nacken und stolzierte davon.
„Und ich finde, jemand sollte ihr den Hals umdrehen“, murmelte Edda.
Luke hatte die Zähne zusammengebissen und starrte mich durchdringend an. Sophia starrte zu Boden. „Sophia hat’s mir gesagt“, verkündete er schließlich.
„Luke ...“, setzte Layla an, doch er winkte nur harsch ab.
„Lass mich!“
„Was hat sie dir gesagt?“, fragte ich müde, obwohl ich die Antwort eigentlich schon kannte.
Luke fiel es sichtlich schwer, das auszusprechen. „Dass sie mal in dich verliebt war. Am Anfang. Das ist lange her.“ Seine Augen funkelten herausfordernd, als erwartete er, dass ich ihm widersprach.
Ich tat nichts dergleichen, sondern nickte. „Ich weiß, Luke.“
„Wirklich?“ Misstrauen lag in seiner Stimme.
Super. Noch ein Freund, der mir nicht mehr über den Weg traute. Es wurden immer mehr.
„Du schreckst ja, wie wir heute gesehen haben, vor nichts zurück. Ich will, dass du uns ab heute in Ruhe lässt.“ Er legte einen Arm um Sophia, die weiterhin zu Boden sah und eisern schwieg. „Du hältst dich von mir und vor allem von Sophia fern. Ich lass nicht zu, dass du unsere Beziehung kaputt machst.“
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