Ayurveda - Handbuch der Energietypen. Jutta Mattausch
Wie Vata naturgemäß im ständigen Wandel begriffen ist, schwankt auch das Gewicht einer Person mit dieser Konstitution häufig. Vata kann sich selbst unter einer beachtlichen Leibesfülle verbergen, da so manche Vata-Natur durch zu viel Essen unbewusst Erdung sucht. Doch dann verraten die langen schmalen Hände ihre wahre Konstitution. Das Wort Vata hat seinen Ursprung in „sich bewegen“, und tatsächlich erkennt man Menschen mit dieser Natur an ihrer ständigen Unruhe: Ihr Gang ist unentschlossen, die Bewegungen sprunghaft und unkoordiniert, ihre Händen sind immer beschäftigt und die flinken, kleinen Augen stets „unterwegs“.
Die Haut des harmonischen Vata-Typs hat einen hellen, zarten, fast transparenten Teint. Seine Gesichtszüge wirken fein bis asketisch, doch eher asymmetrisch. Unregelmäßig sind auch seine Augenbrauen und Zähne, die Lippen sind eher schmal. Da das Element Wind, Trockenheit im ganzen Körper verursacht, neigen auch die Haut und Nägel zur Trockenheit und Rauheit. Trocken, dünn und glanzlos sind Haare, häufig mit Spliss und Kopfschuppen. Die Stimme ist dünn und leise. Aufgrund seiner schlechten Durchblutung hat er Probleme mit kalten Händen und Füßen.
Menschen mit Vata-Konstitution haben von allen Energietypen die unregelmäßigste und schwächste Verdauung. Weil sie oft unregelmäßig essen, arbeitet ihr ohnehin schwaches Verdauungsfeuer ungleichmäßig und das Essen wird nicht optimal verwertet.
Bei Vata ist vorwiegend der Sympathikus aktiv, jener Teil des Nervensystems der den Organismus in Stresssituationen mit den entsprechenden Mechanismen reagieren lässt. Er regt die Nebennieren an, produziert Stresshormone, beschleunigt den Herzschlag sowie den Stoffwechsel. Ständige körperliche und seelische Anspannung lässt den Sympathikus dauernd aktiv sein, und langfristig beschleunigt er dadurch den Abbau von Geweben, wie dies bei Vata der Fall ist.
Persönlichkeit und Ausstrahlung
Luftikus oder Traumtänzerin nennen wir wohlgesonnen eine Person, deren Motto die Lebenslust ist und die nach der Devise „Don’t worry, be happy“ die Dinge nicht allzu genau nimmt. So genießt auch die Vata-Natur lieber heute das Leben als auf morgen zu warten. Eher den Kopf im Himmel als die Füße auf der Erde, tanzt sie durch das Leben – wenn möglich, auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig. Gern hält sie sich ein paar Hintertürchen offen, denn sie ist spontan und fühlt sich schnell in ihrem Freiheitsbedürfnis eingeschränkt.
Gleich dem Schmetterling fliegt ein Mensch mit hohem Vata fasziniert von einer Blume zur nächsten; überall entdeckt er verlockende Farben, Formen und Gerüche. So ist er in ständiger Bewegung, sucht die Abwechslung, ohne irgendwo lange zu bleiben. Entsprechend reiselustig ist er und ergreift jede Gelegenheit, um seine Nase in die Welt zu halten. Still sitzen ist eine Qual, deshalb findet er immer gute Gründe, um den Wohnort, den Beruf oder die Partnerschaft zu wechseln.
Sein stets bewegter Geist trägt diesen Menschen in Sphären von Fantasie und Vision, aus denen er mit immer neuen faszinierenden Ideen zurückkehrt. Für deren Verwirklichung hat er aber kaum Zeit und Geduld – stößt doch jede Idee zehn weitere Gedanken an, die er sofort anschauen muss. Damit verkörpert der Vata-Typ bestimmte Klischees: der geniale Erfinder, der zerstreute Professor, ein hochbegabter Musiker, Maler, Schriftsteller, Fotograf, der Denker und Philosoph – Vata ist überall da, wo Kreativität, Inspiration und Fantasie im Spiel sind, wo Weltbilder weit und vielschichtig sind.
Diese Affinität zum Nicht-Materiellen macht die Vata-Natur zu einem Feingeist, die mühelos Grenzen überschreitet, ob gegenständlicher oder geistiger Natur. Menschen mit hellseherischen und medialen Fähigkeiten und Aura-Leser haben hohes Vata. Am Telefon zeigt sich diese Konstitution durch den typischen Begrüßungssatz: „Störe ich gerade?“
Ihre Empfindsamkeit ermöglicht der Vata-Konstitution ihre menschliche Qualität von Mitgefühl. Wenngleich ihre Flatterhaftigkeit oberflächlich erscheinen mag, so verbirgt sich darunter eine tiefsinnige Person mit einem sensiblen Gespür für andere. Selbst in Extremen zu Hause, kann sie sich in ziemlich alle Denkstrukturen einfühlen und hat ein aufmerksames und verständnisvolles Ohr für die Sorgen anderer, wie ungewöhnlich diese auch sein mögen.
Im Übertreten von Grenzen liegt ihr großartiger Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung. Immer sind es Einzelne, die Schranken niederreißen, ihren Blick über Begrenzungen hinaus schweifen lassen und so Veränderungen des Bestehenden überhaupt erst möglich machen. Die Vata-Natur ist eine solche Visionärin: Mit unverdrossenem Optimismus entwirft sie Zukunftsprojekte, ohne die vernünftige Frage nach Machbarkeit zu stellen. Jene Visionen von einer besseren Welt machen sie zur sympathischen Utopistin, die immer auf der horizontalen Ebene von Gleichheit, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit denkt. Ungerechtigkeit lehnt sie ebenso ab wie hierarchische Strukturen, Autoritäten und Vorgesetzte. Eine Vata-Konstitution findet sich als ehrenamtliche Helferin bei Organisationen für Umwelt und Menschenrechte, sie engagiert sich für die Integration von Ausländern oder den Schutz aussterbender Tierarten. Dabei stört es sie nicht weiter, wenn ihre Arbeit unbezahlt ist. Ohnehin legt Vata wenig Wert auf materiellen Besitz, schließlich haben auch Luft und Äther kaum Substanz. Das Anhäufen von Besitz, Versicherungen und Sparbücher oder gar ein Job auf Lebenszeit lösen bei ihr eher Unbehagen aus. Ebenso wenig braucht sie für ihr Glück Ehre und Prestige.
Falls doch einmal Geld ins Haus kommt, wird sie es mit vollen Händen wieder ausgeben. Vielleicht ersteht sie Nippes auf dem Flohmarkt oder sie feiert mit ihren vielen Freunden ein Fest, zu dem selbstverständlich auch Fremde eingeladen sind. Oder aber sie überweist eine (viel zu hohe) Summe an eine Hilfsorganisation. So ist sie oft schon zur Monatsmitte pleite, wobei ihre ewige Geldnot weniger sie selbst stört als die Menschen, mit denen sie zusammenlebt.
Der Vata-Energietyp liebt Kontakte zu vielen Menschen – je ungewöhnlicher und farbiger, umso lieber tauscht er seine Gedanken aus und schmiedet Projekte. Zugleich ist er ein kurzweiliger Unterhalter, der seine Zuhörer mit geballtem Charme, Witz und vielseitigem Allgemeinwissen fasziniert.
Körperliche Beschwerden
Vata als das leichteste Dosha gerät immer zuerst aus der Balance. Auch wenn Sie keine Vata-Natur sind, ist es gut möglich, dass Sie durch überhöhtes Vata verursachte Beschwerden haben.
Die konstitutionellen Schwachstellen der Vata-Natur entsprechen ihren flüchtigen, leichten Energien. Sprunghaft und unstet wie ihre Energie generell ist, entstehen auch ihre typischen Krankheiten scheinbar aus heiterem Himmel und klingen ebenso schnell wieder ab.
Darm und Beckenbereich: Der empfindlichste Bereich liegt im Becken, besonders im Dickdarm, wo Vata seinen Hauptsitz hat. Entsprechend hat ein Mensch mit hohem Vata viele Probleme mit unregelmäßiger und sprunghafter Verdauung. Die Folge ist ein schmerzhaft geblähter Bauch. Die schlecht verarbeitete Nahrung in Verbindung mit Trockenheit verursacht Schmerzen beim Stuhlgang, eine häufige Folge davon ist chronische Verstopfung. Die nicht entleerten Abfälle wandern durch die Schleimhaut des Darmes und lagern sich als Schlacken (Ama) in allen Körpergeweben ab, was wiederum andere Erkrankungen verursacht.
Zugleich entwickelt der Mensch körperliche Mangelerscheinungen, da sein Dickdarm Nährstoffe, Mineralien und Vitamine schwer aufnehmen kann. Der ohnehin zarte Körper zehrt dadurch noch mehr aus.
Ein spezielles Problem der weiblichen Vata-Konstitution liegt ebenfalls im Beckenbereich: das prämenstruelle Syndrom. Ein irritiertes Vata-Dosha ist die Hauptursache dafür, wenn eine Frau vor ihrer Periode unter typischen Unterleibskrämpfen und Schmerzen im unteren Rücken und Bauch leidet. In dieser Phase ist sie besonders ängstlich, nervös oder ungeduldig, ohne einen konkreten Grund dafür nennen zu können. Die ayurvedische Hausapotheke kennt ein wirksames Mittel mit Sesamsamen, das sie bei diesen Beschwerden ausprobieren kann (Rezept siehe unter „Vata-Körperpflege Seite 69). Auch für Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten ist oft überhöhtes Vata verantwortlich.
Ebenfalls im unteren Rückenbereich manifestiert sich häufig ein Hexenschuss