Frontschweine. Léon Lancee

Frontschweine - Léon Lancee


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einer, die die Gegend gut kennt, eine größere Chance, dem Feind nicht sofort in die Arme zu laufen. Ich habe den Eindruck, dass sie echt Angst hat und uns also nicht reinlegt. Wir wollen es versuchen und verschwinden von hier.“

      Mannfred sagte dem Mädchen Bescheid und trug ihr auf, das Brot für unterwegs mitzunehmen.

      Die Durchsuchung der zwei toten Russen hatte ihnen noch eine deutsche Luger-Pistole und zwei Bajonette eingetragen. Und Wolff hatte zu seiner Freude seine eigene Brieftasche mit seinem Soldatenbuch darin wiedergefunden.

      Das Wichtigste für ihn war, dass auch die Fotos seiner Verlobten noch drin waren.

      „Etwas wenig Schießeisen, um es gegen Partisanen aufnehmen zu müssen“, motzte Horst.

      Das Mädchen hatte das Brot aufgesammelt, aber auch gesehen, dass die Waffen verteilt wurden.

      „Ich weiß wo ihr mehr Waffen finden könnt“, sagte sie zu Mannfred.

      Dieser sah sie forschend an.

      „Wie meinst du?“

      „Der Führer schläft separat in einer Hütte und dort liegen viele erbeutete deutsche Waffen. Nachdem sie in der vergangenen Nacht zurückgekommen waren, haben alle außer den beiden Wachposten eine ganze Menge Wodka getrunken. Also schlafen noch alle, und die beiden Wachposten liegen hier.“

      Mannfred überlegte kurz mit den anderen.

      „In Ordnung, zeig’ uns die Hütte des Führers. Aber wenn du versuchst, uns hereinzulegen, wirst du auf jeden Fall als Erste sterben, und zwar nicht gerade in einer angenehmen Weise!“

      Das Mädchen nickte schweigend und ging nach einer Gebärde von Mannfred vor ihnen zu einer der Holzhütten.

      Im Lager war tatsächlich niemand zu sehen.

      Als sie vor der Tür standen, flüsterte Mannfred zu ihr: „Geh’ du als Erste hinein für den Fall, dass er wach ist oder wird. Wenn deine Geschichte stimmt, wird es ihm bestimmt gefallen, dass du kommst, und das wird seine Aufmerksamkeit ablenken. Versuche, wenn nötig, ein bisschen nett zu ihm zu sein und mach’ so, als möchtest du ihn küssen. Wir kommen herein, wenn die Luft rein ist oder, wenn er wirklich etwas mit dir versucht. Also mach’ dir keine Sorgen. Es kann dir nichts passieren und auf diese Weise können wir die Sache erledigen, ohne dass geschossen wird.“

      Das Mädchen nickte, holte tief Atem und öffnete leise die Tür.

      Der Russe lag auf einem Bett und schlief noch als das Mädchen sich leise über ihn beugte.

      Gerade in dem Moment erwachte der Mann, und er streckte sofort seine Hand zur schweren Nagan Pistole aus, die neben seinem Bett lag.

      Die Bewegung stoppte, als er das Mädchen erkannte und er grinste.

      „So, Djaevuschka (= Russisch für Mädchen), wirst du doch noch vernünftig und kommst endlich zu mir in mein Bett?“

      Das Mädchen lächelte freundlich und strich ihm mit der Hand über seine Haare.

      Begierig streckte der Russe seine Hände zu ihr aus und fasste das Mädchen kräftig an den Brüsten, um sie an sich zu ziehen.

      Das war das Letzte, was er in diesem Leben tat.

      Zu spät sah er aus seinen Augenwinkeln das glitzernde Messer, und bevor er reagieren konnte, steckte es quer durch seinen Hals. Nicht mehr als einen röchelnden Laut konnte er herausbringen.

      Sein erstaunter Blick sah das harte Gesicht des deutschen Soldaten, der das Messer mit einer raschen Bewegung zurückzog und es sofort zum zweiten Mal in seinen Hals rammte langsam vor sich verschwimmen, während er lautlos starb.

      Das Mädchen war voll Grausen zurückgeprallt.

      „Es würde ohne Schüsse gehen“, brachte sie vorwurfsvoll hervor.

      Mannfred wischte routiniert sein Messer wieder ab: „Das stimmt, und das ist auch genau, was passiert ist. Du meintest doch wohl nicht, dass wir ihn nach unserem kleinen Besuch lebend zurücklassen würden, oder?“ reagierte er kurz angebunden.

      Unterdessen nahm er die schwere Nagan Pistole des toten Russen und steckte sie in seinen Gurt.

      Das fassungslose Mädchen sagte, durch diese stahlharte Reaktion eingeschüchtert, kein Wort mehr.

      Die Hütte wurde schnell auf Waffen durchsucht, und es stellte sich heraus, dass tatsächlich reichlich Waffen vorhanden waren.

      Es waren vor allem deutsche Waffen, so wie das Mädchen gesagt hatte.

      Jeder bewaffnete sich großzügig, und mit ausreichendem Proviant, Feldflaschen und Munition verließen sie kurz später eiligst das Partisanenlager.

      Die vielen Waffen gaben im Voraus ein Gefühl der Sicherheit, mit dem Wissen, dass sie sich wenigstens wieder verteidigen könnten.

      Das russische Mädchen zeigte den Weg, nachdem Mannfred sie nochmals gefragt hatte, ob sie sicher war, dass sie mitkommen wollte, weil sie ihren Vater vermutlich nie mehr wiedersehen würde.

      Der Kummer stand ihr in den Augen, als sie antwortete.

      „Ich kann jetzt nicht mehr anders. Die drei Toten kann ich nicht erklären, während ich selbst überlebt habe. Und mein Schicksal stand doch bereits fest.“

      „Gut, dann zeig’ uns den Weg, und zwar so, dass wir, wenn es irgendwie geht, keinen Partisanen in die Arme rennen. Wir wollen auch nach Minsk. Also dann gelangst du auch wohl dorthin, wenn alles ein bisschen klappt.“

      Über allerlei schmale Wildpfade ließen sie das Partisanenlager in hohem Tempo hinter sich.

      Obgleich niemand Zweifel daran hatte, dass die Partisanen die Verfolgung aufnehmen würden, waren alle erleichtert, dass sie entkommen waren.

      Helmuth übernahm automatisch wieder die Führung und legte ein wirklich mörderisches Tempo vor.

      Aber es war auch die Angst vor den Partisanen, die das Tempo hochhielt.

      Erst als das Mädchen vor Müdigkeit zu straucheln anfing, ließ er für eine kleine Ruhepause anhalten.

      „Allmächtiger Gott“, schnaufte Horst, „Das können wir so nicht durchhalten. Und die Puppe bedauert wahrscheinlich auch schon längst, dass ich sie nicht erwürgt habe, setzte er mit einem Grinsen hinzu. „Sie kann überhaupt nicht mehr.“

      Alle sahen auf das Mädchen, das erschöpft im Gras lag.

      „Lasst uns aber gleich den Moment nutzen, um etwas zu essen“, riet Helmuth.

      „Wir müssen dafür sorgen, dass wir, bevor die Dunkelheit einfällt, so weit wie möglich von diesem Russenlager entfernt sind. In der Dunkelheit können wir doch nicht weiterkommen, und dann gibt es noch Zeit genug, uns auszuruhen, dachte ich so.“

      Mannfred übersetzte Helmuths Worte ins Russische.

      Während sie das harte Brot mit einigen Speckscheiben aßen, wurde nicht mehr gesprochen.

      Jeder war total am Ende und zu müde für ein Gespräch.

      Nach nur einer halben Stunde stand Helmuth wieder ungeduldig auf.

      „Marsch, Leute, wir müssen uns beeilen. Niemand weiß, wie schnell die Eingeborenen sein können, und gegen dreizehn Mann auf eigenem Gelände haben wir wirklich nicht gute Chancen. Abgesehen davon ist es nicht ausgeschlossen, dass diese Burschen meinen, dass wir die Puppe als Gefangene mitgenommen haben, und das kann sie so verärgert haben, dass das für sie ein zusätzlicher Antrieb ist, sich uns zu schnappen.“

      Wolff stand mühsam auf. „Stimmt, aber vergiss auch die drei toten Iwans nicht, darunter der eigene Führer, und das auch noch in ihrem eigenen Lager. Das finden die wahrscheinlich noch viel schlimmer.“

      Mehr Ansporn war nicht nötig, und die Müdigkeit verdrängend zogen sie in Eile weiter.

      Sie folgten immer den Wildpfaden und versuchten möglichst wenig Spuren zurückzulassen,


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