Von unten nach oben - Eine Lebensgeschichte. George Eiselt

Von unten nach oben - Eine Lebensgeschichte - George Eiselt


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er nicht nur mit allen vier ihm zur Verfügung stehenden Gliedmaßen verschiedene Geräte bedienen, sondern auch sehr oft mit den Händen völlig unterschiedliche Bewegungsabläufe zu absolvieren hatte. Und all die dabei fabrizierten Klänge müssen sich harmonisch in das von der übrigen Band gespielte Stück einfügen, wobei die Taktvorgabe die wichtigste Voraussetzung für das Abspielen eines Stückes darstellt.

      Bei den ersten Tanzabenden, wo ich mich noch sehr stark auf meine Instrumente konzentrieren musste, da mir die Bewegungsabläufe noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen waren, durfte mich keiner meiner Freunde, die mit ihrer Partnerin in meiner Nähe vorbeitanzten, ansprechen. Da kam es schon öfters vor, dass ich aus dem Takt kam, was meine Bandmitglieder nicht so prickelnd fanden. Mit der Zeit legte sich die ganze Aufregung und ich brauchte nicht zwischendurch das vor Angst schweißnasse Hemd zu wechseln.

      Mit Erlangung des Facharbeiterabschlusses endete auch meine sogenannte musikalische Laufbahn, da ich anschließend vor dem Beginn eines Studiums an der TU Dresden für ein Jahr als Dreher im Dreischichtbetrieb meine Brötchen verdienen musste und sich andere Interessengebiete auftaten.

      Die Zeit der Berufsausbildung war jedoch nicht nur in musikalischer Hinsicht bedeutsam für mich, sondern bedingt durch die in dieser Zeit praktizierte laufende politische Beeinflussung wurde bei mir eine immer tiefersitzende Abneigung gegen unseren sogenannten sozialistischen Staat geweckt. Irgendwie fühlte ich mich sogar dazu berufen, etwas gegen die von unserem Staat durchgeführten Drangsalierungen des Volkes zu unternehmen.

      In diesem Zusammenhang soll erwähnt sein, dass in mir nicht nur musikalische, sondern auch poetische Talente schlummerten. Ein lyrisches Werk, wie ich es nennen möchte, habe ich sogar einmal an die Redaktion eines größeren Tagesblattes geschickt, um damit eventuell den Grundstein für eine finanziell abgesicherte poetische Laufbahn zu legen. Leider aber hatten die Verantwortlichen mein Talent nicht erkannt, sondern ich bekam mein Werk mit der Bemerkung zurückgeschickt, dass dem Gedicht der tiefere Sinn fehlt und ich sollte mir als Beispiel doch bitte die Werke der Herren Becher, Brecht und Weinert zu Gemüte ziehen. Um dem Leser selbst ein Urteil zu ermöglichen, möchte ich mein poetisches Werk an dieser Stelle wiedergeben.

      Heidespaziergang

      Ich ging am frühen Morgen in die Heide und lauschte in den Wald hinein

      Die Vöglein sangen fröhlich ihre Weise und luden mich zum Träumen ein

      Ich setzte mich auf einen Baumstumpf und dachte über vieles nach

      Worüber in vergangenen Zeiten ich mir schon oft den Kopf zerbrach

      Doch die Natur mit ihrem bunten Treiben riss mich sanft aus meinen Träumen raus

      Und ich nahm das viele Schöne wieder tief in meinem Herzen auf.

      Dieses poetische Talent wollte ich nunmehr auch anwenden, um mit politischen Versen die Bevölkerung zu Aktionen gegen den sozialistischen Willkürstaat aufzurufen. Hierzu verfasste ich einige Vierzeiler, die ich vervielfältigte und in den Abendstunden an den verschiedensten Stellen in unserem Stadtgebiet auslegte. Die Vervielfältigung wiederum wurde mir durch einen Ormigraum in der Berufsschule ermöglicht, in dem sonst die Schüler im Auftrag der Lehrkräfte bestimmte Lehrunterlagen kopierten. Erläuternd soll erwähnt werden, dass der Ormigdruck ein Spiritus-Umdruckverfahren ist, wo eine seitenverkehrte Kopie auf einem sogenannten Ormigblatt hergestellt wurde, mit dem man dann je nach Qualität zwischen 30 bis 100 Abzüge herstellen konnte.

      Auf dieser Basis nunmehr stellte ich heimlich einige hundert Flugblätter mit den gegen den Staat gerichteten Versen her und verteilte sie im Wohngebiet in Telefonzellen und Hauseingängen. Falls sich jemand wundern sollte, warum ich gerade die Telefonzellen als Auslageort auswählte, so soll angemerkt sein, dass dieser Ort damals sehr stark frequentiert war, da in der DDR zu dieser Zeit nur ganz wenige Bürger ein eigenes Telefon besaßen.

      Mich wundert es aus heutiger Sicht immer noch, wie sorglos ich damals die Sache durchgezogen habe, denn wenn man mich dabei erwischt hätte, wäre mein Leben garantiert anders verlaufen. Aber wie man sieht, ist ja alles gut gegangen. Lediglich mit meinem Vater hatte ich diesbezüglich wieder Differenzen, denn irgendwann bekam er mal meine politische Gedichtsammlung in die Hände und vernichtete sie, was ich aus heutiger Sicht sogar verstehen kann.

      Ich meine, dass ich den Zeitabschnitt der Berufsausbildung mit Abitur damit hinreichend geschildert habe, denn weitere tiefgreifende Ereignisse fanden nicht mehr statt. Im Alter von 19 Jahren erhielt ich im August 1962 das Abschlusszeugnis der Berufsausbildung mit Abitur und damit begann ein völlig neuer Lebensabschnitt für mich.

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