Von unten nach oben - Eine Lebensgeschichte. George Eiselt

Von unten nach oben - Eine Lebensgeschichte - George Eiselt


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denn das Treppenhaus war dicht vernebelt und man vermutete, dass ein Schornsteinbrand die Ursache war. Man klingelte deshalb bei uns, da mein Vater der von der Wohnungsgesellschaft bevollmächtigte sogenannte Hausvertrauensmann war und in dieser Eigenschaft auch den Schlüssel zum Wäscheboden verwahrte. Mein Vater schloss also die Tür zum Wäscheboden auf, aber dort war kein Rauch zu sehen. Nachdem sich im Treppenhaus mittlerweile der Rauch ein wenig verzogen hatte, fand er die Ursache desselben heraus. Irgendwie kam er dahinter, dass ich und meine zwei Freunde mit dieser Sache zu tun hatten, ich kann mich heute nicht mehr so genau an die Beweggründe seiner Vermutung erinnern. Jedenfalls suchte er mit mir an der Hand die Eltern der beiden anderen Schulkameraden auf und wertete den Vorfall aus. Bis auf eine gehörige Standpauke seitens meines Vaters hatte dieses Ereignis aber keine allzu schwerwiegenden disziplinarischen Folgen für mich.

      Weil ich bei dem soeben geschilderten Ereignis die Funktion des Hausvertrauensmannes erwähnte, möchte ich dazu erläuternd noch erwähnen, dass seine Hauptaufgabe darin bestand, das Hausbuch zu führen. Hier musste sich jede Person eintragen, die länger als einen Tag bei jemand im Haus zu Besuch war und zwar unter Angabe der Wohnanschrift, Ausweis-Nr. und der geplanten Aufenthaltsdauer. Bei Besuch aus dem kapitalistischen Ausland, der BRD z.B., musste sogar die polizeiliche Meldestelle des jeweiligen Stadtbezirkes informiert werden.

      Weil wir gerade beim Hausvertrauensmann sind, möchte ich ein weiteres Aufgabengebiet, was er innehatte, aufführen. Er musste unter anderem eine Anmeldeliste für die Nutzung der Waschküche führen, die auf der Rückseite des Wohngebäudes in einem separaten kellerähnlichen Raum lag, wo die sogenannte große Kochwäsche durchgeführt wurde, da es ja in der ersten Zeit nach dem Krieg noch keine Waschmaschinen gab. Kleinere Wäschestücke wurden in der Wohnung mittels eines Waschbretts, aber die größeren Teile, wie z.B. Bettwäsche oder ölverschmutzte Arbeitskleidung, wurden in der Waschküche gewaschen. Wer also dort Wäsche waschen wollte, musste sich in diese Liste eintragen, meistens wurde sie immer für zwei Tage benutzt. In der Waschküche befand sich ein Kohleofen mit einem Durchmesser von ca. einem Meter, indem ein ebenso großer Kessel eingelassen war. In diesem Kessel wurde die Wäsche gekocht, gespült und anschließend mit einer Handwäschemangel soweit ausgepresst, dass sie danach zum Trocknen aufgehängt werden konnte. Immer, wenn ich an den Tagen, wo wir große Wäsche hatten, nach der Schule nach Hause kam, hatte ich die ehrenvolle Aufgabe, zwei bis drei Stunden die Kurbel der Handmangel zu drehen, was bei mir verständlicher Weise keine Freudensprünge verursachte.

      Nun aber weiter mit einem positiven Nebenaspekt als Hausvertrauensmann, der nicht unerwähnt bleiben soll, nämlich, dass sich mein Vater als einziger hinter dem Haus vom Wäschetrocknungsplatz ein kleines Stück Garten von ca. 10 m x 5 m abgezweigt hatte, das von ihm für den Anbau von Gemüse genutzt wurde und wo auch ein Karnickelstall mit drei Kaninchen stand. Weitere 4 Kaninchen hatten wir noch in einem unserer zwei Keller, so dass wir Kinder des Öfteren mit einer Sichel bewaffnet den notwendigen Grasvorrat heranschaffen mussten, damit die Tiere schlachtreif heranwachsen konnten. Weil ich zwei sich in unserem Besitz befindliche Keller erwähnte, so war das auch wieder ein Privileg des Hausvertrauensmannes, denn alle anderen Hausbewohner hatten nur einen Keller. Der zweite Keller war unser Kohlenkeller, wo die Braunkohle, die Briketts und das Feuerholz gelagert wurde. Zur Braunkohle muss in diesem Zusammenhang gesagt werden, dass diese Kohle einen sehr geringen Heizwert hatte, aber Steinkohle gab es damals für die normalen Bürger nicht. Die Briketts wiederum hatten einen wesentlich höheren Heizwert und deshalb erfuhren sie bei der Lagerung auch eine besondere Würdigung. Sie wurden nämlich nicht nur in den Keller geschüttet, sondern wir mussten sie exakt in Reih und Glied nach einem von unserem Vater vorgegebenen System an der Wand stapeln.

      So, nun aber zurück zu meinen Experimenten. Ich erwähnte bereits, dass ich durch den praktischen Anschauungsunterricht im Labor im Zusammenhang mit dem Chemieunterricht unter anderem auch in den Besitz von Schwefelblühte und Salpeter gelangt war. Durch tiefgründiges Literaturstudium, was mir in diesem Fall sogar große Freude bereitete, kam mir die Idee, dass man ja mal versuchen könnte, ein effektiveres Mittel, als das mit Unkraut Ex getränkte Papier, nämlich Schwarzpulver, herzustellen. Zu diesem Zweck mischte ich Schwefelblühte, Salpeter und klein zerstoßenes Kaliumpermanganat, in einem bestimmten Verhältnis, bis sich das von mir erwünschte Ergebnis einstellte. Kaliumpermanganat ist ein stark sauerstoffhaltiges Kristall, das damals in jedem vernünftigen Haushalt vorhanden war, denn es wurde bei Halsbeschwerden zum Gurgeln benutzt. Zum Ausprobieren nutzte ich einen kleinen gusseisernen Kanonenofen, der in unserem Kinderzimmer stand. Vor ihm war auf dem Holzfußboden ein ca. 50 cm x 50 cm großes Blech angebracht, damit eventuell herausfallende Glut nicht den Boden beschädigte. Dieses Blech verwendete ich, um die Mischungen so lange zu testen, bis sich das von mir gewünschte Ergebnis einstellte. Nun wollte ich natürlich auch das nunmehr vorliegende Gemisch in praktischer Anwendung testen. Dazu kam mir zugute, dass sich in meinem Besitz noch ein kleines zylindrisches Aluminiumfeuerzeug aus der aktiven Raucherzeit meines Vaters befand. Dieses hatte unten einen Schraubverschluss, war innen mit benzingetränkter Watte gefüllt, die einen Docht umhüllte, der oben aus einem Loch herausragte. Oben war noch ein kleines geriffeltes Rädchen angebracht, auf welches ein Feuerstein mit einer Feder gepresst wurde. Wenn man jetzt mittels Daumen das Rädchen kräftig drehte, entstand durch den Feuerstein ein Funke, der wiederum den benzingetränkten Docht entzündete. In diesem Feuerzeug ersetzte ich nun die Watte durch mein Schwarzpulver und den Docht durch eine mit der Unkraut EX-Lösung getränkten Zündschnur. Um die ganze Sache auszuprobieren, hatte ich den genialen Einfall, in den späten Abendstunden die Zündschnur anzuzünden und das Ding einfach auf unserer Straßenseite aus dem Fenster zu werfen. Da aber der von mir erwartete explosionsartige Knall ausblieb, machte ich mir keine großartigen Gedanken und ließ es so auf sich beruhen. Als ich am nächsten Tag aus der Schule kam, wurde ich zu meiner Verwunderung von meiner Mutter mit einer kräftigen Backpfeife empfangen, was sie ansonsten nie tat. Es hatte sich nämlich ergeben, dass das Feuerzeug am Vorabend im Erdgeschoss ein Fenster mitsamt Leinewandrollo durchschlagen hatte, wobei die Scheibe nicht zu Bruch ging, sondern lediglich ein Loch zu sehen war. Deswegen hatte ich am Vorabend auch nichts gehört. Das Feuerzeug hingegen lag in diesem Zimmer hinten unter dem Bett. Ich hatte in diesem Zusammenhang riesiges Glück, denn vor dem Fenster stand ein Schreibtisch, an dem ein Schüler aus einer höheren Klasse meiner Schule normalerweise seine Hausaufgaben machte. Als die Eltern desjenigen am nächsten Morgen die Bescherung sahen und unter dem Bett in einer dunklen Ecke etwas liegen sahen, was sie nicht so richtig identifizieren konnten, informierten sie die Polizei und im Ergebnis dessen wurde ich das erste Mal in meinem Leben mit einem negativen Artikel in der Tageszeitung erwähnt. Dass ich der Verursacher dieses Ereignisses war, ließ sich übrigens ganz leicht herausfinden, denn ein paar Tage vorher hatte ich ja zum Ausprobieren einige der schon anfangs erwähnten Knallkörper aus dem Unkraut Ex getränkten Papier aus dem Fenster geworfen, wo unglücklicherweise auch einer dabei war, den ich aus dem Papier eines alten Diktatheftes hergestellt hatte. Im Ergebnis der Untersuchungen durch die Polizei fand man ein Rest Papier eines explodierten Knallkörpers, wo die Unterschrift meines Vaters zu sehen war. Mit diesem Vorfall schließlich wurde meine eingangs erwähnte experimentelle Phase beendet, denn mein Vater nahm meine Kiste mit den mühsam zusammengetragenen Chemikalien und schmiss sie in den Aschenkübel vor dem Haus. Dass es dabei nicht auch noch zu ungeplanten explosiven Reaktionen gekommen ist, wundert mich heute noch.

      Wenn ich nun meine weitere Entwicklung darlege, so gab es in meiner Jugendzeit aber nicht nur solche negativ geprägten Perioden, sondern den größten Teil meiner Freizeit verbrachte ich schon mit sinnvollen Beschäftigungen.

      Gegen Ende der Mittelschulzeit bis fast zum Ende der Berufsausbildung zum Beispiel war ich ca. drei Jahre lang Mitglied in einem Kanusportverein. Mein mittlerer Bruder war dort schon länger sportlich engagiert und er überredete mich, auch dort einzutreten, damit ich meine Freizeit sinnvoll nutzte. Rückblickend war diese Zeit mit sehr viel schönen Erlebnissen verbunden. Wir waren dort eine Gemeinschaft von Sportlern, sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechtes, wobei sich das Alter von 10 Jahren bis hin zu reiferen Erwachsenenjahrgängen bewegte. Unser Sportclub nannte sich Kanusport Post Halle, da die Deutsche Post der Trägerbetrieb war, das heißt, er wurde von diesem Betrieb finanziert. Das war in der ehemaligen DDR früher allgemein so üblich, dass Sport- und andere Vereine einen Trägerbetrieb hatten, der die finanzielle Grundlage bildete. Die Mitglieder selbst brauchten lediglich


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