Von unten nach oben - Eine Lebensgeschichte. George Eiselt

Von unten nach oben - Eine Lebensgeschichte - George Eiselt


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Vater, obwohl er davon nichts ahnte. Wir hatten nämlich einen Garten in einer Kleingartenanlage, in der meine Eltern und natürlich in den jüngeren Jahren auch ich sehr viele Stunden verbrachten. Hierzu ist zu bemerken, dass meine Brüder und ich, auch als wir schon das jugendliche Alter hinter uns gelassen hatten, sehr oft spontan zu Tätigkeiten für diesen Garten herangezogen wurden, die uns nicht gerade die größte Freude bereiteten. Damit meine ich nicht nur die im Garten notwendigen allgemeinen Tätigkeiten, wie zum Beispiel Obst und Erdbeeren ernten sowie Unkrautjäten usw., sondern größere Vorhaben, wo mein Vater unser Erscheinen als bedingungslose Pflicht ansah. Bei diesen Vorhaben galt keine Entschuldigung, unser Erscheinen war unabdingbare Pflicht. Ein Ereignis dieser Art möchte ich hier kurz einfügen.

      Ich ging, als ich so ca. 18 Jahre alt war, unter anderem öfter immer mit Freunden nach Merseburg tanzen, das heißt, wir mussten mit der Straßenbahn dorthin fahren, denn das Tanzlokal lag ca.10 km von unserem Wohngebiet entfernt. Nebenbei bemerkt, war das damals gerade die Zeit, wo der Rock and Roll „in“ war. Einmal samstags brachte ich ein Mädel nach Hause, die in Merseburg wohnte, und wo bei den Verrichtungen, die das nach Hause bringen so allgemein nach sich zog, die Zeit dermaßen schnell verging, so dass ich die letzte Bahn nach Hause verpasste. Ich musste also ca. 10 km Fußweg bewältigen, um nach Hause zu kommen. Nun hatte mein Vater meinen mittleren Bruder und mich schon vorher in Kenntnis gesetzt, dass er am Sonntag früh gegen acht Uhr ein Pferdefuhrwerk mit einer Ladung Pferdemist in den Garten geliefert bekommen sollte. Diese Ladung wurde vor dem Eingang der Gartenanlage abgekippt und musste mit der Schubkarre so ca. 200 m bis zu unserem Garten transportiert werden. Nun kam ich bedingt durch den langen Fußweg von Merseburg total erschöpft so gegen sechs Uhr in der Früh zu Hause an, wollte mich gerade in unser Zimmer schleichen, um eventuell noch ein wenig zu schlafen, aber mein Vater vereitelte dieses Ansinnen von mir und mahnte zum Aufbruch in den Garten. Da gab es dann kein Wenn und Aber, sondern ich musste sofort nach einem kurzen Frühstück in den Garten und zwar zu Fuß, denn ich hatte damals noch kein Fahrrad, lediglich meine Brüder und meine Eltern hatten eines. Das war dann nochmals eine Strecke von ungefähr einer dreiviertel Stunde.

      Im Zusammenhang mit unserem Garten muss auch erwähnt werden, dass in der Erntezeit der verschiedensten Früchte auch betreffs der Verarbeitungsphase derselben von uns Kindern ein zeitlich hohes Quantum an Mitwirkung gefordert wurde. Die beträchtlichen Mengen der geernteten Johannisbeeren und Stachelbeeren wurden nämlich in zweierlei Hinsicht weiterverarbeitet. Zum ersten wurden sie in Einweckgläsern eingekocht. Dazu mussten sie aber vorher von den Stielen befreit werden, was eine sehr zeitaufwendige Arbeit war, und sich über mehrere Tage hinzog. Danach wurden sie in Einweckgläser gefüllt unter Hinzugabe von Zucker und anschließend in einem speziellen Einwecktopf eingekocht. So ca. 50 Gläser lagerten bei uns immer im Keller.

      Zum zweiten machte mein Vater aus den genannten Früchten jedes Jahr 120 Liter Wein mit den verschiedensten Fruchtmischungen. Dabei brauchte man zwar die Beeren nicht von ihren Stielen befreien, aber sie mussten dafür in einem fleischwolfartigen Gerät mit gehörigem Kraftaufwand so ausgequetscht werden, dass im Ergebnis zum Schluss der Fruchtsaft und eine trockene Maische übrigblieb. Damit die Fruchtsaftausbeute so hoch als möglich war, konnte man mittels einer Stellschraube den Pressdruck so erhöhen, dass man die Handkurbel des Gerätes gerade noch so drehen konnte. Mein Vater stellte den Pressdruck jedenfalls immer so hoch ein, dass sich zwei von uns auf den Küchentisch setzen mussten, damit sich dieser beim Drehen der Kurbel nicht von der Stelle bewegte. Die ganze Prozedur zog sich über mehrere Tage hin und im Ergebnis standen dann immer 5 bis 6 Gallonen von 10 bis 20 Litern Wein zum Gären auf unserer Küchenanrichte. Nach mehrmaligen Filterprozessen, die ich hier nicht näher beschreiben möchte, entstanden so ca. 150 Flaschen Wein, die im Keller in einem alten Küchenschrank gelagert wurden. Dazu wurden von meinem Vater mit der Schreibmaschine kleine Schildchen gefertigt, woraus die Weinzusammensetzung und das Abfülldatum ersichtlich waren. Zum Schluss wurde an die Innenseite der Tür noch eine Bestandstabelle angebracht, wo jede Entnahme unter Angabe des Entnahmedatums vermerkt wurde, so dass immer der Restbestand der jeweiligen Sorte ersichtlich war. Als ich jedoch im Jahr 1963, als ich mit 20 Jahren ein Studium an der Technischen Universität Dresden begann, ab und wann zu Besuch bei meinen Eltern war, entnahm ich immer heimlich zwei bis drei Flaschen aus den hinteren Reihen, um damit in Dresden mit meinen Freunden unseren Durst zu stillen. Damit brachte ich diese Bestandsführung tüchtig durcheinander, aber das fiel meinem Vater erst viele Monate später auf, als nämlich die hinteren Leerreihen zum Vorschein kamen.

      Nun aber wieder zum Auslöser meines experimentellen Tatendranges. Im Garten selbst war ein ungefähr 30 m langer Fußweg, der die angelegten Beete in zwei Hälften teilte. Um diesen Weg unkrautfrei zu halten, hatte mein Vater in der Gartenlaube eine kleine Tonne mit Unkraut Ex, auch „Wegerein“ genannt, gelagert. Es war ein Herbizid auf der Basis von Natriumchlorat, welches einen hohen Anteil von gebundenem Sauerstoff aufwies. Es war von der Bestimmung her dafür gedacht, dass man es in einem bestimmten Verhältnis im Wasser auflöste, damit die Wege mit einer Gießkanne begoss und somit das Unkraut vernichtete. Durch meine Brüder lernte ich, dass man damit auch gezielte Sprengungen durchführen konnte, indem man ein wenig davon in eine verschließbare Flasche tat, Wasser hineinfüllte und die verschlossene Flasche unverzüglich ablegte. Durch die starke Sauerstoffentwicklung, die in der Flasche nun begann, wurde der Überdruck so groß, dass die Flasche schließlich mit einem ohrenbetäubenden Knall explodierte. Dadurch angeregt, begann ich nun selbst, mit dem für mich wunderbaren Mittel namens Unkraut Ex zu experimentieren und entdeckte dabei viele interessante Anwendungsmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass ich, inspiriert durch den experimentellen Teil des Chemieunterrichtes in der 10. Klasse, mir zu Hause schon eine gewisse Grundausstattung an Chemikalien einschließlich bestimmter notwendiger einfacher Laborgeräte zugelegt hatte. Dazu gehörten beispielsweise Reagenzgläser einschließlich der dazugehörigen Abstellständer, kleine Glastrichter und Glaskolben sowie auch bestimmte chemische Grundsubstanzen, wie zum Beispiel Schwefelblüte und Salpeter. Da ich nun finanziell nicht in der Lage war, mir diese Sachen offiziell zu besorgen, zweigte ich die von mir benötigten geringen Mengen nach und nach vom Laborbestand der Schule ab. Die Sachen lagerte ich in einer Kiste in meinem Schrank und meine Mutter, die ja in unserem Zimmer immer für Ordnung sorgte, machte sich über den Inhalt derselben keine beunruhigenden Gedanken.

      Am Anfang meiner Experimente standen, wie gesagt, die verschiedensten Anwendungsmöglichkeiten von dem Mittel Unkraut Ex, die ich zusammen mit zwei Freunden bei uns zu Hause ausprobierte. Dazu tränkten wir zuerst Zeitungsbögen und manchmal auch von alten Diktatheften die Blätter mit einer Unkraut Ex Lösung und hängten diese zum Trocknen in unserem Bad auf. Das konnten wir immer dann machen, wenn meine Mutter am Montag und Dienstag in einer Lottoauswertungsstelle arbeiten war. Diese Blätter zerschnitten wir in eine für unseren Zweck handliche Größe und falteten sie ziehharmonikaförmig zusammen. Die beiden Enden legten wir dabei so übereinander, dass die ursprüngliche Länge auf ein Drittel schrumpfte. Dieses Bündel mit der nunmehr erreichten Abmessung von ca. 5cm x 2cm x 1cm umwickelten wir kräftig mit Kordelschnur, wobei eine mehrere cm lange Zündschnur mit eingebunden wurde. Ein paar von diesen selbstgebauten Knallkörpern warfen wir gleich mal aus unserem Kinderzimmerfenster in den Vorgarten und waren sehr positiv von der Wirkung beeindruckt. Nun wollten wir die Anwohner in anderen Wohnblocks ebenfalls mit unserer Erfindung beglücken und suchten uns zu diesem Zweck mehrgeschossige Wohnhäuser aus, wo die Haustür tagsüber nicht verschlossen war. Dort hängten wir dann einen Knallkörper an eine Wohnungstürklinke im Erdgeschoss, zündeten die Zündschnur an, betätigten den Klingelknopf und suchten schleunigst das Weite. Wenn die Bewohner dann die Tür öffneten, wurden sie nun von einem lauten Knall überrascht, da fast immer im selben Moment der Knallkörper explodierte. Im Gegensatz zu den Bewohnern fanden wir das immer sehr lustig.

      In einem anderen Fall bastelten wir einmal eine sogenannte Rauchbombe, indem wir das Unkraut Ex in einem vorher ausprobierten Verhältnis mit Sägemehl mischten und alles in eine kleine Tüte schütteten, die dann angezündet werden musste. Um die Wirkung hautnah mitzuerleben, losten wir aus, in wessen Wohnhaus es ausprobiert werden sollte. Das Los bestimmte unglücklicherweise mich und die Sache sollte in den Abendstunden ausprobiert werden. Natürlich musste ich selbst zu dieser Zeit zu Hause sein, damit ich die Wirkung auch genau beschreiben konnte. Am besagten Abend war ich also zu Hause, während meine Kumpels die Tüte bei uns in den Abendstunden


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