Von unten nach oben - Eine Lebensgeschichte. George Eiselt

Von unten nach oben - Eine Lebensgeschichte - George Eiselt


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dass herausragende Sportler, die z.B. für den Nationalmannschaftskader nominiert wurden, teilweise bzw. ganz von der Arbeit freigestellt wurden, natürlich bei Weiterzahlung der Löhne und Gehälter. Nebenbei bemerkt, lag zur damaligen Zeit darin auch der Grund, dass in bestimmten Sportarten, wie z.B. Leichtathletik, Schwimmen, Eiskunstlauf usw., also in Sportarten, die im sogenannten kapitalistischem Ausland damals nicht als reine Profisportarten betrieben wurden, die DDR-Sportler bei internationalen Wettkämpfen immer vordere Plätze belegten. Denn, während die Sportler aus dem Kapitalistischen Ausland neben dem Training auch noch ihrem Beruf nachgehen mussten, konnten die Auswahlkader der DDR, unterstützt von einem ausgewählten Trainerteam, unbeschwert trainieren.

      Mein Bruder selbst belegte während seiner aktiven Sportlaufbahn bei DDR-Meisterschaften einmal im Endlauf über 500 m im Einer-Kajak den 9. Platz, aber um zu den geförderten Kadern zu gehören, langte diese Platzierung nicht, dazu hätte er die Plätze 1 bis 3 belegen müssen. Er musste also immer ganz normal seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen und die war in seinem Fall nicht die leichteste. Er war zu dieser Zeit nämlich Fernmeldebaumonteur, das waren diejenigen, die bei irgendwelchen Störungen mit sogenannten Steigeisen die hölzernen Telegraphenmasten erklimmen mussten, um die Fehlerquelle zu beheben.

      Aber nun zurück zum Kanusportverein. Das Vereinsgelände lag an der Saale so ziemlich gegenüber einer von der Saale und einem Nebenarm der Saale umflossenen Insel, die sich Rabeninsel nannte. Sie konnte man zur damaligen Zeit mit einer manuell betriebenen Drahtseilfähre erreichen und war für die Einwohner von Halle ein beliebtes Ausflugsziel, da man dort schön spazieren gehen und zum Abschluss in einem Biergarten einkehren konnte.

      Auf dem Vereinsgelände befand sich das Bootshaus mit den verschiedensten Kajaks und Kanadiern, sowie ein Vereinsgebäude mit einem großen Saal, der mit Tischen, Stühlen und einer Theke ausgestattet war. Von der Straße aus führte ein serpentinenartiger Weg hinunter, der mit einem metallenen Handlauf gesichert war. An dieser Stelle möchte ich ein für mich damals nicht gerade lustiges Ereignis zwischenfügen. In den ersten Berufsjahren meines Bruders hatte er von seiner Dienststelle ein Moped zur Verfügung gestellt bekommen. Mit diesem Moped fuhr er natürlich auch öfters zum Training. Nach dem Training musste er es immer die Serpentine hoch zur Straße schieben, da die Motorleistung des Mopeds zu schwach war, um mit ihm die Steigung zu bewältigen. Eines Tages hatte ich den grandiosen Einfall, zu testen, ob das Fahrzeug es schaffen würde, mich bis hoch zum Eingangspodest zu transportieren, da ich ja leichter als mein Bruder war. Da der Zündschlüssel immer steckte, war es für mich ein Leichtes, den ersten Gang einzulegen und loszufahren. Als mich das Gefährt problemlos bis hoch auf das Podest transportierte, war ich oben in einem dermaßen euphorischen Zustand, dass mir nicht mehr einfiel, wie man den Gang wieder herausbekam. So setzte ich meine Füße ab und versuchte, das Moped manuell anzuhalten, was mir natürlich nicht gelang, sondern es hielt erst an, als der Scheinwerfer desselben mit dem oberen Handlauf des Podestes kollidierte. Die Folge war natürlich ein total deformierter Scheinwerfer, der von meinem Bruder ersetzt werden musste.

      Während der Kanusportzeit wurden in meinem Körper hinsichtlich Kraft und Ausdauer die Grundlagen gelegt, von denen ich heute noch profitiere. Wir trainierten dreimal in der Woche ca. 1 – 2 Stunden auf dem Wasser und anschließend zur Auflockerung, wie unser Trainer uns einzureden versuchte, absolvierten wir immer noch einen Dauerlauf von ca. einer dreiviertel Stunde. Dieser Dauerlauf war manchmal härter, als das eigentliche Training, denn er wurde wie ein Wettrennen durchgeführt und keiner wollte als letzter im Bootshaus ankommen. Im Winter, wenn es auf dem Wasser zu kalt war, ging es in einer Sporthalle mit Kraftsport der verschiedensten Art weiter. Alle zwei bis drei Wochen fuhren wir zu Wettkämpfen, die teilweise mehrere Autostunden von Halle entfernt lagen. Dazu beluden wir unseren Bootsanhänger mit den notwendigen Booten, der von einem LKW mit einer überdachten Ladefläche gezogen wurde, auf dem einfache Holzbänke längs zur Fahrtrichtung standen. Da die Regatten sich oft über zwei bis drei Tage erstreckten, dienten die Holzbänke für diejenigen, die über kein Zelt verfügten, gleichzeitig als Nachtlager. Die Übernachtung war also eine sehr spartanische Angelegenheit und am nächsten Morgen standen wir oftmals ganz schön steif und durchgefroren auf.

      Ich selbst fuhr meistens Rennen im Einer- oder Zweierkajak, aber bis auf einige mittelmäßigen Platzierungen hatte ich eigentlich nie größere Erfolge zu verzeichnen. Ich möchte hier keine Ausrede gebrauchen, aber der Grund lag wahrscheinlich an der gleich am Anfang erwähnten Tatsache, dass ich von der Größe her relativ kurz geraten und damit für den Kanusport von vorn herein benachteiligt war.

      Deshalb wechselte ich die Sportart und trat dem Box-Club Chemie Halle bei. Der Boxsport hatte mich schon immer interessiert, aber allein traute ich mich nicht in die Boxschule, sondern erst als ich einen Freund von mir überreden konnte, mit zu kommen. Diese Boxschule war übrigens im DDR-Maßstab sehr bekannt, da aus ihr schon mehrere DDR- Meister in den verschiedensten Gewichtsklassen hervor gegangen waren. Ich fing zuerst im Leichtgewicht an, das war die Gewichtsklasse, die bis 60 kg ging. Gegen Ende meiner Laufbahn, wenn man das als solche bezeichnen darf, denn sie erstreckte sich nur über ein reichliches Jahr, wechselte ich dann ins Halbweltergewicht, die bis 65 kg reichte. Mein Vater war von dieser von mir ausgewählten Sportart sehr begeistert, aber von den Ergebnissen, die ich erzielte, weniger. Er hatte nämlich während seiner Wehrmachtszeit auch im Soldatenverband geboxt und hatte laut seiner Aussage nie einen Kampf verloren. Ich weiß zwar nicht, wie viele Kämpfe er absolviert hatte, aber irgendwie glaubte ich ihm sogar. Er war tatsächlich von der Statur und sportlichen Veranlagung her betrachtet eine absolute Kämpfernatur. Als wir Kinder einmal mit ihm zusammen in der Küche waren, also ich als Jüngster war gerade dem Jugendalter entwachsen, wollte er einmal unsere Sprungkraft testen. Er sprang aus dem Stand mit einem Schlusssprung auf den Küchentisch und verlangte von uns das Gleiche. Es muss erwähnt werden, dass er damals bereits ein Alter von fast 45 Jahren erreicht hatte. Es kostete uns einige Überwindung, aber selbst ich bewältigte die Aufgabe, so dass unsere Ehre wieder gerettet war. Solche Vergleichswettkämpfe veranstaltete er oft mit uns, z.B. wer die meisten Liegestütze oder Klimmzüge schafft und vieles andere mehr.

      Um auf meine Boxkarriere zurückzukommen, muss ich sagen, dass sie deshalb nur gut ein Jahr währte, da ich mit Beginn meines Studiums in Dresden davon abgekommen bin. Aber auf jeden Fall war für mich diese Zeit nicht umsonst, denn die dort erworbenen Grundtechniken konnte ich in meinem späteren Leben des Öfteren bei Auseinandersetzungen mit mir nicht gewogenen Menschen gebrauchen. Ich absolvierte während dieser Zeit einige Kämpfe, die man von der technischen Ausführung her als wüste Schlägereien unter Ringrichteraufsicht bezeichnen würde, da man in dieser kurzen Zeit das technisch saubere Boxen nicht erlernen konnte. Demzufolge lief ich auch öfters mit blau gefärbten Augen und geschwollenen Lippen umher.

      Da ich jetzt einiges zum besseren Verständnis der Zusammenhänge vorweggenommen habe, muss ich nun aber zurückkehren in den Lebensabschnitt, der auf die Mittelschule folgte.

      Mit Erlangen der Mittleren Reife, so nannte man damals den Abschluss der Mittelschule, wollte ich wieder den Beruf des Drehers erlernen, da dieser Berufswunsch noch immer in mir tief verwurzelt war. Wie schon einmal nach Abschluss der 8. Klasse hatte ich wieder einen unterzeichneten Lehrvertrag mit den Pumpenwerken Halle/Saale. Nun erfuhr mein Vater, dass es eine in der DDR völlig neu eingeführte Ausbildungsart gab, die sich Berufsausbildung mit Abitur nannte. Er überredete mich natürlich wieder, meinen Ausbildungsvertrag zugunsten der neueren Ausbildungsrichtung zu ändern. Die Lehrzeit verlängerte sich jetzt, bedingt durch die hinzukommenden Abiturfächer, von 2,5 auf 3 Jahre. Die Ausbildungszeit pro Woche setzte sich zusammen aus 2 Tagen Abiturausbildung, 2 Tagen praktische Berufsausbildung und 1,5 Tagen theoretische Berufsausbildung.

      Den abiturbezogenen Teil absolvierte ich in einer Erweiterten Oberschule, EOS, so hieß damals jede zum Abitur führende höhere Schule in der DDR. Der berufsbezogene Ausbildungsabschnitt fand in der zum VEB Pumpenwerke Halle/Saale gehörenden Ausbildungswerkstatt mit angrenzender Berufsschule statt. Hier konnte man außer dem Beruf des Drehers noch viele andere Berufe erlernen, wie zum Beispiel Werkzeugmacher, Schlosser, Gießereifacharbeiter usw. In dieser Schule waren wir so ca. 200 Lehrlinge und für den praktischen Teil der Ausbildung hatten wir speziell für jeden Beruf ausgebildete Lehrmeister. Das gesamte System der Berufsausbildung konnte man an sich nur als vorbildlich beschreiben, es wurde nur immer wieder getrübt durch


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