Yvettes Traum. Florentine Hein

Yvettes Traum - Florentine Hein


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erkannte sich in ihr wieder und staunte doch, wie anders sie war.

      Seit dem Abschied am Flughafen lauerten die Tränen. Zudem wurde die Frage immer drängender, was denn jetzt werden sollte, aus ihr und ihrem Leben?

      An sich denken.

      Wie ging das nochmal?

      Yvettes Gedanken drehten sich und drehten sich, immer wieder in einer Endlosschleife und fanden den Ausgang nicht.

      Ablenkung, das war ihr Plan für die erste Zeit nach dem Abschied gewesen. Sie musste sich ablenken!

      Yvette holte ein Feuerzeug und entzündete das kleine Teelicht im Glas. Das hatte Isa sonst immer gemacht.

      „Mit der Kerze wird’s gemütlich!“, sagte sie dann.

      Die Flamme war klein, gewann an Kraft, brannte hell.

      Yvette nahm die erste Zeitschrift vom Stapel.

      „D‘accord, Belle, wie streichen wir denn jetzt unsere Höhle? Was empfiehlt denn „Wohnraum heute“? Ach, ich sehe schon, mausgrau! Würde dir das gefallen, meine Schöne?“

      Doch die Katze gähnte nur. Dann sprang sie auf den zweiten Stuhl und rollte sich gemütlich zusammen.

      „Ja, du hast recht, mausgrau finde ich auch zum Gähnen. Wir wollen etwas Aufregenderes.“

      Yvette trank einen Schluck Kaffee und blätterte die Seite um.

      „Hör zu, es gibt sogar Farbtherapien für Katzen! Wird aber keine Lieblingsfarbe genannt. Und da steht, dass weiß überhaupt keine Farbe ist - wusste ich es doch! Höchstens zulässig für Kleider, Wein und Katzenfelle. Mhm, in diesem Artikel geht es um Farbenlehre. Was empfiehlt der liebe Goethe? Aha, Purpur war für ihn die höchste Farbe. Wäre das was für uns?“

      „Hallo Yvette!“

      Oh?

      Mister Ex?

      Mit seinen grauen Schläfen, braunen Augen und Grübchen am Mundwinkel hätte ihr Ex gerade ihrer Zeitschrift entstiegen sein können.

      Yvette blinzelte. Nein, kein Trugbild. Sie konnte ihn nicht einfach zuklappen – leider.

      „Andy. Was willst du hier?“

      „Ach, weißt du …“ Er öffnete das Gartentor und schlenderte zu ihrem Sitz. „Ich war gerade in der Stadt und da dachte ich, ich könnte ja mal vorbeikommen.“

      Klar, sehr glaubwürdig! Seit mindestens drei Jahren hatten sie sich nicht mehr gesehen. Höchstens am Telefon gesprochen, und auch da nur das Allernötigste. Das war auch gut so! Wenn er jetzt kam, dann gab es ganz sicher einen Grund. Yvette verschränkte die Arme, wappnete sich.

      „Wenn du Kaffee willst – drin auf dem Herd.“

      Sie hatte ihn sieben Jahre lang umsorgt und würde es nicht wieder tun.

      Er zuckte die Schultern und ging hinein. Sie hörte, wie er die Schränke öffnete.

      „Wo ist denn der Zucker? Gibt es keinen? Und es stinkt nach Farbe! Hast du gestrichen?“

      Antworten hielt sie für überflüssig. Sie spürte ihre Anspannung. Die Trennung war lange her. Die anfängliche Wut verweht. Zurück blieb ein schwarzer Stein, nicht größer als ein Kiesel, aber er wog schwer.

      Mit der Tasse in der Hand kam er zurück.

      „Hast du Nachrichten von Isabel? Sie hat wohl auf dem Flug einen jungen Mann kennengelernt und sich verliebt.“

      Der missmutige Unterton war kaum zu überhören – war der liebe Papa vielleicht eifersüchtig? Wie lächerlich!

      Yvette beschränkte sich auf ein Nicken.

      „Seltsam, wenn die Kinder groß werden.“

      Er rüttelte an der Lehne des zweiten Stuhls. Belle richtete sich auf. Wenn Katzenblicke nur töten könnten … aber so gab die Klügere nach, sprang elegant vom Sitz und verzog sich mit hochgerecktem Schwanz.

      Mister Ex setzte sich.

      „Du hast jetzt auch einen neuen Freund? Isa hat es erwähnt.“

      Einen neuen Freund? Sprach er von Nummer 27? Das war doch nur eine Affäre. Aber was ging es Mister Ex an?

      „Also, Yvette, Jule und ich … ähm …“

      Aha. Jetzt würde er wohl mit der Sprache rausrücken. Sie biss sich nervös auf die Lippen. Wenn Jule im Spiel war, wurde es immer unangenehm.

      Yvette war Andys Angebeteten nur einmal begegnet. Sie sah göttlich aus mit der kleinen Stubsnase und den langen dunklen Haaren, die die riesigen Brüste umschmeichelten. Eine hinreißende verwöhnte Göre. Mister Ex lag ihr zu Füßen. So, wie er jahrelang an Yvette kein gutes Haar gelassen hatte, so kommandierte nun Jule ihn herum.

      Natürlich immer begleitet von einem zuckersüßen Lächeln und einem unschuldigen Augenaufschlag.

      „Ja, Liebling …“

      „Natürlich Liebling …“

      „Alles, was du willst, Liebling …“

      Es war ein Witz, eine schlechte Komödie. Leider konnte Yvette sie nicht genießen.

      „Du musst wissen, also, Jule würde gern in der Stadt leben. Es ist schön auf dem Dorf, aber ich bin doch oft auf Geschäftsreise, und da ist sie dann ein wenig einsam.“

      Ach ja? Damals war es Jules größter Wunsch gewesen, mit ihm in diesem Haus zu wohnen. Dorfleben – so romantisch! Yvette war diejenige, die ausziehen musste. Das Feld räumen. Die Stadtwohnung gehörte Andy, und er bot ihr gnädig an, mit ihren drei kleinen Kindern dorthin zu ziehen. Anstelle von Unterhalt, natürlich. Die Mieter waren gerade ausgezogen und hatten einen exorbitanten Saustall hinterlassen. Wochenlang hauste sie mit den Kids auf einer Müllhalde. Passend zu ihrem Seelenleben. Er hatte sie einfach entsorgt.

      Dann war Papa gekommen. Er bestellte einen Abfallcontainer, nahm die Kinder mit zu sich und redete ihr ins Gewissen. Ausgerechnet Papa! Aber schlussendlich half es. Sie rappelte sich auf und begann auszumisten.

      „Und da die Kinder nun ihr eigenes Leben haben, gilt unsere Abmachung ja nicht mehr. Jule fand es wirklich großzügig von mir, dass ich dir die Wohnung damals überlassen habe, und noch dazu mietfrei! Das habe ich natürlich für die Kinder getan. Und keine Sorge, ich werde sie selbstverständlich weiter unterstützen. Sie wissen natürlich, dass sie auf mich zählen können. Aber das Angebot mit der Wohnung … Du kannst doch bestimmt zu deinem neuen Freund ziehen?“

      Wie bitte? Was redete er da für einen Bullshit? Er meinte das doch unmöglich ernst?

      Yvettes Stimme gehorchte ihr nicht. Sie räusperte sich.

      „Du sagst, ich soll …“

      Er kratzte sich am Kopf. Wenigstens schien es ihm ebenfalls unangenehm zu sein.

      „Ja, also, ich bitte dich, auszuziehen.“

      Der dunkle Stein meldete sich. Er wuchs, wurde schwerer und schwerer. Er zog sie nach unten. Sie bekam keine Luft mehr.

      „Und – und wenn ich nicht, ich meine, wenn ich nicht ausziehen will?“

      „Tja, es tut mir leid. Es gibt keinen Mietvertrag. Es ist meine Wohnung. Ich könnte dir nur eins anbieten – wenn wir in die Stadt wollen, möchten wir natürlich eine eigene Wohnung. Ich hänge nicht an dieser hier, es wäre eben praktisch. Alternativ kannst du sie mir abkaufen und wir suchen uns dafür eine andere.“

      „Ich … ich habe doch kein Geld.“

      Sie konnte nur flüstern.

      „Ja.“

      Er nickte. Völlig unberührt.

      „Deshalb scheint mir die Lösung mit deinem neuen Freund auch die beste zu sein. Überleg es dir. Ich denke übrigens, weiß wird Jule gefallen. Renovieren musst du also nicht


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