Wer auf dich wartet. Gytha Lodge

Wer auf dich wartet - Gytha Lodge


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Schlafzimmer ansteuerten.

      Zoe musste lachen. Maeves Problem war, dass sie ständig versuchte, zu viele Dinge in einen Tag zu packen. Für Zoe hatte ein Taxi um zwanzig nach zwölf bedeutet, dass sie nach dem Frühstück nur eine Stunde gearbeitet und sich dann zwei Stunden genommen hatte, um sich fertig zu machen. Für Maeve hatte es bedeutet, sich erst mit einer Freundin zum Kaffee zu treffen, dann joggen zu gehen, anschließend auf der Suche nach ihren Kleidern zwanzig Minuten lang panisch ihr Zimmer auf den Kopf zu stellen und schließlich unter die Dusche zu stürzen.

      »Hast du eine Strumpfhose für mich, Zoe?«, rief Maeve wenig später.

      »Ja«, rief sie zurück. Sie betrachtete sich kurz im Frisierspiegel und zog dann die obere linke Schublade ihrer großen Eichenkommode auf. »Was für eine?«

      »Vielleicht … hautfarben?« Maeves Stimme wurde lauter, als sie an den Treppenabsatz kam. »Oder schwarz?«

      »Ich hab nur schwarze«, antwortete Zoe, weil sie dachte, dass es vielleicht nicht der beste Zeitpunkt für ein Gespräch darüber war, dass »hautfarbene« Strumpfhosen nutzlos waren, wenn man Halbkenianerin war. Sie zog drei Strumpfhosen aus der Packung, nahm ihre Schultertasche und stöckelte vorsichtig die Stufen hinab. Die Louboutins waren vielleicht die hübschesten Schuhe, die sie je besessen hatte, aber ganz bestimmt nicht ideal für Treppen. Oder unebenen Boden. Oder für längere Strecken. Zoe war sich nicht siher, ob sie im Laufe des Tages nicht doch irgendwann in ihre flachen Ballerinas wechseln musste, die sie in ihre Tasche gepackt hatte, doch sie war entschlossen, es zu versuchen.

      Als Zoe die Treppe bewältigt hatte, war Maeve immerhin schon angezogen. In dem engen knappen Top und dem hochtaillierten ausgestellten Rock sah sie aus wie eine Schönheit aus den fünfziger Jahren, obwohl ihr nasses, auf ihre Schultern tropfendes Haar dem Gesamteindruck abträglich war. Ebenso wie der Mascarafleck, der beim Schminken auf ihrer Wange gelandet war.

      Zoe erkannte, dass die hastigen Bewegungen ihrer Freundin nur noch größeres Chaos anrichten würden. Augen-Make-up gelang nie richtig, wenn man in Eile war.

      Sie warf die Strumpfhosen aufs Bett. »Lass mich das machen«, sagte sie und streckte die Hand nach der Wimperntusche aus. »Du kannst dir dabei die Haare föhnen. Multi-Tasking.«

      »Danke!«, sagte Maeve. »Eyeliner brauche ich auch noch.«

      Zoe wartete, bis sie den Föhn eingeschaltet hatte, bevor sie sich mit einem Wattebausch und Make-up-Entferner an die Arbeit machte. Das Mascara ließ sich leicht auftragen, obwohl Maeve jedes Mal blinzelte, wenn sie mit dem Pinsel in die Nähe der Augen kam.

      Zoe warf einen Blick auf die Leuchtanzeige des Weckers neben dem Bett, bevor sie mit dem Eyeliner begann. Sieben Minuten. Zeit genug für ein vernünftiges Styling. Maeve konnte sich die Strumpfhose anziehen, während Zoe schon zum Taxi hinunterging.

      Einen Moment lang betrachtete Zoe nachdenklich Maeves hellblaue Augen, um zu entscheiden, wie sie sie am besten zur Geltung brachte. Keinen Unterstrich, dachte sie.

      »Hör auf, mich so anzugucken«, sagte Maeve laut über den Föhn hinweg. »Du siehst aus, als wolltest du jeden Moment auf die Knie fallen und mir einen Heiratsantrag machen.«

      »Und wenn?«, fragte Zoe grinsend. »Okay, jetzt musst du eine Weile stillhalten.« Sie arbeitete schnell und nahm zuletzt ein Haarnetz mit Glitzersteinen, um Maeves immer noch feuchte braune Locken zu bändigen.

      Maeve betrachtete sich im Spiegel und lächelte ihr schmales, leicht widerwilliges Lächeln.

      »Na gut. Besser als das präraffaelitische Chaos, das ich geplant hatte.«

      Zoes Handy klingelte. »Das Taxi«, sagte sie, ohne aufs Display zu blicken.

      »Scheiße, ich muss noch meine Schuhe finden«, sagte Maeve.

      »Weiß deine Mami, dass du fluchst?«, fragte Zoe grinsend, als sie wieder in ihre Pumps schlüpfte.

      »Sie hat mir all die Wörter beigebracht«, erwiderte Maeve, tauchte beinahe vollständig in ihren Kleiderschrank und zog eine Reihe nicht zueinanderpassender Schuhe heraus. »Ich bin sofort so weit, wirklich. Geh schon vor.«

      Etwa elf Minuten später stürmte Maeve aus der Haustür. Trotz ihrer geröteten Wangen und des Gürtels ihrer Jacke, der über den Boden schleifte, sah sie kein bisschen weniger hinreißend aus, dachte Zoe.

      Man hätte sich einen entspannteren Auftritt bei einer Hochzeit gewünscht. Der Taxifahrer hatte aus einem unerfindlichen Grund die Route durch die Innenstadt gewählt, was sie eine weitere Viertelstunde gekostet hatte, in der sie die von zahllosen samstäglichen Einkaufsbummlern bevölkerte The Mall im Schritttempo hinunter gekrochen waren. Maeve hatte sich in einem fort bei Zoe entschuldigt, bis diese nachdrücklich erklärt hatte, dass es nicht Maeves Schuld sei, und dann entschlossen das Thema gewechselt hatte, indem sie Maeve aufforderte, ihr von ihrem Date am Abend zuvor zu erzählen.

      »Oh, es ist ganz gut gelaufen, würde ich sagen.« Maeve wandte den Blick ab und betrachtete die Fußgänger, an denen das Taxi quälend langsam vorbeirollte. »Ich meine, er war nett. Ein bisschen altmodisch. Man konnte sich gut mit ihm unterhalten.«

      Zoe lachte spöttisch. »Was soll bei einem von der Kirche arrangierten Date auch sonst passieren? Da ist ein altmodischer netter Typ quasi garantiert.«

      Maeve schnaubte abschätzig. »Gut die Hälfte von denen ist kein bisschen so, sag ich dir. Es gibt da genauso viele sexistische Flachwichser wie nette Typen.«

      Zoe lächelte. »Klingt genau wie bei nichtchristlichen Dates.«

      »Stimmt«, pflichtete Maeve ihr bei und seufzte dann. »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass ich ihn noch mal treffe. Er war einfach nicht … interessant genug.«

      Das bedeutete, er war nicht wie Isaac. Zoe wünschte sich wieder, dass Maeve diese Schwärmerei endlich überwinden und jemanden finden würde, der sie wirklich wollte. Jemanden, der sie als Mensch schätzte und nicht nur sein Ego von ihr streicheln ließ.

      »Man kann es nicht erzwingen«, sagte Zoe nur leichthin.

      »Ah, ich komme auch allein zurecht«, erklärte Maeve mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ich fühle mich mit mir selbst wohl, daran muss ich mich erinnern.«

      »Ja«, stimmte Zoe ihr zu. »Immerhin bist du irgendwie interessant. Manchmal.«

      »Hau ab«, sagte Maeve lächelnd.

      Während der übrigen Fahrt versiegte ihr Gespräch. Sie versanken in angespanntes Schweigen, während immer offensichtlicher wurde, dass sie zu spät kommen würden. Um 12:58 Uhr, zwei Minuten vor dem offiziellen Beginn der Zeremonie, traf das Taxi schließlich bei der Vinery ein und hielt ein Stück hinter einem silbernen Rolls-Royce, der gerade eine Gruppe in weiße und lavendelfarbene Spitze gehüllte Gestalten vor den Eingangsstufen abgesetzt hatte.

      Zoe hastete auf ihren hohen Absätzen unbeholfen über den Gehsteig.

      »Sorry«, sagte sie grinsend zu Gina, die in ihrem hochgeschlossenen figurbetonten Brautkleid mit Schleppe gegenüber ihrer praktischen Alltagserscheinung wie verwandelt aussah.

      »Zoe!«, stieß sie hervor und lachte dann rau. »Wir wollten gerade reingehen!«

      »Maeves Schuld«, keuchte Zoe. Im selben Moment tauchte Maeve hinter ihr auf und bestätigte: »Ja, es lag an mir! Tut mir schrecklich leid!«

      Sie liefen über die Marmorfliesen in das große Gewächshaus, in dem mit Pfingstrosen geschmückte Bänke aufgestellt waren. Die Hälfte der Anwesenden drehte sich um, weil sie trotz fehlender Einzugsmusik die Braut erwarteten. Zoe versuchte, ein Lachen zu unterdrücken, als sie Angelines aufgerissene Augen sah. Sie saß mit Victor in der Mitte und hatte zu Zoes Erleichterung zwei Plätze für sie frei gehalten.

      Angeline rutschte kopfschüttelnd in der Bank auf, um Zoe und Maeve hereinzulassen.

      »Wir dachten schon, ihr hättet einen Unfall gehabt!«, flüsterte sie ziemlich laut. »Wir sind schon seit einer Ewigkeit hier.«

      Zoe


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