Western Action Großband Februar 2019 - 1000 Seiten Spannung. Pete Hackett
Augen stand ein Hoffnungsschimmer.
„Schneide mich los und lass mich reiten, wohin ich will, Jago!“, bettelte er. „Ich verschwinde und komme nie mehr zurück!“
„Und ich?“
„Du kannst ihm sagen, ich hätte mich befreit.“
„Du kannst dich nicht von selbst befreien, Clint. Und ich würde es nicht tun. Du bist ein Bandit!“
„Und Sean?“
„Er ist genauso wie du, vielleicht noch schlimmer. Der Boss wird euch dafür bezahlen - Sean und dich, und auch Zattig, wenn er ihn bekommt.“
„Der Boss wird mit Gefangenen zurückkommen. Durango hat von Marshal Clayburn in San Angelo einen Stern bekommen.“
„Das ist Sache vom Boss, Clint.“
„Du irrst. Es geht auch dich an. Jetzt können wir beide verschwinden, und sie bekommen uns nie mehr.“
Jago Kidd schüttelte den Kopf.
„Wohin sollte ich verschwinden? Er hat gesagt, was Tatsache ist. Er kennt dieses Land. Wir kennen es auch. Kein Reiter findet vor dem Frühjahr einen Job. Bald wird es Winter sein. Erinnerst du dich an den letzten Winter? Ein paar stellungslose Cowboys hatten sich in einer seiner Weidehütten festgesetzt. Er jagte sie in Schnee und Eis hinaus. Sie hatten keinen Dollar und keinen Bissen Brot. Niemand kam, um ihnen zu helfen. Der Boss konnte mit ihnen machen, was er wollte. Es war sein Land. Er war im Recht.“
„Du tust es nur, weil du Angst vor ihm hast.“
„Ich bleibe aus diesem Grund. Warum sollte ich für andere in den Tod reiten? Du weißt doch noch, dass wir die Cowboys fanden - erfroren!“
„Ich weiß es.“
„Alle wissen es, Clint. Und jeder hat vorhin daran gedacht. Seit Jahren ist Tobe Tetley unser Gesetz und unser Gewissen. Warum sollte es auf einmal anders sein. Niemand von uns hat gemordet oder andere überfallen. Wir helfen dem Boss, weil er nichts dafür kann, dass sein Sohn ein Schwein ist. Weiter tun wir nichts. Er gibt die Befehle und führt sie mit uns aus. Was wir machen, tun tausend andere Männer in diesem Land ebenfalls, und keiner denkt darüber nach.“
Jago Kidd ließ den Kopf des Banditen los. Clint Rules Stirn schlug gegen das harte Sattelleder.
„Und ich dachte, du bist mein Freund“, knirschte der Bandit heiser.
„Ich werde nie der Freund eines Mörders sein, Clint“, knurrte Jago Kidd.
„Wenn der Boss Durango und Harmon umbringt, ist er dann kein Mörder?“, fragte der Bandit.
„Wenn er das tut, muss er es verantworten. Aber nicht vor mir. Er ist auch nicht mein Freund, Clint. Er ist der Mann, auf dessen Lohnliste ich stehe.“
Jago Kidd stieg in den Sattel, nahm die Zügel von Rules Pferd auf und ritt weiter in die Nacht hinein.
Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, weil er die Grenze zwischen Recht und Unrecht kannte. Aber er war dabei gewesen, als sie die stellungslosen, erfrorenen Cowboys gefunden hatten, und er wollte nicht auf die gleiche Art enden.
Mit verkniffenem Mund und spaltengen Augen ritt er durch die Nacht, fest entschlossen den Weg zu gehen, den ein armer Mann in diesem Land gehen musste, wollte er nicht zwischen den starren Fronten von Macht und Recht zerrieben werden.
„Ich habe es nicht gewollt!“, schrie Clint Rule verzweifelt. „Ich habe nur für Sean mitgemacht. Wir wussten nicht, dass wir auf Wächter stoßen würden!“
„Wenn du nicht still bist, muss ich dich knebeln“, sagte Jago Kidd finster.
*
Dave Harmon stieß das Holz mit dem Stiefelabsatz tiefer ins Feuer und blickte über die Büsche hinweg zum Horizont, der sich heller zu färben begann.
Jay schob die Satteldecke zurück und setzte sich. Er blickte zu Mandy Bacon und Zattig hinüber und sah, dass sie auch nicht schliefen.
„Worauf warten wir noch?“, fragte Dave drängend. „Schlaf finden wir doch nicht.“
„Die Pferde müssen sich ausruhen“, erklärte Jay Durango. „Wir kommen dann um so schneller voran. Wir werden den ganzen Tag nicht mehr anhalten.“
Mandy stand auf und gähnte. Im Flammenschein sah ihr Gesicht spitzer und bleicher aus, als es war.
„Ihr bringt uns niemals bis San Angelo“, sagte sie in die Stille, die nur das Knistern des .Feuers unterbrach. „Tetley ist längst hinter uns her. Ich fühle es.“
„Wir haben unsere Spur am Anfang der Büsche gut genug verwischt. Hier findet uns niemand. Dave, wir löschen das Feuer.“ Jay Durango nahm Sand und warf ihn auf die Flammen.
Dave folgte seinem Beispiel. Plötzlich hielt er inne und stand auf.
Jay ließ die Hände sinken und rieb sie an der Hose ab. Dave schaute ihn an.
„Sie kommen“, flüsterte er. „Hörst du sie nicht?“
„Doch.“ Jay Durango stand auf. Er blickte über die verfilzten Büsche, konnte aber noch nichts anderes als tiefe Dunkelheit erkennen. Noch kämpfte der nahe Tag vergeblich gegen die Schwärze der Nacht an. Dann irgendwo das Schnauben eines Pferdes, dem ein gefluchter Befehl folgte.
„Sie haben die Spur wirklich verloren“, sagte Dave und zog den Revolver aus der Halfter.
„Kneble Zattig.“
Dave wandte sich ab.
Jay Durango drehte sich zu dem Mädchen um, dem Schweißperlen auf der Stirn standen.
„Müssen wir Sie auch knebeln?“, fragte er.
Sie bog die Mundwinkel verächtlich nach unten.
„Vielleicht ist das, was mich bei Tetley erwartet, noch schlimmer, als was Richter Douglas für mich ausbrüten kann. Tobe Tetley hat schon einmal dafür gesorgt, dass ich aus Duncan verschwinde. Nun wird er mich für alles verantwortlich machen.“
„Vielleicht ist das nicht ganz richtig, Mandy. Ein Postreiter wurde ermordet. Das war ganz sicher nicht Ihr Gedanke. Aber dass Sie den Stein ins Rollen gebracht haben, steht wohl außer Zweifel.“
„Ich habe gesagt, dass auf Ihrer Ranch Sean dort Geld finden wird. Ich wollte ihm helfen. Von einer Gewalttat war nie die Rede.“ Sie blickte in den Rauch, der sich einen Weg durch den Sand über dem Feuer bahnte und fast senkrecht über die Büsche stieg. „Für den Richter bin ich mitschuldig“, fuhr sie leise San. „Für Tobe Tetley bin ich die Hauptschuldige. Sein Hass auf Sean wird sich über mir entladen. Meine Chance bestand darin, allem zu entkommen.“
Wieder schnaubte ein Pferd. Es klang näher. Dann der Fluch eines Mannes und der Ruf: „Hierher mit der Lampe!“
„Fort!“, kommandierte Jay Durango. „Dave, kannst du Zattig tragen?“
„Es geht schon!“ Dave wuchtete sich den Banditen auf die Schulter, trug ihn zu den Pferden und warf ihn über einen Sattel.
„Los“, sagte Jay zu dem Mädchen. Mandy Bacon stand auf. Jay griff nach ihrem Arm und führte sie zu den Tieren. Dave ging mit den ersten beiden Pferden bereits tiefer in die Büsche. Jay nahm die Zügel der beiden anderen. Er spürte, dass das Barmädchen unter seinem Griff zitterte. Sie hatte Sean dazu bringen wollen, sie zu heiraten, und auf diesem Weg war ihr jedes Mittel recht gewesen.
Zweige streiften ihre Kleider und ihre Gesichter. Hinter ihnen wurden die Komandostimmen lauter.
„Gehen Sie vor mir her“, sagte Jay, ließ sie los und zog den Colt. Unter seinem Daumen spannte sich der Hammer.
Mandy Bacon lief vor ihm tiefer in die Büsche hinein. Mit den Armen teilte sie das Gestrüpp. Manchmal zersprang ein Ast unter ihren Sohlen, und sie blieb erschrocken stehen und blickte zurück.
„Weiter“, sagte