Gift. Sandra Schaffer

Gift - Sandra Schaffer


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meinetwegen, erzählen Sie.“

      Ein kleines Lächeln huschte über Abbys Gesicht. Nur sehr kurz und es verursachte ihr sofort ein schlechtes Gewissen. Wie konnte sie hier stehen und so etwas wie Freude empfinden, während Martin nie wieder zu irgendeiner Emotion im Stande war?

      „Mein Mann war Professor für Geschichte an der University of New Orleans. Vor fast einer Woche fand man seine Leiche in einer Bar. Er ist vergiftet worden. Bis heute gibt es keine Hinweise auf seinen Mörder …“

      „Oder seine Mörderin“, fiel Mark ihr ins Wort.

      „Wie bitte?“

      „Giftmorde werden in den meisten Fällen von Frauen verübt. Sie sind weniger brutal.“

      „Hm, ja, hab ich auch schon mal gehört. Na ja, jedenfalls, wie ich schon sagte, tappt die Polizei völlig im Dunkeln. Es gibt keine DNA-Spuren oder Fingerabdrücke. Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, dass sie mich verdächtigen.“

      „Warum Sie?“

      „Sie glauben, mein Mann hatte eine Affäre. Ich soll es herausgefunden haben, ihm in diese Bar gefolgt sein und das Gift in den Drink gegeben haben.“

      „Und, haben Sie?“

      Abby warf ihm einen Ist-das-Ihr-Ernst-Blick zu. „Wäre ich hier, wenn ich ihn selbst ermordet hätte?“

      „Tut mir leid, ich musste diese Frage stellen. Aber haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass er vielleicht wirklich eine Affäre hatte?“

      „Ja, hab ich. Aber ich bin ziemlich sicher, dass er keine hatte. Also, helfen Sie mir nun?“

      Mark lehnte sich in seinem Bürosessel zurück, faltete die Hände hinter dem Kopf und dachte nach. Obwohl die dadurch entstandene Stille nicht einmal eine Minute anhielt, hielt Abby sie fast nicht aus. Dann setzte er sich wieder aufrecht hin und bedachte Abby mit einem traurigen Blick.

      „Ich würde Ihnen gern helfen, aber …“

      „Verdammt, warum muss es immer ein Aber geben?“, fiel Abby ihm schimpfend ins Wort und stand auf.

      „Ich bin kein Mordermittler, Mrs. Roberts. Es tut mir leid, aber was Sie da verlangen, ist Aufgabe der Polizei.“ Auch Mark stand auf und trat hinter dem Schreibtisch hervor. „Ich kann diesen Fall nicht annehmen, dazu bin ich nicht autorisiert.“

      „Ach, Blödsinn! Autorisiert? Sind wir hier bei der Army? Sie waren einmal der beste Mordermittler, den die New Yorker Polizei je hatte. Also, wo liegt das Problem?“

      „Dass ich nun einmal nicht mehr bei der Polizei bin und auch nicht mehr in New York. Überlassen Sie die Ermittlungen der Polizei. Bitte!“

      Ehe Mark ihr seine Hand auf die Schulter legen konnte, um sie wieder zu beruhigen, stürmte Abby aus dem Zimmer. Sie war völlig außer sich, als sie auf die Straße hinauslief. Der Regen durchnässte ihre immer noch feuchte Kleidung sofort wieder, doch Abby spürte es nicht. Die Wut setzte sie zu sehr unter Strom.

      Warum hatte sie auch geglaubt, von einem Mann Hilfe zu bekommen? Sie hätte es besser wissen müssen. Schließlich war sie bisher fast immer nur von ihnen enttäuscht worden. Und der Mann, der immer für sie da war und ihr nie auch nur den kleinsten Anlass zur Besorgnis gegeben hatte – sah man mal von den letzten Tagen ab –, konnte ihr nicht mehr beistehen.

      Sie stieg in ihren Mini Cooper und fuhr heim. Sie hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so einsam gefühlt wie in diesem Moment. Und dabei war sie als Kind sehr oft allein gewesen, weil ihre Mutter mehrere Jobs hatte, um die Miete zahlen zu können und für Essen auf dem Tisch zu sorgen.

      Vor sechs Jahren, als sie Martin kennengelernt hatte, hatte sie geglaubt, endlich einen Menschen an ihrer Seite zu haben, der für sie da war und die Mauer entfernte, welche sie um ihr Herz herum aufgebaut hatte, um sich zu schützen. Er hatte ihr geholfen, Vertrauen in andere Menschen zu entwickeln, sich nicht immer nur auf sich selbst verlassen zu wollen, sondern auch einmal Hilfe von anderen anzunehmen. Nun hatte sie um Hilfe gebeten und war abgewiesen worden. Wie sollte man da Vertrauen entwickeln, das Ruder aus der Hand geben, wenn einem bei der kleinsten Schwierigkeit schon die Hilfe versagt wurde?

      Zu Hause angekommen setzte Abby sich in Martins Arbeitszimmer, ließ die Lichter aus und dachte nach. Sie konnte selbst versuchen, den Mörder zu finden. In Filmen funktionierte das schließlich auch immer. Nur war das hier kein Film und Abby keine Ermittlerin. Dennoch, einfach herumsitzen und darauf warten, dass die Cops etwas fanden, konnte sie auch nicht. Sie wollte nicht zu den Angehörigen gehören, die niemals erfahren sollten, was genau ihren Lieben zugestoßen war. Sie wollte, dass der Täter dafür in den Knast wanderte! Und wenn ihr keiner helfen wollte, na ja, dann musste sie eben allein ihr Glück versuchen. Das hatte in ihrer Kindheit und Jugend schließlich auch oft genug geklappt! Sie hatte ihre Probleme schließlich immer allein regeln müssen, warum dann nicht auch dieses?

      Doch war sich Abby nicht sicher, ob sie stark genug war, es allein zu schaffen. Sie war noch nicht einmal sicher, das Leben allein, ohne Martin, zu meistern; es ohne ihn überhaupt weiter leben zu wollen.

       10

      Er beobachtete sie! Beobachtete sie schon, seit er es in den Nachrichten gehört hatte. Er musste sicher gehen, dass sie nichts wusste und dafür sorgen, dass es auch so blieb. Er wollte ihr ungern wehtun. Sie war so hübsch! Doch er würde keine Sekunde zögern, wenn es nötig war. Bisher war auch alles gut. Sie hatte keinen Schimmer und tappte im Dunkeln. Doch sie war keine Frau, die abwartete und darauf hoffte, dass die Polizei ihren Job machte. Dass hatte er von Anfang an gewusst, hatte dieses Glühen in ihren Augen gesehen, als sie aus dem Revier herausgekommen und in ihrem Wagen davon gebraust war. Und seine Einschätzung hatte ihn nicht getäuscht. Er hatte zwar nicht damit gerechnet, dass sie sich gleich Hilfe suchen würde, er hatte gedacht, sie versuche es allein. Dennoch war sie im strömenden Regen durch die halbe Stadt gefahren, nur um einem Detektiv ihren Fall darzulegen. Ganz wie zu Zeiten Sherlock Holmes’. Sie war nicht so lange im Gebäude gewesen, wie er angenommen hatte, war nicht einmal zwanzig Minuten, nachdem sie reingegangen war, wieder herausgekommen, niedergeschlagen, verweint. Er hatte ihr wohl nicht helfen wollen. Das war gut! So blieb wenigstens alles wie es war. Niemand erfuhr, was wirklich passiert war und er konnte sich vielleicht bald wieder anderen Aufgaben widmen.

      Vielleicht!

       11

      Mark saß noch lange an seinem Schreibtisch, dachte über die Frau nach und die Bitte, die sie ihm gegenüber geäußert hatte. Sie war ihm so verloren vorgekommen und hatte ihn sofort zwei Jahre zurückgeworfen. Zurück in eine Zeit, die er vergessen wollte, der er zu entfliehen versucht hatte, indem er nach New Orleans kam. Doch nun kam durch diese Frau alles wieder hoch. Die Erinnerung an den damaligen Fall; an Denise, vor allem an Denise! Sie war die Frau gewesen, der er sein Herz geschenkt hatte. Er hatte sich in Denise verliebt, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Diese haselnussbraunen Augen, das lange dunkelblonde Haar, der sinnliche Blick. Denise hatte all das verkörpert, was Mark an einer Frau mochte. Sie stand auf eigenen Beinen und mochte es dennoch, einen Mann an ihrer Seite zu haben, der sie beschützen konnte. Nur hatte Mark sie nicht beschützen können! Sie war seine Kronzeugin gewesen, sollte gegen eine irische Familie namens O’Conner aussagen. Sie war einige Zeit mit dem jüngsten Sohn zusammen gewesen und hatte dabei einige Dinge mitbekommen, die die Familie zum Gelderwerb genutzt hatte. Drogenschmuggel, Diebstahl, selbst vor Mord hatten sie nicht zurückgeschreckt. Mark hatte Denise in Sicherheit gewogen, hatte geglaubt sie sicher untergebracht zu haben, doch die O’Conners hatten sie dennoch gefunden. Er hatte sie nicht beschützen und nicht retten können. Wie er auch seinen Partner nicht hatte retten können, ja nicht einmal sich selbst, dazu war die Hilfe eines Kollegen nötig!

      Wenn Mark jetzt dieser Frau half, würde sich nur alles wiederholen, das wusste er so sicher, wie er wusste, dass am nächsten Morgen die Sonne aufging. Und trotzdem ging ihm ihre Geschichte nicht mehr aus dem Kopf und er entwickelte einen Plan, wie er vorzugehen gedachte. Doch er schüttelte ihn wieder ab, stand auf und verließ das Büro.

      * * *

      In


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