Das Geheimnis des wahren Evangeliums - Band 1. Johanne T. G. Joan

Das Geheimnis des wahren Evangeliums - Band 1 - Johanne T. G. Joan


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„flüstern“, die er nicht hören will, und ihm um seinen inneren Frieden oder gar nicht selten um seinen Schlaf bringen. Wichtige und belanglose Gedanken, die er nicht vermag, auch nur annähernd zu kontrollieren. Angreifende Gedanken, die mit ihm in den Kampf gehen und sich vor seinem inneren Auge auftürmen, sich im Kreise drehen und die den Taten eines entfesselten Wahnsinnigen gleichen, der planlos umherirrt, sich mit einer Sache beschäftigt und sie im gleichen Augenblick wieder verwirft, um sie von Vorne erneut anzugehen oder plötzlich aus dem Nichts sich einer anderen Aufgabe widmet.

      Rar sind jene, die im Einklang mit sich selbst und in Gegenwart ihres inneren Friedens ein authentisches Leben führen und die Dinge denken, die sie denken wollen. Jene, die nicht in die Falle des listigen Systems gefallen sind. Solche, die nicht das Denken den Medien überlassen, die über die Angst ihre Opfer manipulieren, zum Konsum anspornen und den Menschen durch den Kauf vieler Dinge, die er nicht benötigt, eine andere Wirklichkeit seines Glücks vorgaukeln wie ein Raucher oder ein Alkoholiker, der sein Glück darin sieht, seine Abhängigkeit zu frönen. Wie eine Frau, die ihren wahren Wert nicht erkennt und sich mit einem Haufen goldenen Schmucks behängt, feudale Kleider anzieht, und allerlei verschwenderische Maßnahmen für ihr „jugendliches Aussehen“ über sich ergehen lässt, um nach außen etwas darzustellen.

      „Das Wasser, mit dem die Welt ihren Durst stillt ist salzig und nur derjenige, der nichts besitzt und glücklich ist, trinkt aus einer reinen süßen Quelle“, fasste Gilberto seine persönliche Meinung zusammen. Seine eigenen Erfahrungen und alle Kenntnisse, die er sich durch die intensive Beobachtung seiner Patienten und deren Lebens- und Krankheitsgeschichten angeeignet hatte, hatten ihn zu diesem Bild der modernen Konsum- und Mediengesellschaft geführt.

       10. Kapitel

      Als Carlucci am Morgen des folgenden Tages aufwachte, hatte das Vogelgezwitscher die Unruhe des Vortages größtenteils vertrieben. Sein Entschluss stand zwar fest, er wollte von der Sache Abstand halten, dem Benediktiner Kloster Monte Cassino würde er dennoch einen Besuch abstatten; es sei schließlich nichts dabei und er habe nun die Angelegenheit im Griff. Das Blut Christi hatte ihn gestärkt und die Dämonen ferngehalten.

      Als er sich zum Benediktiner Kloster aufmachte, fing es zu regnen an.

      Ein Mönch aus dem Kloster Monte Cassino verschaffte Carlucci Einlass in das Skriptum. Die große alte Truhe, in der er vor Jahren die hebräischen Manuskriptfragmente ausgegraben hatte, stand immer noch am selben Platz. Tatsächlich entdeckte er erneut die alten Schriften, die durch ihr Alter vergilbt, stark beschädigt und lückenhaft waren. Noch vor Ort überflog er den Textinhalt und konnte sogleich die Affinität zu der aramäischen Fassung erkennen. Sein Erinnerungsvermögen hatte ihn nicht getäuscht. Die Unruhe des vergangenen Tages nahm plötzlich andere Züge an; in der Hand hielt er den endgültigen Beweis über die Authentizität der Essener Schriften, eine Erkenntnis, die ihm die Fähigkeit nahm, für den Augenblick überhaupt einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Kopf war leer oder voll, er vermochte es nicht zu unterscheiden, war er entsetzt oder erleichtert? Dieser Zustand der Verwirrtheit hielt eine ganze Weile an. Als er die Fassung wiedererlangt hatte, atmete er auf und fühlte sich gleich einem, aus seiner Bewusstlosigkeit erwachten Schiffbrüchigen, der ins offene Meer getrieben, am Rande der völligen Erschöpfung kurz vor seinem Tod Rettung fand.

      Mechanisch wie ein Roboter steckte er vorsichtig die hebräischen Dokumente in seine Kutte und nahm sich vor, sie, nachdem er sie mit den Essener Schriften verglichen hätte, wieder an ihren Platz zurückzubringen. Ihr Verschwinden würde niemand sobald bemerken. Er verließ den Raum und der gleiche Pater, der ihm die Tür geöffnet hatte, begleitete ihn zum Ausgang. Auf dem Weg zu den Geheimarchiven prickelte der Rieselregen auf seine Haut, ein Sinnesreiz, der ihm ein Gefühl der Erneuerung gab.

      Gerüstet mit neuen Kräften, betrat Carlucci sein Arbeitszimmer. Die neuen Erkenntnisse, die er in seiner Tasche trug, hatten den „Skorpion“ vertrieben. Das Schicksal hatte ihn mit der Nase auf eine Sache gestoßen, die er anscheinend anpacken musste. Sogleich machte er sich daran, die Pergamente zu vergleichen.

      „Es besteht kein Zweifel“, stellte er bald fest und sprach mit sich selbst, um sich dieser Erkenntnis bewusst zu werden. „Die hebräischen Schriften aus der Truhe des Benediktiner Klosters sind die Vorgänger der aramäischen Fassung aus dem Geheimraum, die wiederum allen Anschein nach als Vorlage für die Evangelien aus dem Neuen Testament, die viel später und in Griechisch verfasst wurden, gedient hatten. Verhielt es sich so, mit anderen Worten, dass das „Essener Evangelium“ die wahre Botschaft des Friedens war? Waren diese Schriften, die gut versteckt in einem Safe lagen, das Urgeheimnis Gottes, die Lehre der Vollkommenheit und nicht die der Gnade?“

      Dieser Wirrwarr aus Gedanken und Fragen ließ ihn schwindelig werden und er meinte sich erbrechen zu müssen. Er machte sich einerseits Vorwürfe, überhaupt in das Benediktiner Kloster gegangen zu sein, anderseits konnte, ja musste er die Hinweise, die auf eine Verschw… Er hielt inne und wagte nicht seine Schlussfolgerung zu Ende zu denken. Er hatte doch beschlossen, die Sache zu den Akten zu legen. Dürfte er die Augen schließen und den Kopf in den Sand stecken? Die Angelegenheit war an ihn herangetreten, war es nicht seine Pflicht, der Sache auf den Grund zu gehen? In seinem Geist schichteten sich plötzlich Fragen auf Fragen auf. Wo sollte er überhaupt anfangen? Angesicht seiner Ohnmacht gegenüber dem scheinbar unbesiegbaren und mächtigen Koloss, der sich plötzlich vor ihm auftat, rannen ihm Tränen der Enttäuschung und der Erschöpfung zugleich über das Gesicht, die auf die kostbaren hebräischen Unterlagen tropften. „Mein Gott! Handelt es sich hier wirklich um eine Verschwörung?“ Er konnte nun nicht mehr die Augen vor dem Offensichtlichen verschließen. Plötzlich überkam ihn eine erste Ahnung, wie die Dinge möglicherweise abgelaufen waren, aber das Motiv für eine Verschwörung fehlte.

      Die Entdeckung der hebräischen Fragmente in Monte Cassino hatte alles verändert. Es wurde ihm von Tag zu Tag klarer, dass die hebräischen Unterlagen den eindeutigen Beweis für die Authentizität der Essener Evangelien und für ihre Entstehung vor den Evangelien aus dem Neuen Testament darstellten. „War das der Grund dafür, dass die hebräische Fassung nicht zusammen mit der aramäischen im Geheimraum untergebracht wurde?“, rätselte er.

      Ein Meer von neuen Fragen überflutete und ertränkte sein Gehirn:

      Angefangen von der unbegreiflichen Tatsache, dass im Friedensevangelium Jesus und nicht „Johannes der Täufer“ die Taufe lehrt?

      Wie konnte es sein, dass der „Essener Jesus“ im Grunde die Aufgabe von „Johannes der Täufer“ übernahm, wo es in den Evangelien ausdrücklich hieß, dass Jesus keine Taufe vornahm?

      Wieso lehrt der Essener-Jesus zweierlei Taufen, die äußere – und was viel wichtiger zu sein schien – die innere Taufe? Die Reinheit des Körpers als Grundlage für die Reinheit des Geistes? Warum war die Taufe im Neuen Testament nur ein symbolisches Ritual und warum war dort nicht von der inneren Taufe die Rede? Warum bezeichnet der Essener Jesus den Wurm, der die Krankheit verursacht, Satan und im Neuen Testament ist es ein Geist. Warum lehrt der Essener Jesus, dass dieser Satan nur durch das aktive Fasten des Kranken ausgetrieben werden kann, während die Evangelisten die Austreibung Satans vom Fasten eines Gerechten abhängig macht?

      Die Historiker überlieferten, dass Johannes der Täufer der Essener war – und nicht Jesus von Nazareth. Wer war wer? Im Neuen Testament kommt das Wort Essener überhaupt nicht vor.

      „Aber, was war passiert? Wie waren die Schriften aus dem Neuen Testament entstanden? Wer hatte sie verfasst? Aus was für einem Grund waren sie verändert worden? Was war das Motiv gewesen?“, hallte es unentwegt in seinem Kopf. Was war das Motiv gewesen? Auf diese Frage, deren Aufklärung der Schlüssel zu dem Enigma wäre, kannte er keine Antwort.

      Wenn er das Grundsätzliche über die Identität des Propheten nicht klären konnte, wie sollte er sonst etwas Brauchbares herausfinden?

      Möglicherweise würde er im Laufe seiner Recherchen eine Antwort auf diese Kardinalfrage finden. Vielleicht würden sich überhaupt im Laufe seiner Recherchen viele Fragen von selbst klären. Er dachte dabei an das Zusammensetzen eines Puzzles, dessen Bild noch unbekannt und nur eine Ahnung ist. Das An- und Zusammenlegen einzelner Teile, das anfangs Schritt für Schritt viel


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