Das Geheimnis des wahren Evangeliums - Band 1. Johanne T. G. Joan

Das Geheimnis des wahren Evangeliums - Band 1 - Johanne T. G. Joan


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Konsequenzen. Sein zweites Ich, der Mutige, der Couragierte würde den endgültigen Sieg davontragen.

       13. Kapitel

      Auch wenn er nicht an den Gott, den die Kirche lehrt, glaubte, hatte Gilberto einst wie sicher viele „Suchende“ in der Bibel nach der Wahrheit geforscht und konnte sich beinahe als bibelkundig bezeichnen. Die Erlösung der Seele durch den Glauben an einen Menschen, der zugleich Gottes Sohn war und für seine Sünde gestorben sein soll, entbehrte in seinen Augen jeglicher Vernunft. Auch wenn ihm die Vorstellung widerstrebte, das Leid eines Gekreuzigten für sein Heil hinzunehmen, hatte er sich dennoch Mühe gegeben daran zu glauben. So sehr er sich auch bemühte, blieb die Tür jedoch zu diesem Glauben fest verschlossen; es gelang ihm nicht die barbarische Hinrichtung eines Menschen als notwendig für sein Heil zu akzeptieren; diesen Gekreuzigten auch noch für die Schmerzen, die er angeblich um seinetwillen ertragen musste, zu danken.

      Jedes Mal hatte er das Gefühl, den armen Mann immer und immer wieder eigenhändig ans Kreuz zu nageln. Es war definitiv nicht seine Wahrheit und nicht sein Weg zu der Erlösung seiner Seele. Oft musste er an seine Cousine Claudine denken, die mit dieser Religion die ganze Welt um sich herumplagte. Kann aus einer Quelle süßes und salziges Wasser heraussprudeln? Er hatte in seinem Leben mit vielerlei Glaubensbrüdern zu tun gehabt, doch neben den wenigen, die ihren Glauben bescheiden und authentisch lebten, kamen Glaubensfanatiker hinzu, die sich einbildeten selbst mit einer göttlichen Mission beauftragt zu sein und diejenigen, die die Bereitschaft eines Suchenden jemals an einen Gott zu glauben, durch ihre aufdringliche, schulmeisterliche Art und Intoleranz bereits im Keim erstickten. Und dann waren da solche, die ihr Leben ausschließlich nach der Bibel richteten, die in sich so widersprüchlich ist, dass die Konfusion und der Streit unweigerlich vorprogrammiert waren.

      Im Elternhaus wurden keine Tischgebete gesprochen. Nachdem er aber von zu Hause ausgezogen war, hatte er sich zur Gewohnheit gemacht, am Tisch für das tägliche Brot zu danken. Doch irgendwann wurde ihm bewusst, dass er, der ein Dach über seinem Kopf hatte, täglich am gedeckten Tisch mit leckeren Speisen sich satt essen konnte und nie unfreiwillig Hunger erlitten hatte, den Eindruck erweckte, von Gott gegenüber jenen, die weder das eine, noch das andere hatten, bevorzugt zu sein. Manche Christen hatten ihm sogar ohne Ausschweifungen dreist erklärt, dass diese Ungleichheit der Wille Gottes sei.

      Doch konnte ein Gott, der sowohl auf die „Guten“ als auch auf die „Bösen“ die Sonne scheinen und regnen lässt, niemals den einen mehr als den anderen bevorzugen? Daran bestand kein Zweifel! Wenn es einen Gott gibt, dann sind ihm alle Menschen gleich, insbesondere Kinder, die noch unschuldig sind und gerade sie waren von der Not in der Welt in allen erdenklichen Facetten am meisten betroffen. Von da an dankte er Gott nicht mehr für seine Nahrung und sein Wohlergehen, sondern er schämte sich gegenüber seinen Brüdern, die täglich hungerten und starben. Er leistete im Rahmen seiner Möglichkeit einen aktiven Beitrag gegen den Hunger und bat Gott höchstens um eine gerechte Verteilung der Nahrung in der Welt.

      Alle Danksagungen für das eigene Wohlergehen und das der Familie, alle Dankgebete für die Erfüllung von zum Teil banalen Wünschen implizierten eine parteiische Haltung des Allerhöchsten gegenüber demjenigen, dem ein kleines Stückchen Brot trotz Gebet verwehrt bleibt. Die Ansicht derjenigen, die in die Erhörung ihrer zum Teil albernen Gebete einen vermeintlichen göttlichen Beistand interpretierten, empfand er schlichtweg als eine Gotteslästerung.

      Seine Meinung zur römischen Kirche, die mit dem Anspruch auftritt, das Zentrum des Christentums zu sein, das mit „Liebe“ gleichzusetzen ist, war nicht allzu positiv. Er war der Ansicht, dass solange in der Welt auch nur ein Mensch an Hunger oder Not leidet, die Milliarden Reichtümer des Papsttums sowohl in Form von „schlafenden“ Kunstwerken, die den pompösen Vatikan schmücken, als auch flüssig oder in investierter Form, der Kirche nicht gehören und jenen zukommen, die es brauchen. Denn in diesem Sinne wurden diese Gelder von großzügigen Menschen gespendet. Das Leid eines Menschen und die Beendigung seiner Not ist immer vorrangig und allen anderen Investitionen übergeordnet; denn die Kinder, die täglich an Hunger sterben, können wir durch die geographische Ferne nicht sehen, sie sind dennoch ganz nah bei uns.

      Diese Überzeugung war langsam, aber stetig in ihm gereift.

       14. Kapitel

      Immer wieder versuchte der Geistliche von der Sache doch noch Abstand zu nehmen, doch der Stein war ins Rollen geraten und seine jüngsten Erkenntnisse holten ihn immer wieder mit aller Härte ein.

      „Wenn die Gemeinsamkeiten zwischen den kanonisierten und den Essener Schriften kein Zufall sind“, überlegte er und wagte kaum seine Schlussfolgerung zu Ende zu denken, „dann sind die Evangelien nicht im Nachhinein, sondern während ihrer Entstehung gefälscht worden. Mit anderen Worten, die Evangelien oder gar das gesamte Neue Testament wären die Fälschung schlechthin.“ Dieser Gedanke ließ ihn frösteln.

      Hin- und hergerissen im Kampf mit sich selbst nahm Carlucci ein weiteres Mal die Essener Evangelien zur Hand.

      Einige Male hatte er die Predigt des Essener Jesus gelesen, das Gleichnis des „Verlorenen Sohnes“. Ein Gleichnis, das er schon als Kind in der Schule gelernt hatte. Außer, dass der „Verlorene Sohn“ aus dem Essener Evangelium sich wesentlich länger zog, als die Version vom Evangelist Lukas, war ihm nichts Besonderes aufgefallen. Diese Erkenntnis gab ihm Anlass, beide Texte im Detail gegenüberzustellen und genauer zu untersuchen.

      Erst nach mehrmaligem Lesen des Gleichnisses aus dem Essener Friedensevangelium erkannte er die Botschaft des Propheten:

      „Mit diesem Gleichnis will der heilige Mann seinen Anhängern mitteilen, dass der Mensch der Leidensknecht ist, der bis zur Erkenntnis der Notwendigkeit seine äußere ursprüngliche Reinheit neu zu erlangen, um die innere zu erringen, viel Mühe und Entbehrung auf sich nehmen muss. Dass ihm der Leidensweg auf dem Weg zur Vollkommenheit nicht erspart bleibt“, schoss es Carlucci plötzlich durch den Kopf.

      Bei der Gegenüberstellung der Dokumente vermerkte er die Worte und Satzelemente, die Lukas in seinem Gleichnis des „Verlorenen Sohns“ ausgelassen oder gar unterschlagen hatte und hob sie in grauer Schrift hervor:

       Das Gleichnis des Verlorenen Sohnes aus dem Essener Evangelium.

      Und es gab einige, die waren von großen Schmerzen gefoltert, die nicht aus ihnen weichen wollten; und da sie nicht wussten, was sie tun sollten, entschieden sie, jemand zu Jesus zu schicken, denn sie wünschten sehr, dass er mit ihnen sei.

      Und als zwei auf die Suche nach ihm gegangen waren, sahen sie Jesus selbst das Flussufer entgegenkommen. Und ihre Herzen waren mit Hoffnung und Freunde erfüllt, als sie seinen Gruß „Friede sei mit euch“ hörten. Und es gab viele Fragen, die sie ihm stellen wollten, aber zu ihrer Verwunderung konnten sie nicht damit beginnen, denn es kam nicht in ihre Köpfe. Dann sagte Jesus zu ihnen: „Ich kam, weil ihr mich braucht.“ Und einer schrie: „Meister, wir brauchen dich wirklich, komm, befreie uns von unseren Schmerzen.“

      Und Jesus sprach in Gleichnissen zu ihnen: „Ihr seid wie der verlorene Sohn, der viele Jahre lang aß und trank und seine Tage in Liederlichkeit und Wollust mit seinen Freunden verbrachte. Und jede Woche machte er neue Schulden, ohne das Wissen seines Vaters und verschwendete alles in ein paar Tagen. Und die Geldleiher liehen ihm immer wieder etwas, weil sein Vater große Reichtümer besaß und immer geduldig die Schulden seines Sohnes bezahlte. Und vergebens ermahnte er mit guten Worten seinen Sohn; doch der hörte nie auf die Ermahnungen seines Vaters, der ihn vergebens anflehte, seine endlosen Ausschweifungen aufzugeben, und in seine Felder zu gehen, um über die Arbeit seiner Diener zu wachen. Und der Sohn versprach ihm immer alles, wenn er seine alten Schulden bezahlen würde, aber am nächsten Tag begann er von vorn. Und mehr als sieben Jahre führte der Sohn sein liederliches Leben weiter. Doch zuletzt verlor sein Vater die Geduld und bezahlte den Geldleihern die Schulden seines Sohnes nicht mehr. ‚ Wenn ich immer weiter bezahle, dann wird es kein Ende der Sünde meines Sohnes geben.‘

      Dann nahmen die betrogenen Geldleiher in ihrem Zorn den Sohn in die Sklaverei, damit er durch seine tägliche Plackerei das Geld zurückzahlen könnte, das sie ihm geliehen hatten. Und da hörten das Essen und Trinken


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